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Musical Allstars mit Maricel, Ethan Freeman, Anna Montanaro, Maaike Schurmanns und Nigel Casey

Parforceritt: Mit den Musical Allstars in drei Stunden durch 24 Produktionen

Nach ein paar Monaten Pause haben sie sich jetzt wieder aufgerafft, die Musical Allstars. Und sie sind besser denn je. Ein festes, homogenes Ensemble darf man sich unter dieser Bezeichnung allerdings nicht vorstellen. Die Besetzung variiert und wird auch von den Terminplänen und Verpflichtungen der zur Auswahl stehenden Künstler beeinflusst. Doch eines ist garantiert: Hier stehen niemals Leute aus der zweiten Reihe auf der Bühne. In wechselnden Konstellationen geben sich bei diesen Gelegenheiten die Top-Vertreter der Szene die Mikros in der Hand. Und das ist auch bei der aktuellen Tranche wieder der Fall.

Da hat Arnim Bartetzky, Moderator, Kopf und Musikalischer Leiter der Operation „Glückliche Fans“, wieder eine erlesene, exquisite Cast beisammen bekommen: Maricel, Anna Montanaro, Ethan Freemann, Maaike Schuurmans, Nigel Casey und Paul Kribbe. Da kann man nicht meckern! Wann bitteschön hat man denn sonst die Gelegenheit, solche Musical-Titanen alle auf einem Haufen erleben zu können? In dieser Massierung sonst so gut wie nie. Insofern wären schon allein diese großen Namen Grund genug, blind und auf Verdacht eine Eintrittskarte zu erstehen, ohne genau zu wissen, was einen erwartet. Doch man kauft hier die Katze nicht im Sack. Bei Arnim Bartetzky weiß man ja: Was der Mann anpackt, funktioniert und läuft rund. Daran hat sich seit den „Musical Hautnah“-Tourneen auch nichts geändert. Selten eine so exakt und ausgefeilt aufspielende Band gehört wie diese. Da macht das Zuhören einfach Spaß!

Nach Köln in Düsseldorf und Duisburg

Die Mini-Tournee der Musical Allstars nahm Mitte November im Düsseldorfer Capitol-Theater ihren Auftakt. Am 14. Dezember 2009 geht es im Kölner Musical Dome in die zweite Runde. Aufgrund der großen Nachfrage wurde zusätzlich noch ein dritter Termin gesetzt. Samstag, der 6. Februar 2010. Schauplatz: Das Theater am Marientor in Duisburg, wo die singend-klingende Karawane bereits im Frühjahr dieses Jahres Station gemacht hatte. Dann wird allerdings eine personell leicht veränderte Cast auf der Bühne stehen. Neben Nigel Casey, Maaike Schuurmans und Paul Kribbe kommen Andreas Bieber, Jessica Kessler und Cornelia Drese neu mit ins Boot.

Keine Effekthascherei: Konzentration auf das Wesentliche

Die Besucher erwartet kein aufgeblasenes, Effekt -überladenes Spektakel. Es gibt weder ein eigenes, besonderes Bühnenbild noch irgendwelchen technischen Firlefanz. Auch auf Kostüme wird gänzlich verzichtet. Nein, in dieser Hinsicht geht es bei den „Allstars“ eher schlicht und spartanisch, je nachgerade puristisch zu. Und man/frau vermisst das Opulente ja auch nicht. Die Musik, die unsterblichen Melodien und Songs aus den schönsten Musicals der Welt, stehen im Vorder- und Mittelpunkt dieser auf konzertant getrimmten Gala. Und die Künstler natürlich. Und das reicht völlig. Ein (besonderer) Abend für Fans und Genießer. Im Verzicht auf eigentlich Überflüssiges und der Fokussierung auf das Wesentliche liegt denn auch der besondere Reiz und der außergewöhnliche Charme des Ganzen. Nichts lenkt ab. Es ist keine Show im eigentlichen Sinne, sondern ein Konzert in lockerer Atmosphäre.

Die Stage Entertainment geht ja da mit ihrer im Januar startenden „Best of Musical-Gala 2010“ einen diametral entgegen gesetzten Weg. Noch größer, noch technisch aufwendiger, noch farbenprächtiger als die vorangegangenen Shows soll diese bis 10. März angesetzte Tournee durch zwölf deutsche Metropolen ausfallen. Und das hat natürlich seinen Preis. Im Durchschnitt sind die verlangten Ticketpreise je nach Veranstaltungsort fast doppelt so hoch wie die für die „Allstars“. In Hamburg zahlt der Best-of-Besucher für die beste Platzkategorie 98.60 Euronen (!!), während die günstigsten Plätze immerhin noch 52,60 EUR kosten. Noch nicht einmal so viel müssen die Allstars-Fans in Düsseldorf, Köln oder Duisburg  für die Reihe 1 auf den Tisch blättern Die günstigsten Plätze gibt’s hier sogar schon für 22.90 Eurodollars. Ob hier die Relationen stimmen und die erheblichen Preisdifferenzen tatsächlich gerechtfertig sind, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden.

Kaum Zeit zum Atemholen

Zurück zum Thema: Die Gala im Düsseldorfer Capitol entpuppte sich als dreistündiger Parforce-Ritt durch die faszinierende Welt des deutschen und internationalen Musiktheaters. „Die schönstens Musicalhits aller Zeiten“ hatten die Veranstalter versprochen. Die gab’s denn sicherlich auch, wenngleich nicht alle Tracks des Abends  diesem Prädikat entsprochen haben mochten. Aber das ist Geschmackssache. 48 Songs aus 24 verschiedenen Produktionen, von den Musketieren, über Elisabeth, Mozart und Jesus Christ Superstar bis hin zu Aspects of Love, Aida, Sunset Boulevard, Grease und Annie get your gun rasten, neu und pfiffig arrangiert, teils komplett, teils nur angespielt, durch die Gehörgänge der Gäste. Eine volle Packung. Gut, ob man dem Udo-Jürgens-Musical Ich war noch niemals in New York nun mit einem ganzen Medley nicht der Ehre zuviel erwies, sei dahingestellt. Erstaunlicherweise verloren die bis dahin eher etwas distanzierten Besucher aber gerade dabei erstmals ihre Zurückhaltung. Der Potpourris gab es aber noch mehr, so aus Dirty Dancing und Grease und eine verdiente Hommage an Sir Andrew Lloyd Webber. 

Zu den Künstlern: Ethan Freeman genießt ja in der deutschsprachigen Musicalwelt schon so eine Art Heldenstatus und wird  völlig zu Recht zu den exponiertesten Vertretern der Szene gerechnet. Der Mann ist immer ein Erlebnis. Und wenn er sich, wie auch in Düsseldorf, „Dies ist die Stunde“ aus J&H oder das Opern-Phantom, seine Paraderolle, vornimmt, stellen sich automatisch die Nackenhärchen auf. Keiner kriegt das so wie er hin. Eine kraftvolle, modulationsreiche und einfühlsame Stimme, die man aus Tausenden anderen heraushört.

Nigel Casey, der Charming-Boy der Truppe. Ein Chamäleon unter den Musicalakteuren. Ungemein vielseitig und nicht auf ein bestimmtes Muster festgelegt. Kann alles, macht alles, von Starlight über J.C. bis zu Dirty Dancing. Zurzeit ist der sympathische Brite in der Dinner-Show „That’s Life“ an der Seite von Sabrina Weckerlin und Sabine Mayer im Capitol-Club  zu erleben. Bei ihm, und das gilt in gleichem Maße für seine niederländische Kollegin und letztjährige Bad Hersfeld-Preisträgerin Maaike Schuurmans, wünscht man sich, sie würden auf den großen deutschen Musical-Bühnen mehr Präsenz zeigen. Sie täten  jeder Long-Run-Produktion gut.

Temperament und Stimme

Maaike Schuurmans, deren Karriere in Deutschland mit der Rolle der Erzählerin in „Joseph“ startete und die in Folge in vielen erfolgreiche Großinszenierungen (Mozart, Tanz der Vampire, Cats, West Side Story) mitwirkte, hat alles, was eine gute Musicaldarstellerin auszeichnet: Neben anderen Vorzügen wie Humor und Talent  Stimme, Ausdrucksstärke und Temperament. Beispielsweise mit „Nur ein Blick“ aus Sunset Boulevard ließ sie durchblitzen, dass sie mit ihrem Latein noch längst nicht am Ende ist. Mit Paulchen Kribbe stand noch ein weiterer Publikumsliebling aus dem Land der Tulpen und Windmühlen auf der Besetzungsliste. Er ist der mit einem Touch von Selbstironie ausgestattete Spaß- und Stimmungsmacher der Cast und durfte im Capitol u.a. noch einmal in alten, seligen Roy-Fire-Erinnerungen schwelgen.

Ja und dann natürlich Anna Montanaro, Broadway- und West-End-gestählt und längst so eine Art Ikone unter den erfolgreichen, deutschen Musical-Ladies. An dieser Power-Frau kommt niemand vorbei, der sich nur ein bisschen mit der Szene auseinandersetzt. Ob Velma Kelly oder Evita, Lucy, Maria -Magdalena oder dem Mädchen Rosemarie, die ehemalige Kunstturnerin hat noch in jedem ihrer Bühnenjobs Akzente gesetzt. In Düsseldorf  lieferte  sich mit Babybauch eine fulminante  Performance ab. Am Beifall des Publikums ließ sich ablesen, dass „La Montanaro“ hier Heimvorteil genoss und genießt.

Immer noch ein Ass im Ärmel

Für die Überraschung des Abends (aber eigentlich war es ja gar keine) sorgte ein blonder Wirbelwind aus Hannover: Maricel. Wer die Überfliegerin von der Leine kennt, weiß, dass sie bei solchen Gelegenheit immer mindestens einen Trumpf im Ärmel stecken hat. Sonst wäre es (für sie) ja auch langweilig. Abgesehen von ihrer Paraderolle, der der Pharaonentochter  Amneris (Aida) und der damit untrennbar verknüpften Modenschau (Sinn für Stil), bei der sie, wie zuletzt anlässlich der Da Capo-Geburtstags-Gala in Tecklenburg passiert, immer noch eins draufsetzt, wagte sich das Temperamentbündel in Düsseldorf auf , sagen wir, sakrosanktes Terrain: „Ich gehör’ nur mir“ aus Elisabeth. An dem Song haben sich schon viele Kolleginnen verhoben. Nicht wenige sind seines inzwischen sogar überdrüssig. Die „Prinzessin“ belehrte alle Skeptiker eines Besseren. Überlassen wir die Wertung einer der Parteinahme unverdächtigen Besucherin aus dem Sauerland: „Grandios! Ich habe dieses Lied nie zuvor so intensiv, packend und gefühlvoll gehört!“. Dem wollen wir nichts hinzufügen. Und mit dem Titelduett aus dem Phantom der Oper zusammen mit Ethan Freeman offenbarte das Multitalent noch einmal eine ganz neue Seite. Trotz eines kleinen Texthängers sicherlich ein weiterer Höhepunkt des an Highlights nicht gerade armen Abends. Mehr davon!

© Text by Jürgen Heimann; Fotos: Jens Hauer