Konzert Helen Schneider A Voice and a Piano
Konzert Helen Schneider A Voice and a Piano
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Helen Schneider mit Ihrem Soloprogramm A Voice and a Piano im Ebertbad Oberhausen

Die Technikprobe mit einem tapferen Schneiderlein

16 aufgebaute Klappstühle, ein Notenständer und ein zugedecktes Klavier, die Bühne unaufgeräumt, der hintere Vorhang aufgezogen mit dem Blick auf eine Glasbausteinwand: so hat man das Oberhausener Ebertbad in der Reihe Musicalstars In Concert von Andreas Luketa und Markus Tüpker bisher noch nicht gesehen. Kurz nach 20:00 Uhr betritt am 5. April 2008 sichtlich aufgelöst Rock- und Musical-Legende Helen Schneider mit Partner Bruce die Bühne. Hektisch schmeißt sie die mitgebrachten Reiseutensilien und Kostüme hin, sie ist zu spät gekommen und ist sich unsicher, ob Oberhausen überhaupt der richtige Ort ist. Warum sitzen dort im Dunkeln Menschen? Hier sollte doch eine Technikprobe für ihr nächstes Konzert stattfinden, oder? Wo sind Techniker und Beleuchter?

Karriere der Helen Schneider

Während Bruce das Klavier stimmt, versucht sich Helen Schneider am Handmikro, das aber nicht eingeschaltet ist, beginnt aber zu den ersten Pianoklängen den Song »Anyone Can Whistle« vor sich hin zu pfeifen und schließlich auch zu singen. War es in ihrem Leben nicht immer so gewesen? Täglich auf Tournee in unbekannten Städten, ob in Amerika oder Deutschland. Wie begann die Karriere von Helen Schneider, die am 23. 12. 1952 in Brooklyn geboren wurde und schon in jungen Jahren bei den New Yorker Symphonikern als Solistin sang, bevor sie 1970 mit einer Blues Band durch die USA tourte, die sie an die großen Hotels von Las Vegas und die renommiertesten Musikclubs führte? Zwei Rockalben und acht Jahre später die erste Europatournee, die sie auch nach Deutschland brachte und ihr eine Tournee mit Udo Lindenberg und seinem Panik-Orchester bescherte. Der Song »Rock´n´Roll Gypsy« aus dem Album Schneider With A Kick katapultierte sie in die Top Ten und sie wurde als beste Sängerin des Jahres 1982 von der Phono Akademie ausgezeichnet. Im Kultfilm Eddie And The Cruisers schnupperte die Schneider erstmals Schauspielluft, zog nach New York und begann mit Schauspielunterricht. 1987 vermittelte Desiree Nosbusch ihr einen Termin zum Vorsingen für die Rolle der Sally Bowles im Musical Cabaret am Theater des Westens, wo sie an der Seite von Hildegard Knef und Wolfgang Reichmann auftrat. Das Musical ließ Helen Schneider nicht mehr los; mit Sondheim- und Kurt Weill-Songs tourte sie durch die USA. Der Broadway lockte mit den Musicals Ghetto und Frida: The Story of Frida Kahlo, für deren Verkörperung sie die Nominierung zur besten Musicaldarstellerin der New Yorker Theaterkritiker erhielt. 1994 kam sie als Reno Sweeney in Cole Porters Anything Goes erneut nach Deutschland und wurde in Andrew Lloyd Webbers Sunset Boulevard an der Seite von Uwe Kröger die deutsche Erstbesetzung der Norma Desmond am Rhein-Main-Theater in Niedernhausen. 1998 feierte Helen Schneider vor 700000 Menschen die Wiedereröffnung des Potsdamer Platzes in Berlin, sang den Titelsong einer »Derrick«-Folge und spielte bei dem Bad Hersfelder Sommer Festival Eva Peron in Webbers Evita. 2005 verkörperte sie in Bremen im Musical Victor/Victoria die Titelrolle und wurde im Jahr darauf mit dem DIVA-Preis für herausragende Leistungen im deutschen Entertainment ausgezeichnet.

Helen Schneider Konzert mit Songs der Autobiographischen Show A Voice and A Piano

Ihr bewegtes Leben fasste Helen Schneider bereits 1999 in der autobiographischen Show »A Voice And A Piano« zusammen. Locker und nicht gerade in logisch-chronologischer Reihenfolge präsentierte sie jetzt in Oberhausen mit passenden Songs aus diesem Programm erneut die Höhen und Tiefen ihrer Karriere einem unerwarteten Publikum, das mit Frau Schneider bis zur Pause vergeblich auf den Technik-Check wartete. Mafia-Bosse in Las Vegas, beinahe Kidnapping durch eine Motorrad-Gang oder ein legendärer Fernsehauftritt bei »Bios Bahnhof« als Katalysator ihrer Deutschlandkarriere mit dem Lied »Sah ein Knab ein Röslein stehn« waren nur einige kurzweilige Stationen, die Helen Schneider beim Aufräumen der 16 Klappstühle erzählte. Dabei lief sie immer dann zur Höchstform auf, wenn sie Blues- und Jazz-Songs interpretierte – ihre Stimme schien insbesondere für diese Musikstile perfekt getrimmt zu sein. So wurden Songs wie »Hoochie Coochie Man«, »Just Like A Woman«, »Rock´n´Roll Gypsy« oder »I Need A Little Sugar In My Bowl« zu Höhepunkten, auch wenn diese Lieder dem Musicalpublikum größtenteils unbekannt sein dürften. Natürlich blieb auch Zeit, um »Move On« aus Sunday In The Park With George, »Broadway Baby« (Follies), »Another Hundred People« (Company), »Everybody says don't« (Anyone Can Whistle) und »Come Rain Or Come Shine« aus St. Louis Woman zu präsentieren.

Musical-Block des Helen Schneider Konzerts nach der Pause

Nach der Pause folgte auf aufgeräumter Bühne mit neuem Kostüm und in perfektem Bühnenlicht ein kompletter, aber leider im Vergleich zum ersten Akt etwas zu kurzer Musicalblock mit den Highlights aus Cabaret, der Dreigroschenoper, Happy End, Sunset Boulevard und Evita – ein Fest für Musicalfans, die die sicherlich außergewöhnliche Stimme Helen Schneiders schätzen und lieben.

A Voice And A Piano ist Unterhaltung auf höchstem Niveau und verdient sicherlich das Prädikat »besonders wertvoll«. Ähnlich wie bei ausgezeichneten Spielfilmen gleichen Formats gibt es auch bei Helen Schneiders Solokonzert einzelne Szenen, bei der sich der Zuschauer fragen muss, ob er den hohen künstlerischen Anspruch wirklich nachvollziehen kann. Die überspannte Kunstfigur, die mit typisch amerikanischem Akzent häufig nach dem passenden deutschen Ausdruck sucht und dabei immer wieder streckenweise in die englische Sprache verfällt, ständig nach dem Techniker brüllt, beim Singen schon mal ein Bonbon lutscht und mit viel Energie die Stühle zusammenklappt und auf einen Haufen wirft, ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Der Satz »Na, das war mal etwas anderes!« war nach dem Konzert häufiger zu hören. Aber über eine Sache waren sich die Besucher einig: Helen Schneider ist wie jeher »The Voice«!

© Text & Fotos by Stephan Drewianka; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Fachzeitschrift BLICKPUNKT MUSICAL, Ausgabe 03/08, Mai-Juni 2008

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