Mary Poppins - Musical
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Mary Poppins - Musical in Scheveningen

Zauberhafte Nanny: Musical Mary Poppins im Circustheater

Das niederländische Fortis Circustheater in Scheveningen mauserte sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Disney Musical Theater, denn nach AIDA, The Lion King und Tarzan weht seit dem 11. April 2010 an der Nordseeküste nahe von Den Haag abendlich ein Westwind Mary Poppins auf die Bühne. Im Vorfeld dieser Cameron Macintosh Produktion wurde die Hauptdarstellerin, wie mittlerweile in Holland üblich, in einer TV-Show gecastet. Die Wahl fiel auf die Nachwuchs-Küntlerin Noortje Herlaar, die zudem gleich mit dem begehrten John Kraaikamp Musical-Award ausgezeichnet wurde. Ihr Partner Bert alias William Spaaij gewann diese Auszeichnung als bester Hauptdarsteller und Maike Boerdam als Mutter Winifred Banks holte sich die Trophäe als beste Nebendarstellerin in einer großen Musicalproduktion (weiterhin erhielt das Stück Auszeichnungen in den Kategorien Beste Kostüme und Bestes Bühnenbild). Beste Voraussetzungen, dass Mary Poppins auch zu einem Publikumsrenner in den Niederlanden wird - und somit eventuell von Joop van den Ende auch grünes Licht für einen Transfer nach Deutschland gibt, wie es mit den vorausgegangenen Disney-Shows auch immer passiert ist. Muss Deutschland nun ein strenges Kindermädchen fürchten, oder darf sich das deutsche Publikum auf eine neue Mega-Show für Jung und Alt freuen?

Vom Film zum Musical Mary Poppins

Die Handlung des Musicals Mary Poppins basiert auf dem Disney-Kinofilm aus dem Jahre 1964 mit Dick Van Dyke und Julie Andrews in ihrer ersten Filmrolle, für die sie gleich den Oscar gewann und somit Audrey Hepburn ausstach, die für ihre Rolle als My Fair Lady im gleichen Jahr nicht einmal nominiert wurde (Frau Andrews hätte lieber das Blumenmädchen als das Kindermädchen gespielt, da sie diese Rolle bereits am Broadway im Theater gespielt hatte, doch das Filmstudio wollte für diese Rolle einen bekannteren Namen als ihren). Die weltberühmten 17 Songs des Films aus der Feder von Richard M. Sherman und Robert B. Sherman, von denen „Chim-Chim-Cheree“ den Oscar als bester Original-Filmsong gewann, schafften nicht alle den Sprung auf die Theaterbühne, denn das Bühnenstück orientiert sich stärker an der Kurzgeschichtensammlung der Autorin P. L. Travers als am Film. Mary Poppins war bei der Weltpremiere am 15.12 .2004 im Londoner West End und später am Broadway nicht mehr die zuckersüße, zauberhafte Nanny, sondern näher an der Literaturvorlage ein strenges Kindermädchen, das den Kindern Jane und Michael die Folgen ihres unbedachten Handelns klar vor Augen führt und zur Strafe diese am Ende des ersten Aktes verlässt, da die verzogenen Gören nicht auf ihre harschen Erziehungsmaßnahmen ansprechen.

Handlung und Geschichte des Musicals Mary Poppins

Doch Mary Poppins ist bei weitem nicht so streng wie die Ersatz-Nanny Juf Andrew, die schon Vater Banks in seiner Kindheit mit einem Lebertran ähnlichen Gesöff das Leben dermaßen vergällte, dass er ein strenger “Herr des Hauses” wurde, der Zärtlichkeit und Wärme fast vergessen hat. Seine Frau Winifred ist nicht wie im Film eine engagierte Frauenrechtlerin, sondern einfach nur die “Ehefrau von” (“Echtgenote Van”), die im Haus die Erziehung ihrer Kinder lieber professionellen Händen übergibt. Wie gut, dass Mary Poppins dann doch wieder mit dem Westwind ins Haus im Kirschbaumweg geweht wird und mit ihren unüblichen Erziehungsmethoden die Familie Banks am Ende zu einer glücklichen Familie zusammenschweißen kann. Was ein “Klein Schepje Suiker” - ein Teelöffel Zucker - im Gegensatz zu dem teuflisch grün-qualmenden Lebertran so ausrichten kann...

Mary Poppins zur Seite steht der Straßenmaler-Tunichtgut-Schornsteinfeger Bert, der heimlich in Mary Poppins verknallt ist, von der kühlen Brünetten zum Abschied jedoch maximal ein Küsschen auf die Wange bekommt. Auch wenn Bert anders als im Film Mary und die Kinder nicht in die Trickfilmwelt seiner gemalten Straßenbilder entführen kann, gehört die Szene im Park zu den schönsten und beeindruckendsten Szenen, die ich in den letzten Jahren auf einer Theaterbühne gesehen habe (“Elke Dag Een Fijne Dag”). Dort, wo eben noch tristes Grau-in-Grau herrschte und sich Jane und Michael langweilten, erwachen die ebenfalls grauen Steinstatuen zum Leben und entführen die Parkbesucher von einer Sekunde zur nächsten in eine kunterbunte Traumwelt voller Bonbonfarben. Dieser überraschende Übergang verfehlt auf der Bühne nicht seine immense optische Wirkung. Ebenfalls eine Glanzleistung ist das Haus der Familie Banks, das sich genau wie ein Puppenhaus zum Publikum öffnet und die phantastisch choreografierte Steppsequenz der Schornsteinfeger (“Stap Vooruit”), bei der Bert den Bühnenrand hinaufläuft und kopfüber an der Decke weiter steppt. Der typische Disney-Zauber lässt Papier-Drachen steigen und Mary Poppins zum Abschied über die Köpfe der Zuschauer schwebend eine Ehrenrunde durch den gesamten Saal drehen. Da kann man nur sagen: Supercalifragilisticexpialidasties (dieses Wort legt im Musical Frau Poppins in einem Bonbonladen aus Buchstaben zusammen). Mary Poppins ist, wie sie sich selbst charakterisiert, “Tamelijk Vortreffelijk” (beinahe perfekt) und “Alles Kan” passieren...

Darsteller des Musicals Mary Poppins in Scheveningen

Die bereits namentlich erwähnten Hauptdarsteller verkörpern ihre Rollen phantastisch: Noortje Herlaar ist der Inbegriff der keuschen, strengen Kinderfrau, die trotzdem mit ihrer Phantasie bessere erzieherische Erfolge verbuchen kann, als der diabolische Nanny-Ersatz Juf Anderws (hervorragend gespielt von Marjolijn Touw, die viel zu schnell in einer Art Vogelkäfig-Hölle verschwinden muss). William Spaaij als Bert ist ein spitzbübischer Bert, der mit seinem entwaffnenden Lächeln selbst die stocksteife Mary Poppins erweichen kann. Maike Boerdam, die dem deutschen Publikum u.a. als Kaiserin “Elisabeth” bekannt ist, ist eine warmherzige Mutter Banks, die mit den Pflichten, einen Haushalt zu führen, völlig überfordert ist. Doch als Haushaltshilfen stehen ihr das “Klamauk-Pärchen” des Stückes zur Verfügung: Yvonne M. Valkenberg als “Mevrouw Bril”, als Köchin der gute Geist des Hauses, und Steve Beirnaert als unverwüstlicher Butler “Jonathan Been”. Hugo Haenen spielt den “Keizer Zonder Kleren” (König ohne Kleider) der Kersenboomlaan als Familienoberhaupt, dem plötzlich beruflich wie privat der Boden unter den Füßen weggezogen wird, bevor er sich auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens besinnt. Ein ganz dickes Lob muss auch an die Kinder Jane und Michael gerichtet werden, die in Scheveningen abwechselnd von 12 sehr jungen Darstellern gespielt werden. Was diese zwei Kinder praktisch permanent über 150 Minuten auf der Bühne gesanglich, tänzerisch und schauspielerisch zu leisten haben, könnte selbst so manchen Erwachsenen an seine Grenze bringen. Die Kinder spielen die groß angelegten Hauptrollen “kinderleicht” und man merkt ihnen die Spielfreude jede Minute an.

Warten auf deutsche Version des Musicals Mary Poppins

Was in den Niederlanden so großartig ankommt, dass zur Sommer-Ferienzeit sogar eine Mittwoch-Nachmittagsvorstellung zusätzlich in den Spielplan aufgenommen wurde, um die Kartennachfrage des teilweise sehr jungen Publikums zu stillen, ist für den deutschen Musical-Touristen jedoch aufgrund der niederländischen Sprachfassung nur bedingt zu empfehlen. Das Musical Mary Poppins ist auch ein Schauspiel, in dem die Dialoge wichtig sind. Wer kein Holländisch versteht, wird an der niederländischen Version im wahrsten Sinne des Wortes “keinen Spaß” haben, da der Wortwitz unerschlossen bleiben wird und hier die Längen des Stückes unproportional schwerer ins Gewicht fallen werden - es wird eben nicht immer gesungen und getanzt. Schade, denn die Übertragung ins Niederländische ist Martine Bijl vortrefflich gelungen. Vielleicht muss der deutsche Musical-Besucher doch auf eine deutsche Version von Mary Poppins warten - es lohnt sich!

© Stephan Drewianka, Musical-World.de; Fotos Autogrammstunde / Theater: Stephan Drewianka (5), Produktionsfotos: Stage Entertainment NL (10)

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