Musical Closer Than Ever in Gelsenkirchen
Musical-Revue Closer Than Ever im Musiktheater im Revier: Er liebt sie, sie liebt ihn nicht
Waren Sie jemals so unglücklich verliebt, dass Sie sich vom Dach eines Hauses stürzen wollten? Haben Sie das Gefühl, Sie sind Luft für Ihren Ehepartner? Gibt es bei Ihnen Streit darüber, wer seine beruflichen Ambitionen zurückstellen muss, um auf das Baby aufzupassen? Sind Sie dem allgemeinen Fitnesswahn verfallen? Steckt hinter Ihrer Fassade der prüden Sekretärin ein erotischer Vamp? Sind Sie ein stolzer Vater? Haben Sie Schmetterlinge im Bauch, weil Sie Ihrer Angebeteten einen Heiratsantrag machen wollen, obwohl es für beide schon der zweite Versuch ist? Sind Sie müde vom alltäglichen Einerlei? Preisen Sie die Erfindung der Musik und sehnen sich gleichzeitig nach Stille? Was denken Sie von Ihrem besten Freund? Oder fragen Sie sich gar, ob der Bär, der Tiger, der Maulwurf und der Aal ein ausgefüllteres und glücklicheres Sexleben als Sie haben? Wenn Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten können, finden Sie Anknüpfungspunkte zu den 23 Geschichten in Liedern, die die Musicalrevue Closer Than Ever von Richard Maltby (Text) und David Shire (Musik) seit dem 04. Februar 2011 im kleinen Haus des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen präsentiert.
Musical ohne Geschichte als Sammlung von Liedern über Menschen in der Großstadt
Über zwanzig Jahre lang trugen die beiden Autoren eine Sammlung von Liedern über Menschen in der Großstadt zusammen, die sie am 06. November 1989 erstmals als Musical ohne Geschichte im kleinen Off-Broadway Theater Cherry Lane uraufführten. Carsten Kirchmeier inszenierte das Musical in der deutschen Fassung von Nina Schneider für Gelsenkirchen. Auf der schachbrettartigen Bühne von Stefan Oppenländer, die auf sieben Ebenen treppenartig bis in die ersten zwei Zuschauerreihen reicht und im Licht von Patrick Fuchs abwechslungsreich stimmungsvoll beleuchtet wird, sitzen mittig Patricia Martin (Folkwang Universität der Künste; gleichzeitig musikalische Leitung) am Klavier und Günther Jackowiak (Neue Philharmonie Westfalen) am Kontrabass und sorgen für die minimalistische musikalische Begleitung. Die vier Schauspieler, anonymisiert nur Frau 1 und 2 bzw. Mann 1 und 2 genannt, betreten in verschiedenen Kombinationen vom Solo bis zum Quartett den Raum durch vier imaginäre ‚Türen‘, die neben vier leuchtenden, rechteckigen Raumteilern entstehen.
Hanna Dora Sturlodottir setzt als ‚Frau Spatz‘ und ‚Da‘ gleich zwei Highlights, Christa Platzer ernüchtert mit ‚Lebensgeschichte‘ und ‚Fandango‘, E. Mark Murphy überzeugt mit ‚Hochzeitslied‘ und ‚Warum nur‘ und Oliver Weidinger träumt in ‚Bald schon‘ von einem hoffnungsvollen Neubeginn. In den wechselnden Kostümen von Andreas Meyer und der zurückhaltenden Choreografie von Kati Farkas erlebt das Publikum die vier Protagonisten in einer Achterbahnfahrt der Gefühle von ausgelassen, verliebt , gelangweilt, verträumt, wütend, ausgebrannt, genervt, vergessen, hilflos, hochachtend, zynisch, lasziv, verzweifelt, witzig, verspottend, launisch, romantisch, egoistisch, tratschend, analysierend und zuversichtlich. Der musikalische Bogen zieht sich dabei von der großen Musicalballade über etwas Jazz und Swing bis hin zur Fandango-Musik und dem Diskosound der 70er Jahre. Nette Requisiten-Einfälle, wenn es herbstlich Blätter regnet, ein romantischer Kronleuchter oder aber vier Kopfhörer herabgelassen werden, lockern zudem die Atmosphäre auf.
Musical Closer Than Ever: 23 Sequenzen aus dem Leben ohne roten Faden
Doch trotz der durchweg guten Leistung von Darstellern und Musikern hat die Show mit einem grundlegenden Problem zu kämpfen. Ohne roten Faden und verbindende Dialoge stehen die 23 Sequenzen aus dem Leben chaotisch nebeneinander, wären in der Reihenfolge frei austauschbar. Der Zuschauer erkennt den letzten Song nur daran, dass sich die vier Sänger wie zu Beginn des Stückes wieder in Trenchcoats hüllen. Die zwischenmenschliche Beziehung als einziges verbindendes Kriterium reicht nicht wirklich aus, um einen Theaterabend für das Publikum durchgängig interessant zu gestalten. Und so bleibt das Theater-Erlebnis von Closer Than Ever Zuschauer-spezifisch individuell, je nachdem, mit wie vielen Episoden sich das Publikum im Einzelnen identifizieren kann und bei wie vielen Songs man einfach gelangweilt auf die Uhr sieht…
© Text: Stephan Drewianka, Musical-World.de; Fotos: Pedro Malinowski (7), Stephan Drewianka (2); Dieser Bericht erschien ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 02/11, März-April 2011
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