The Pirate Queen
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Deutschsprachige Erstaufführung des Musicals „The Pirate Queen“ am Theater Nordhausen

Von Frau zu Frau: Die Piratin und die Königin

Um die historische Figur der Grace O´Malley (1530-1603) ranken sich viele Legenden. In Irland als Tochter eines Clanführers geboren, genoss sie eine gute Ausbildung in vielen Sprachen, zu denen aber nicht das Englisch des Erzrivalen gehörte. Obwohl es in der damaligen Zeit Unglück brachte, eine Frau an Bord eines Schiffes zu haben, erlernte Grace schon als Kind das Seefahrerhandwerk. Mit 16 Jahren wurde sie mit Donal, dem Clanführer der O´Flahertys verheiratet und überfiel als Seeräuberin englische Handelsschiffe. Als Donal im Kampf gegen einen feindlichen Clan starb, übernahm Grace die Clanleitung, da ihre beiden Söhne noch minderjährig waren und führte eine Armee von 200 Mann an. Sie heiratete den Stammesfürsten Richard Burke, dem sie einen weiteren Sohn schenke, ließ sich nach irischem Recht aber bald von ihm scheiden. Trotzdem kämpften sie gemeinsam weiter gegen die Herrschaft Englands. Grace wurde jedoch gefangen genommen und nach 18 Monaten Haft entlassen. Nach dem Tod ihres Vaters und Ex-Ehemanns vereinte sie als Oberhaupt mehrerer Clans Irland im Kampf gegen den neuen britischen Statthalter Irlands, Sir Richard Bingham, der ein Kopfgeld auf Grace aussetzte. Nach der Ermordung ihres ältesten Sohnes arbeitete der zweite Sohn gegen Grace, so dass es Bingham 1593 gelang, Grace zusammen mit ihrem jüngsten Sohn Tibbot einzukerkern und des Hochverrats zu beschuldigen. Doch Grace konnte entkommen und traf in London auf Königin Elisabeth I. zu einem gemeinsamen Gespräch in lateinischer Sprache, um das sich viele Legenden ranken. Daraufhin ließ Elisabeth Tibbot frei und gestattete Grace, als Piratin weiterhin die Meere unsicher zu machen – jetzt jedoch unter aufgezogener britischer Flagge, beim Angriff auf britische Handelsschiffe. Noch mit 67 Jahren kämpfte Grace vor der schottischen Küste, bis sie im Jahre 1603 im gleichen Jahr wie Königin Elisabeth starb.

Musical The Pirate Queen von Boublil und Schönberg

Alain Boublil (Buch) und Claude-Michel Schönberg (Musik) lieben solche historischen Stoffe. Das französische Duo komponierte nach dem Erstlingswerk „La Révolution Française“ ihren Welthit „Les Misérables“, der 1980 in Paris uraufgeführt wurde und seitdem seinen Siegeszug rund um die Welt antrat. Nach der musikalischen Version des Romans von Victor Hugo folgte 1989 das beliebte Vietnam-Kriegsdrama „Miss Saigon“, das mit einem auf der Bühne landenden Hubschrauber für Furore sorgte. 1996 zeigten sie mit „Martin Guerre“ eine Geschichte über einen Kriegswiederkehrer, der die Identität eines gefallenen Freundes annimmt und sich in dessen Frau verliebt. Dieses Musical konnte bei weitem nicht an den internationalen Erfolg der beiden Vorgänger anknüpfen, wurde mehrfach überarbeitet und brachte es in London immerhin auf 700 Aufführungen, schaffte den Transfer an den Broadway jedoch nicht. Ihr nächstes MusicalThe Pirate Queen“ basierte auf dem Leben der irischen Freiheitskämpferin Grace O´Malley und erlebte am 05. April 2005 seine Broadway-Premiere.

Vereinfachte Handlung der komplexen Romanvorlage

Als Vorlage diente der Roman „Grania – She King Of The Irish Seas“ von Morgan Llywelyn. Boublil, Schönberg, Richard Maltby jr. und John Dempsey vereinfachten die historisch komplexe Person der Grace O´Malley, um das Theaterpublikum nicht mit zahlreichen Ehemännern und Kindern zu verwirren auf einen Gatten und einen Sohn, fügten der Romantik wegen aber den Seemann Tiernan hinzu. Die verbotene Liebe zwischen Grace und Tiernan muss wegen der Zweckheirat mit Donal O´Flaherty weichen. Nach dem Tod ihres Vaters und nach der Geburt ihres Sohnes entpuppt sich Donal als frauenverachtender Macho. Als Grace von ihrem irischen Scheidungsrecht Gebrauch macht und wieder frei für Tiernan wäre, ist es Donal, der Grace an Bingham verrät. Tiernan zieht Graces Sohn während ihrer langen Inhaftierung auf und hat nach sieben Jahren die Möglichkeit, sich selbst gegen die gefangene Grace auszutauschen. Zurück in Irland und wieder vereint mit ihrem Sohn beschließt Grace schließlich, den Kämpfen ein Ende zu setzten und reist nach London, um ihre ärgste Feindin, die englische Monarchin Elisabeth I. zu treffen. Elisabeth hat als Frau an ihrem eigenen Hof selbst gegen die männliche Vorherrschaft zu kämpfen und die beiden emanzipierten Frauen erkennen im Gespräch, das sie viele Gemeinsamkeiten haben…

Deutsche Erstaufführung 2016 nach Broadway-Flop

Die Broadwayfassung von „The Pirate Queen“ fand 2005 zeitgleich ungünstig zur gefeierten Wiederaufführung von „Les Misérables“ in New York statt. Das neue Musical mit der ungewohnten, irischen Musik erntete negative Presse und die schlechten Zuschauerzahlen sorgten dafür, dass die 16 Millionen Dollar Produktion bereits nach 32 Previews und 85 regulären Vorstellungen von der Bühne verschwand. Seit dem 29. April 2016 zeigt das Theater Nordhausen diesen Broadway-Flop in deutschsprachiger Erstaufführung in der Übersetzung von Nina Schneider. Und es ist wirklich spannend, was eine relativ kleine Stadttheaterbühne aus der millionenschweren Musicalvorlage vom Broadway geschaffen hat. 

Umsetzung des Musicals The Pirate Queen in Nordhausen

Die Bühne von Wolfgang Kurima Rauschning ist eher einfach gehalten. Die Hügel Irlands sind schlichte, schwarze Stoffberge vor einem monochromen Hintergrund, der Bezug zur Irland wird durch ein keltisches Symbol hergestellt, das in einigen Szenen über dem Ensemble hängt. Rechts und links von der Bühne gibt es zwei dreieckige Stahlkonstruktionen, die die Schiffstakelage der „Pirate Queen“ darstellen. Das Schiff selbst baut sich durch ein Segel mit Mast, ein Stück Reling und ein hölzernes Steuerrad zusammen. Wenn sich der purpurrote Vorhang schließt, öffnet er sich danach für den Baldachin mit dem Thron der englischen Königin vor einer blauen „Tapete“ mit roten Schiffen. Ein Höhepunkt zum Finale des ersten Aktes ist die Beerdigung von Graces Vater, wenn sich zur Seebestattung der runde Holzboden symbolisch zu einem Fluss teilt und das kleine Grabesboot mit Fackeln von Tiernan und Donal entzündet langsam einem sternenübersäten Horizont entgegengleitet („Segle zu den Sternen“).

Eindrucksvolle Kostüme

So bietet die Bühne den perfekten Rahmen zur Präsentation der eindrucksvollen Kostüme von Anja Schulz-Hentrich. Leder für die Piraten, erdige Stoffe für das irische Volk, glänzende Pluderhosen für den englischen Adel, Metallrüstungen für das Militär und nach historischen Vorlagen gefertigte, prachtvolle Roben der englischen Königin. Carolin Seiffert sorgt mit ihrer Maske für das edel-weiße Gesicht Elisabeths und mit einer Menge roter Perücken für die typisch irische Haartracht.

Darsteller und Charaktere im Musical The Pirate Queen

Für den irischen Sound mit Flöten und Harfe, kombiniert mit einem flotten Schlagzeug, sorgt das Loh-Orchester Sondershausen unter der versierten Leitung von Stefan Diederich, um die Sänger glänzen zu lassen. Als Titelheldin erleben wir eine stimmstarke und schauspielerisch präsente Corinna Ellwanger (Lisa und Lucy in „Jekyll & Hyde“ in Nordhausen und auf Deutschlandtournee, Hope in „Anything Goes“ in Münster) als Grace O´Malley. Sie zeigt den Aufstieg eines Seemann-Mädchens zur verantwortungsvollen Clanführerin und kämpferischen Piratin, die selbst einer Königin Paroli bietet und darf trotz ihrer emanzipierten Rolle als Mutter, Geliebte und um den Vater trauernde Tochter genug Gefühle zeigen. Sie hat keinem geringeren als Patrick Stanke („Artus-Excalibur“, „Casanova“, „3 Musketiere“, „Aida“, „Titanic“) alias Tiernan ihr Herz geschenkt. Stanke brilliert in seinem Solo „Ich bleib hier“ und überzeugt in den eingängigen Liebesballaden „Heute Nacht“ und „Wenn ich dir sagte“ mit Partnerin Ellwanger. Im Gegensatz zum sympathischen Stanke muss Jan Rekeszus („Next to Normal“ in Berlin, „Hair“ in Magdeburg) als Donal den trinkfreudigen Ehemann („Ich bin ein Kerl“ erinnert thematisch an „Ich bin Herr im Haus“ aus „Les Miserables“) und heimtückischen Verräter verkörpern, was ihm sehr gut gelingt. Ebenfalls als Bösewicht kommt Marian Kalus als Lord Richard Bingham daher, der mit einem frauenfeindlichen Spruch nach dem anderen den Unmut der englischen Königin auf sich zieht. Elisabeth I. wird mit klassischer Stimmfarbe von Désirée Brodka verkörpert. Im Gegensatz zur Originalfigur am Broadway, die mit Spinett-Begleitung beinahe schrill das Publikum nervte, gelingt es Brodka mit ihrer Stimme eine hoheitlich-opernhafte Erhabenheit zu schaffen, was die Rolle der Königin in der deutschen Fassung mehr Sympathie einbringt und die Duette mit Grace „Sie hat so viel“ und „Von Frau zu Frau“ zu musikalischen Höhepunkten werden lassen. In weiteren Rollen überzeugen Thomas Kohl als gütiger Vater Dubhdara, Matthias Mitteldorf als Chef des O´Flaherty-Clans und Anja Daniela Wagner als Evleen, auch wenn sie stimmlich die irischen Klänge nicht ganz authentisch herüberbringen kann.

The Pirate Queen ist beste Musical-Unterhaltung

Ein großes Lob an die Ballettkompanie des Theater Nordhausen, die die sicherlich sehr ungewöhnliche Choreografie des Irish Dance von Natalie Westerdale erlernt haben. Ein Vergleich zur irischen „Riverdance“-Truppe drängt sich förmlich auf. Nicht ganz so überzeugend fallen hingegen die Fechtszenen unter der Kampfchoreografie von Patrick Stanke aus, hier wird die Routine in den folgenden Aufführungen noch einige Stolpersteine glätten. Einziger Wermutstropfen der durchweg gelungenen Inszenierung von Iris Limbarth ist der oftmals zu dumpfe Ton von Dierk von Domarus – hier wird an vielleicht einziger Stelle deutlich, dass wir uns eben doch in einem Stadttheater befinden, das nicht die modernste und bestens ausgesteuerte Tonanlage bieten kann. Ansonsten lohnt sich der Weg nach Nordhausen zur „Pirate Queen“ für all diejenigen, die sich von irisch geprägter Musik angesprochen fühlen, die vielleicht nicht ganz so viele Hits wie „Les Misérables“ zu bieten hat und deren Songs sich erst nach mehrmaligem Hören als Ohrwürmer herauskristallisieren. „The Pirate Queen“ darf als bestes Beispiel dafür gelten, dass ein Broadway-Flop in Europa zu einem Hit werden kann. Das Prämienpublikum feierte nach 2,5 Stunden bester Musicalunterhaltung das Happy-End der Piratenbraut mit begeisterten Standing Ovations.

© Stephan Drewianka, Fotos Bühne: Roland Obst (14), Fotos Schlussapplaus: Stephan Drewianka (7); dieser Bericht erschien ebenfalls in der Musical-Fachzeitschrift "Blickpunkt Musical", Ausgabe 82 (3/16), Mai-Juli 2016

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