Lazarus © Joseph Ruben
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Premiere des Musicals „Lazarus“ am Theater Bielefeld

Übersinnliche Hommage an David Bowie

Kurz vor seinem Tod am 10.01.2016 erlebte David Bowie Ende 2015 noch die Weltpremiere seines Musicals, das er zusammen mit Enda Walsh (Buch) quasi als Fortsetzung des Films „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (1976) konzipiert hatte. Bowie verkörperte im Film den unsterblichen Außerirdischen Thomas Newton, der seinen ausgetrockneten Heimatplaneten mit irdischem Wasser retten will und auf der Erde dank seiner hochentwickelten Intelligenz schnell zu Reichtum und Macht kommt. Sein Plan scheitert aber an Hass, Missgunst und Gewalt der menschlichen Rasse und Newton bleibt einsam zurück. Hier endet der Film und das Musical „Lazarus“ beginnt: Dem Wahnsinn nahe und dem Liebesschmerz zur längst verstorbenen Mary Lou ausgeliefert, lebt der ewig junge Newton allein in seinem New Yorker Loft. Sein einziger Bezugspunkt zu Realität und Außenwelt ist seine Assistentin Ely, die sich zu ihm hingezogen fühlt, aber in ihrer eigenen Beziehung zu ihrem Ehemann gefangen ist. Doch Newton ist nicht allein, denn Erinnerungen an längst vergangene Menschen quälen ihn und suchen ihn heim. Die für ihn Wichtigste ist ein Mädchen, die sich an ihren eigenen Tod nicht erinnern kann, dafür aber alles über Mary Lou und ihn zu wissen scheint. Und dann ist da noch der mysteriöse Valentine, der als diabolischer Teufel all die menschlichen Abgründe verkörpert, die Newton daran gehindert haben, ein Raumschiff zu bauen und zurück zu seinem Planeten zu fliegen.

Die spartenübergreifende Produktion von Schauspiel und Musiktheater erfreut sich seit der Deutschsprachigen Erstaufführung am 3.02.2018 im Düsseldorfer Schauspielhaus großer Beliebtheit an Stadttheatern und steht in der aktuellen Spielzeit in mindestens sieben Produktionen von Bremen bis Nürnberg auf dem Spielplan. Am 18.05.19 feierte „Lazarus“ auch am Theater Bielefeld Premiere und ist nach komplett ausgebuchten 10 Vorstellungen bis 2020 auch in weiteren geplanten Vorstellungen zu sehen. Dabei sind die Zuschauerreaktionen durchaus gespalten. Entweder man feiert das Stück als visuelles Meisterwerk zwischen Realität und Wahn oder kann mit der konfusen Handlung gar nichts anfangen.
Dem Theater Bielefeld gelingt mit der Inszenierung von Michael Heicks aber eine fesselnde Aufführung, die nicht nur durch die unsterblichen Bowie-Songs wie „Absolute Beginners“, „This Is Not America“, Heroes“ und „Life On Mars?“ punkten kann. Die 8-köpfige Lazarus-Band unter der versierten Leitung von William Ward Murta verbindet den rockigen Pop-Sound mit klassischen Elementen und das gesamte Ensemble interpretiert die englischen Welthits überraschend anders und frisch. Nikolaj Alexander Brucker (Raoul im „Phantom der Oper“, Higgins in der Bielefelder „My Fair Lady“) überzeugt als Thomas Newton mit unverwechselbarem Bowie-Sound. Oliver Baierl ist ein herrlich dämonischer Valentine, Christina Huckle wandelt sich von der distanzierten Ehefrau von Zach (Alexander Stürmer) zum flippigen Stalker-Fan Elly, Susanne Schieffer ist als ermordetes Mädchen der harmonische Ruhepol im trüben Gedankensumpf und letzter Rettungsanker, Cornelius Gebert ist als (Erzengel) Michael ein Mahnmal verpasster Chancen und das Pärchen Jan Hille als Ben und Henriette Nagel als Maemi verkörpert die Menschheit mit allen Vorzügen und Fehlern.

Neben der erstklassigen Besetzung punktet Bielefeld mit dem fantastischen Bühnenbild von Annette Breuer im Zusammenspiel mit den eindrucksvollen Videoeinspielungen von Sascha Vredenburg, die dem surrealen Sujet wunderbar gerecht werden und immer wieder sehenswerte Akzente setzen. Die Kostüme von Franziska Gebhardt schließlich orientieren sich komplett an den legendären Bühnenoutfits Bowies (z.B. ist Ben tatsächlich ein „Ziggy Stardust“ in roter Latzhose), so dass die gesamte Bielefelder Inszenierung von „Lazarus“ eine fesselnde Hommage an den Ausnahme-Künstler David Bowie ist, der man sich nur schwer entziehen kann, auch wenn sie viel individuellen Interpretationsspielraum bietet.

© Text: Stephan Drewianka; Bühnenfotos: © Joseph Ruben, Schlussapplausfotos: Stephan Drewianka; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 100 (3/19), Mai-Juli 2019

Alles zum Musical Lazarus bei Sound Of Music.

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