Rocky Horror Show
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Rocky Horror Show - Musical

Der Kölner Musical-Dome als Reisschüssel: Hohe Luftfeuchtigkeit und viel Klopapier

Zwischen flap(p)sig und strapsig: Frank’ N’ Furter läßt die Wutz raus. Donner grollt, Blitze zucken und es regnet junge Hunde! In weiser Voraussicht der Dinge, die da (zwangsläufig) kommen bzw. durch den Saal fliegen würden, hatten die Hausherren des Kölner Musical-Domes raumpflegerisch aufgerüstet und die Crew der Reinigungskräfte vorsichtshalber verdreifacht. Auch so hatten die Saubermänner und -frauen alle Hände voll zu tun. Für Konfetti (Kölle, Alaahf) war die Zeit zwar noch nicht reif, aber Reis, von dem die Einwohner einer mittleren chinesischen Provinzstadt dicke satt geworden wären, sowie Klopapier in Großhandelsgerechten Mengen und stapelweise Zeitungen durften es schon sein . Mehl hingegen fällt inzwischen unter das Theaterwaffenkontrollgesetz. Und dass die Luftfeuchtigkeit im Zeltpalast unweit des richtigen Domes rapide in die Höhe kletterte, lag an dem Dauerfeuer aus Hunderten von Wasserpistolen. Das alles sind unverzichtbare Utensilien für eine ganz besondere Spezies von Fans und gehört zum Ritual, ebenso wie die „Uuuh“-Rufe, wenn der Name „Dr. Scott“ fällt und „Scchhh“-Zischlaute , wenn „Eddie“ ertönt. Motto: Schnaps ist Schnaps, und Straps ist Straps! Hätte sich ein „normaler“  unbedarfter Besucher in die Vorstellung verirrt, er dürfte sich im falschen (Horror)-Film gewähnt haben. Auf der großen Bühne die schrägsten, skurrilsten und schrillsten Typen, denen man noch nicht einmal im Albtraum begegnen möchte und angesichts derer jede Schwiegermutter in spe in eine echte Lebenskrise schlittern würde.

High Heels und Rock ‘n’ Roll

Grell geschminkte Herren (und Damen), allesamt  bizarr kostümiert in Strapsen und Netzstrümpfen und mit High Heels an den Hacken. Und alle träumen sie von einem Land, in dem nicht nur der Honig fließt: Transsexual Transylvania. Und dabei wird auch nicht Samba getanzt, sondern der „Time Warp“ zu raffiniert persifliertem erdigem Rock ‘n’ Roll-Sound, an dem Chuck Berry und oder Jerry Lee Lewis sicherlich ihr (zweifelhaftes) Vergnügen gehabt hätten. Man suche nicht unbedingt einen tieferen Sinn hinter diesem abstrusen Zirkus – es gibt keinen. Das Musical Die Rocky Horror Show mit ihrer verworrenen Story genügt sich selbst, ist längst Selbstzweck und vor allem Kult.
Ja, und jetzt machen dieser Frank ‘N’ Furter und sein Gefolge das Rheinufer unsicher und feiern (noch bis einschließlich 26. August 2004) jeden Abend (mittwochs bis sonntags) exzessive Parties bis zum Abwinken. Das Publikum feiert mit - und wie!  Dagegen ist jede Prunkfremdensitzung in der Hauptstadt des Karnevals ein müder Kaffeeklatsch. Es gibt kein zweites Musical, das mit schöner Regelmäßigkeit unter den Besucher eine solche Stimmungsorgie entfacht. Dagegen geht es beim guten alten Mr. Hyde glatt zu wie auf einer Beerdigung.

Laser, Leichen und ETI’s

Apropos Beerdigung: Tote gibt es hier wie da. Nur handelt es sich bei den Leichen in diesem  abgedrehten Intermezzo nicht wie sonst um die von Lady Beaconsfield, Lord Glossop oder des Bischofs von Basingsstroke. Die Figuren, die da mit der Laserkanone niedergestreckt werden, heißen Frank, Rocky und Columbia. Aber schon zuvor hatte es einen gewissen Eddie erwischt, erschlagen vom zwielichtig-düsteren dekadenten Schlossherrn. Nein, das ist nicht Graf Krolock, sondern ein sexbesessener Transvestit, der, egal in welcher Reihenfolge, sowohl Männlein als auch Weiblein vernascht: erwähnter Frank ‘N’ Furter. Da Not erfinderisch macht, tut’s auch schon mal ein selbst zusammengebasteltes Geschöpf namens Rocky. Und sein Diener heißt, wie in irdisch-schwäbisch-Transsylvanien der Fall, auch nicht Koukol, sondern Riff Raff. Und das ist ein getarnter ETI.

Galaktische Disco: Der Türsteher heißt Riff Raff

Die von dem britischen Schauspieler Richard O’Brien erdachte und kreierte Rocky Horror Show ist nicht tot zu kriegen. Ihr Siegeszug rund um die Welt begann vor 30 Jahren im Londoner Royal Court Theatre. Und seitdem wird sie pausenlos zelebriert - irgendwo garantiert immer. Auch in „good old Germany“ braucht der Fan nicht lange zu suchen, um sich vom buckeligen Adlatus des nimmerbefriedigten Sexmonsters F. die Türe öffnen zu lassen.

Auch nach 30 Jahren noch voller Frische und Dynamik

Die schaurig-frivole Geschichte, als irrwitzige Parodie  auf zweitklassige Horror- und SF-Filme, Transvestiten und kleinbürgerliches Spießertum ausgelegt, hat in all den langen Jahren seit ihrem Einstand noch keine Patina angesetzt. Sie wirkt frisch und keineswegs altmodisch; sie kommt frech und respektlos daher, wobei die Frage nach dem guten Geschmack bewusst ausgeklammert bleibt. Ein bißchen Frankenstein junior, ein bißchen Raumschiff Enterprise mit einer Mischung aus Beate Uhse, David Bowie, Amanda Lear und Heinz Rühmann als Kommandant. Am Rhein war das Spektakel  in anderer Konstellation in der Vergangenheit auch schon wiederholt zu sehen. Thomas Krauth nun hat in Kooperation mit dem bce-Gastspielbüro die originale Londoner West-End-Produktion nach Köln geholt - und die Inszenierung ist alles andere als nur ein Pausenfüller, der die Zeit, bis Hyde aus dem Urlaub zurückkehrt, überbrücken soll. Zuvor hatten der „Sweet Transvestite“ und seine außerirdischen Freunde/Feinde im Düsseldorfer Capitol-Club ihre Gelüste hemmungslos ausgelebt. Regie führt dabei übrigens Christopher Malcom, vor drei Jahrzehnten der  Ur-Brad der Premierenproduktion.
Die Cast der Rocky Horror Show, die da auf der großen Dome-Bühne agiert, ist erste Wahl - geschliffen und gestählt in jahrelangem Touren quer durch Europa. Seit 1996 sind die Künstler (natürlich in wechselnden Besetzungen )  pausenlos „on the road“. Von Verschleißerscheinungen keine Spur.

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Paul Pecorino in der Rolle seines Lebens

Für den New Yorker Sänger und Schauspieler Paul Pecorino ist der Frank’ N’ Furter die ihm wie auf den Leib geschriebene Paraderolle schlechthin; einen Vergleich mit seinem großen (Kino-)Vorbild Tim Curry braucht der Bursche nicht zu scheuen. Als männliche hüftschwingende Mieder-Domina kokettiert er mit Schmollmund und theatralischem Augenaufschlag mit dem Publikum, gibt sich mal als Macker, mal als Fräulein und mal als beides von allem - aber immer als eitler Pfau. Sein Ausdruck ist köstlich übertrieben, doch die Balance zwischen  bedrohlich und androgyn ist jederzeit da.
Stimmlich und darstellerisch sind er und seine Kollegen sowieso bestens disponiert. Das gilt für Helena Hellqvist (Janet), ihren Brad alias Chris Dell’Armo und Samantha Lee Sounders (Magenta) ebenso wie für alle anderen. Ob das nun Sam Taylor Martin (Columbia), Brenden J. Lovett (Riff-Raff), Edward Baruwa (Rocky) oder Drue Pennella (Eddie/Dr. Scott) sind  Hans B. Goetzfried, schlagfertiger Narrator der ersten (Tournee)-Stunde, bleibt seiner Conferencier-Rolle, die er bereits bei der Europa-Tour von Cabaret auskleidete, treu. Er glänzt mit viel Selbstironie und Witz. Seine deutschen Kommentare erleichtern jenen, die des Englischen nicht oder nur rudimentär mächtig sind, das Verständnis.
Beim Bühnenbild bedarf es keiner großen baulichen Verrenkungen, dafür dreht die Live-Band um so mehr auf. Schwer zu glauben, dass der satte Sound von fünf Nasen, von denen man auch nur drei zu Gesicht bekommt, produziert sein soll. Ist aber letztlich auch egal. Es ist eine Party, ein Happening. Was zählt, ist der Spaß. Und davon haben alle jeden Menge – Akteure und Besucher. Nach den Kölnern müssen sich die Südpreußen in Stoiber-Land warm anziehen. Die schrille Karawane zieht nach der letzten Show am 24. August weiter in Richtung Bayern. Im Deutschen Theater in München lassen F. und Co vom 9. September bis 5. Oktober die Wutz raus.

© by Jürgen Heimann

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