Musical Ganz oder Gar Nicht - The Fully Monty
Musical Ganz oder Gar Nicht - The Fully Monty
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Ganz oder Gar Nicht - The Full Monty - Musical

Echte Kerle unten ohne 2011 am Opernhaus in Dortmund

Unter der Regie von Peter Cattaneo entstand im englischen Sheffield in nur 40 Drehtagen mit einem Minimalbudget eine Film-Komödie über strippende Stahlarbeiter. The Full Monty wurde ein Kinoerfolg, erhielt den Europäischen Filmpreis als bester Film und Anne Dudley heimste für die Filmmusik einen Oskar ein. Bereits im Jahre 2000 adaptierte der Dramatiker Terrence McNally, der schon die Bücher zu Kuss der Spinnenfrau, Ragtime, Meisterklasse und aktuell zur Musical-Fassung von Catch Me If You Can schrieb, den Stoff für die Musical-Bühne. David Yazbek (aktuell mit der Musical-Fassung zu Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs auf Erfolgskurs) steuerte Musik und Gesangstexte bei.

Vom Film The Full Monty zum Musical Ganz oder Gar Nicht

Nach einer Voraufführungsreihe in San Diego spielte das Musical The Full Monty ab 26.10.2000 mit knapp über 800 Vorstellungen für zwei Jahre am Broadway, während im Londoner West End im Jahr 2002 nach nur 7 Monaten bereits der letzte Vorhang fiel. Von Korea über Australien und Mexiko erreichte das Musical The Full Monty mit seinem nationalen Titel Ganz oder Gar Nicht auch Deutschland, steht hierzulande aber eher selten auf dem Spielplan.

Von Buffalo ins Ruhrgebiet

Am 22. Oktober 2011 feierte das Musical Ganz oder Gar Nicht - The Full Monty in einer Neuinszenierung von Gil Mehmert mit den deutschen Texten von Iris Schumacher und Frank Tannhäuserin und unter der musikalischen Leitung von Jürgen Grimm seine Premiere im Opernhaus Dortmund. Spielte die Handlung im Film noch im englischen Sheffield und die englische Musical-Fassung im amerikanischen Buffalo, verlegte Mehmert den Stoff irgendwo ins Ruhrgebiet, denn das Thema Arbeitslosigkeit passt schließlich global an jeden Ort auf der Welt.

Handlung des Musicals Ganz oder Gar Nicht - The Full Monty

Nach einer Rationalisierungsmaßnahme stehen die ehemaligen Kollegen Jerry und Dave ohne Job auf der Straße und leiden unter dem beruflichen Erfolg ihrer (Ex-) Frauen, die sich gerne mal einen Abend bei den Chippendales gönnen. Als der geschiedene Jerry die Unterhaltszahlungen für seinen Sohn nicht mehr zahlen kann, kommt ihm die Idee, mit seinen arbeitslosen Ex-Kollegen eine Strip-Show auf die Beine zu stellen. Doch würden Frauen, die durch die Testosteron strotzenden, bodygebuildeten Adoniskörper der Chippendales verwöhnt sind, ein ähnlich hohes Eintrittsgeld für Waschbär- statt Waschbrettbauch zahlen? Jerry ist der festen Überzeugung, die Hallen mit kreischenden Frauen füllen zu können, da er den Damen echte Kerle und nicht tuntige Schwuchteln präsentieren würde. Verzweifelte Ex-Kollegen gibt es ausreichend, z.B. Malcom, den Jerry und Dave beim Joggen vor dem Selbstmord retten. Doch auch Ausziehen will gelernt sein und so nehmen sie ihren ehemaligen Abteilungsleiter und Hobbytänzer Harald mit ins Boot, der seiner Frau bisher seine Kündigung verheimlicht hat. Nach einem „Casting“, bei dem „Horse“ Simmons als schwarzer Hengst und Elton, dessen kleiner Unterschied eine beachtliche Größe aufweist, zu der kleinen Truppe stoßen, stellt Pianistin Jeanette fest, dass die Herren der Schöpfung, was das Tanzen angeht, leider nur linke Füße haben. Erst als die Männer bei den Tanzschritten an Basketball denken, kommt endlich Schwung in ihre Hüften.

Hot Metals statt Chippendales strippen ganz oder gar nicht

Aber auch die Halle muss mit 1000 Euro Vorschuss bezahlt werden, die Jerry von seinem Sohn Nathan bekommt, der fest an seinen Vater glaubt und ihm seine gesamten Ersparnisse für die Show zur Verfügung stellt. Eine Katastrophe jagt die nächste: Inkasso-Beauftragte räumen die Luxus-Wohnung von Harald aus, bei der Generalprobe werden die „Hot Metals“ prompt von der Polizei verhaftet, was Jerrys Chancen auf das Sorgerecht für seinen Sohn schrumpfen lässt und Malcoms kranke Mutter stirbt. Der Kartenvorverkauf der Show läuft mehr als schleppend, bis Jerry der Kragen platzt und öffentlich verkündet, dass seine Truppe beim Strippen nicht wie üblich beim String-Tanga aufhören würde, sondern den Damen das volle Programm bis zum Adamskostüm ohne Feigenblatt präsentiert. Das geht Pummelchen Dave doch zu weit und er lässt seine Freunde im Stich. Doch zum Premierenabend taucht er rechtzeitig wieder auf und die Jungs liefern eine tolle Show ab – bis das weibliche Publikum darauf pocht, das Ganz oder gar nicht-Versprechen einzulösen…

Darsteller des Musicals Ganz oder Gar Nicht in Dortmund

Das Ensemble des Musicals Ganz oder Gar Nicht in Dortmund profitiert von den Talenten der Folkwang-Hochschule des benachbarten Essen, an dem Regisseur Gil Mehmert auch als Professor lehrt und ein gutes Händchen bei der Wahl seiner ehemaligen Schüler an den Tag legte. Folkwang-Diplomand David Jakobs (Gavroche im Musical Les Miserables in Duisburg und Into The Woods in Hagen) brilliert als verzweifelter Vater Jerry Lukowski, dem alle Felle wegzuschwimmen drohen und der durch den neuen Freund seiner Exfrau um das Sorgerecht seines Sohnes bangt. Ebenfalls ehemalige Folkwang-Absolventen sind:

  • Dirk Weiler, der als tragische Figur Harald unbedingt seine Arbeitslosigkeit vor seiner Frau geheim zu halten versucht, bis er erkennt, dass diese tatsächlich ihn und nicht das luxuriöse Leben liebt, das er ihr nicht mehr bieten kann
  • Tim Ludwig (Musicals West Side Story in Hagen und Sunset Boulevard in Bad Hersfeld) als verklemmtes und selbstmordgefährdetes Muttersöhnchen Malcom
  • Markus Schneider als gutbestückter Elton, der immer versucht die Wand hinaufzurennen wie sein Idol aus dem Musical Singing In The Rain und sich dabei nur den Kopf blutig schlägt
  • Sabine Ruflair (Musical Into The Woods in Hagen und Sunset Boulevard in Bad Hersfeld) als Georgie Bukatinsky, die ihren Mann gerade wegen seines Waschbär-Bäuchleins liebt, aber als emanzipierte Frau unter dem Sexentzug leidet
  • Melanie Wiegmann (Musical Mamma Mia in Stuttgart und Essen, Ich will Spass in Essen) als Pelz- und Schmuck-verwöhnte Gattin Vicky Nichols
  • sowie Verena Mackenberg (High Fidelity in Essen) als Estelle.

Von der Hochschule für Musik und Theater Leipzig rekrutierte Mehmert Julia Klotz (We Will Rock You in Stuttgart und Preisträgerin beim Bundesgesangswettbewerb 2005) als Jerrys emanzipierte Ex-Gattin Pam Lukowski. Frank Odjidja aus Berlin (La Cage Aux Folles in Dortmund) als Noah T. Simmons, dessen Spitzname „Horse“ nicht unbedingt etwas mit seiner sexuellen Ausstrahlung zu tun hat und dem eigentlich schon so mancher Hexenschuss das Leben schwer macht. Zum Ensemble gehören weiterhin Tina Haas (Musicals Frühlings Erwachen und Rent am Deutschen Theater München), die als Frau die etwas undankbare Rolle von Sohn Nathan Lukowski übernehmen muss, Daniel Berger (Buddy Holly in Essen) und Erik Petersen (Carmen, ein deutsches Musical und Sunset Boulevard in Bad Hersfeld).

Musical-Tenor Patrick Stanke in Feinripp auf der nackten Bühne

Ein echter Glücksgriff ist die polnische Sängerin Johanna Schoppa (Kuss der Spinnenfrau in Dortmund), die als Pianistin Jeanette mit brachialer Frauenpower den steifen Jungs den Swing in die ungelenken Glieder bringt. Fehlt nur noch Jerrys Freund, der leicht übergewichtige Dave Bukatinsky, der sich einbildet, für seine Frau jegliche sexuelle Anziehungskraft verloren zu haben und sich deshalb schon einmal in Zellophan-Folie wickelt, weil das ja angeblich schlank macht und dann am Abend als Betthupferl ein Stück Käsekuchen unter der Bettdecke versteckt. Der liebenswürdige Tollpatsch wird von keinem geringeren verkörpert als Musical-Diplom-Darsteller und Musical-Tenor Patrick Stanke (Titanic in Hamburg, 3 Musketiere in Berlin, Aida in Essen, Marie Antoinette in Bremen, Mozart in Tecklenburg), der sich im Feinripp gar nicht so unwohl auf der nackten Bühne zu fühlen scheint und beim finalen Strippen mit einem fulminanten Hüftschwung aufwarten kann.

Bei so viel komödiantischem Potential aller Darsteller benötigt ein Musical wie Ganz Oder Gar Nicht gar nicht mal so viel Ausstattung, Licht und Bühnentechnik. Heike Meixner (Bühne und Kostüme) steckt die Jungs und Mädels in einfache Straßenkleidung, Snoopy-Boxershorts und String-Tangas und präsentiert eine zwei-Etagen-Kulisse mit Wechselrolladen des Werks 18, das mit hereinfahrbarer Toilette, Bett, Fernsehsessel oder Luxuszimmer alle benötigten Räume schafft – einfach und genial zugleich. Die Choreografie von Kati Farkas ist abwechslungsreich und erstreckt sich keineswegs nur auf die Versuche, den finalen Strip umzusetzen.

Statt eines großen Symphonieorchesters kommt die Oper Dortmund bei dem Musical Ganz oder Gar Nicht mit einer kleinen, aber feinen Band unter der Leitung von Jürgen Grimm aus, die unseren Jungs mächtig einheizt. Schade, dass keine Melodie aus der Feder von David Yazbek nach der Vorstellung im Gedächtnis haften bleibt. Zwar gibt es wenige musikalische Leckerbissen, doch einen Ohrwurm mit Wiedererkennungswert findet man in der Partitur leider nicht. Trotzdem lächelt man herzlich über die witzigen Songtexte, die mit viel Sinn für feinsinnigen Humor ohne zu viel Slapstick-Potential ins Deutsche übertragen wurden.

Überhaupt weist das Musical Ganz oder Gar Nicht einige tiefgründige Anspielungen und Erkenntnisse zu recht heiklen Themen wie Arbeitslosigkeit, fehlendem Selbstvertrauen, übermäßiger Mutterliebe, falschem Stolz und potentiellem Selbstmord auf, die sich ohne erhobenen Zeigefinger fast wie von selbst in Luft auflösen. Als gutes Beispiel darf hier die Darstellung von Homosexualität dienen: Voruteilsbeladen und klischeehaft stellt sich ein tuckiger Chippendale-Stripper dar, dessen schwuler Freund David gehörig und vollkommen „undamenhaft“ verprügelt, bevor sich zwei echte Kerle der „Hot Metals“-Crew am Ende fast unspektakulär und wie selbstverständlich ineinander verlieben dürfen.

Ganz Oder Gar Nicht in Dortmund ist somit beste Musical-Unterhaltung auf hohem Niveau mit Guter-Laune-Garantie. Und wenn jetzt einige gierige Damen darauf warten, zu erfahren, ob unsere tapferen Helden am Ende wirklich Alles zeigen, kann ich nur auf den Titel des Stückes verweisen und sagen, es wäre mehr als inkonsequent, zweieinhalb Stunden über den kleinen Unterschied nur zu reden ;-)

Alles zum Musical Ganz oder Gar Nicht - Full Monty bei Sound Of Music.

© Text: Stephan Drewianka, Musical-World.de; Fotos: Theater Dortmund

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