Musical Saturday Night Fever
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Saturday Night Fever in Düsseldorf

Flotte Sohlen am Rhein: Düsseldorf im Fieber-Wahn

Saturday Night Fever als choreografische Orgie - Temporeiche Neuinszenierung im Capitol-Theater

Seine Macho-Pose ist längst Kult: Eine Arm angewinkelt in Hüfthöhe, der andere mit erhobenem Zeigefinger nach oben weisend. So, als wollte er andeuten, dass das Ende der Fahnenstange als noch längst nicht erreicht gilt. Tony Manero ist ein Stehaufmännchen. Oftmals tot gesagt, aber nichts destotrotz bis zum heutigen Tag immer noch putzmunter und quicklebendig. Und jetzt ist der pomaden-gestylte Tanzboden-Casanova, gegen den sich Schmidtchen Schleicher, „der mit den elastischen Beinen“, wie eine müde, querschnittsgelähmte bleierne Ente ausnimmt, wieder (fast genau) dort angekommen, wo einst seine steile Karriere in Deutschland begann: am Rhein. Geografisch hat es ihn zwar ein klein wenig stromabwärts versetzt, aber was sind im Zeitalter der Globalisierung schon schlappe 39 Kilometer, wie sie zwischen Köln und Düsseldorf liegen.
In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt schlüpft der pomaden- und selbstverliebte Aufreißer seit dem 4. September wieder Abend für Abend in seine „Boogie Shoes“, um als Bazillenmutterschiff dafür zu sorgen, dass sich die Erreger des Samstagnacht-Fiebers flächendecken verbreiten. Im Capitol-Theater ist dem goldkettchen-geschmückten italo-amerikanischen Nurejew-Verschnitt ein furioser Einstand geglückt. Nach der Premiere der rasanten Neun-Inszenierung waren all jene eines Besseren belehrt, die das Bee-Gee-Musical schon längst zu Grabe getragen sahen. Das Saturday Night Fever ist akut und chronisch zugleich. In der Erkrather Straße, wo man damit an die erfolgreiche Tradition der Tanzmusicals wie Grease und Miami Nights anknüpft, wird es zunächst für die Dauer von drei Monaten die Besucher infizieren. Danach zieht die Karawane erneut weiter.

Spektakuläre Tanzszenen und unsterbliche Hits

Fast drei Jahre lang, von September 1999 bis Juni 2002, hatten der Disco-King und die Seinen im Kölner Musical-Dome die Hacken geschwungen und mit den Hüften gewackelt. Über eine Million Besucher ließen sich damals und in Folge von dieser choreografischen Orgie mitreißen, die, von den spektakulären von Arlene Phillips kreierten Tanzszenen einmal abgesehen, nicht zuletzt durch und von den unsterblichen Hits der Gebrüder Gibb lebte. Und danach gab es erst einmal eine knapp zweijährige Atem- und Denkpause, während der das österreichische Regie-Talent Alex Balga die Zügel in die Hand nahm und das Stück auf Tournee- und Zukunftstauglichkeit trimmte.

Mit Vollgas zurück in die 70-er mit Saturday Night Fever

Balga hatte bereits bei Miami Nights seine Finger im Spiel gehabt und bewiesen, dass ihm Derartiges liegt. Und er durfte, wie bei der schwungvollen tropischen Salsa-Sause zuvor, auch bei der Operation „SNF“ wieder auf die Unterstützung von Nathalie Holtom bauen, die den Akteuren das Bewegungsvokabular buchstabierte und für die Tour als Associate Choreorapher gewonnen werden konnte. Zusammen mit Walter Schwab (Bühnen- und Kostümbild), Andrew Voller (Lichtdesign) und Heribert Feckler (Musikalische Leitung) bildeten sie ein kongeniales Kreativ-Team, das im Verein mit einer jungen, unverbrauchten und hochmotivierten Cast ein exzessives Bühnenfeuerwerk abfackelt, das in dieser Version bereits das Publikum in München und Basel geblendet und begeistert hat. Stayin’ Alive!
Thomas Krauth und Michael Brenner, die beiden Produzenten, dürfen sich auf dem richtigen Kurs wähnen und auch durch die Reaktionen des Premierenpublikums bestärkt sehen. Es ist zwar jetzt und in dieser Form nichts wirklich Innovatives, mit dem sie aufwarten, aber nichts destotrotz  solide, packende und sauber gemachte Unterhaltung, die ihr (Eintritts-)Geld allemal wert sein dürfte. Nebenbei bemerkt: Die Grundidee, aus der Discografie einer Supergruppe ein Musical zu stricken, ist ja inzwischen vielfach kopiert worden. Das Saturday Night Fever grassierte aber schon, als an Mamma Mia oder We will rock you noch gar nicht zu denken war. Und es hat nach wie vor durchaus seine Daseinsberechtigung. Der Soundtrack zum Stück zählt mit über 40 Millionen Exemplaren übrigens zum am meist verkauftesten aller Zeiten.

Heiße Nächte und willige Bräute

Die, zugegeben, dünne Storyline des Stücks ist ja spätestens seit dem gleichnamigen cineastischen Kassenschlager mit John(y) „Controlletti“ Travolta in der Hauptrolle stattsam bekannt. 2001 Odyssey heißt jener Austob- und  Schüttelschuppen, in dem Tony M., der Fred Astaire von Brooklyn, und seine Kumpels in den 70-er Jahren die Samstagnächte durchschwofen. Sie haben, wenn überhaupt, nur mies bezahlte Jobs und keine Perspektive. Nur die Erwartung auf heiße Nächte an den Wochenenden, möglichst an der Seite ebeno heißer wie williger Bräute, gibt ihnen Auftrieb.

Mieser Job, zickende Freundin, nörgelnde Eltern

Tony ist der unbestrittene „Chef im Ring“, der Star des „Disco Infernos“, den alle Mädels anhimmeln. Allein aus seinem tänzerischen Talent schöpft er Selbtvertrauen und Selbstbestätigung. Daheim mault der arbeitslose Papa, krakeelt die frömmelnde Mama . Mit seiner zickigen Partnerin Stephanie Mangano gewinnt Tony erwartungsgemäß den von DJ Monty ausgerufenen Dance-Contest, reicht aber das Preisgeld an die Latino-Konkurrenz weiter, die eindeutig besser war. Zwischendurch gibt’s im Straßenkampf mit einer rivalisierenden Gang etwas auf die Nüsse, stürzt sich Kumpel Boby C., der seine Freundin geschwängert hat, von der Brooklyn-Brücke (oder war’s ein Unfall?), schmeißt Manero die Arbeitsstelle, weil er Stephanie beim Umzug in das bessere Manhattan helfen will, und das war’s eigentlich schon im Großen und Ganzen an mehr oder weniger bedeutenden Randepisoden. Einzig das Ende ist neu. Tony und Stephanie gehen aus dem Nahkampf der Geschlechter nicht nur als Freunde, sondern als Paar hervor……

Die Schlagzahl erhöht

Durch die auf die Gegebenheiten des Capitols zugeschnittene Neuinszenierung bekommt das Stück wesentlich mehr Drive und wirkt, vielleicht auch bedingt durch die  im Vergleich zum Kölner Musical-Dome wesentlich kleiner Bühne, auch kompakter. Das Geschehen läuft auf mehreren Ebenen des Bühnenraumes  ab, die flexiblen, leicht abstrakten Kulissen ermöglichen ein höheres Tempo bei den Schnitten. Eben noch streitet der Protagonist in der elterlichen Wohnung mit seinem nervigen Erzeuger, oder stapelt trist Lackdosen im Farbenladen, schon sehen er und die Zuschauer sich eingetaucht in die Glitzerwelt des Disco-Schuppens, aus deren unergründlicher Höhe der DJ über Tanzfläche und Publikum einschwebt. War die Band in Köln stets präsent, agiert sie in Düsseldorf im Verborgenen. Gegenüber der Ursprungsversion neu hinzu gekommen ist der Song „Immortality“, der weiland ja durch Celine Dion weltweit  bekannt wurde.

Ron Holzschuh ist der ideale Tony für Saturday Night Fever

Die choreografische Umsetzung ist schlicht und ergreifend mitreißend und von immenser Dynamik und Power beseelt. Das gilt nicht nur für die Massenszenen. Nicht zuletzt der Beitrag des Latino-Tanzpaars Cesar und Maria (Martin van Bentem und Yvon Eggen) zum Contest ist an akrobatischer Eleganz und Raffinesse kaum  mehr zu toppen. Und Tony Manero selbst war noch nie so gut und perfekt wie heute. Ron Holzschuh, der als cooler König der Tanzfläche bereits in Köln und in Folge auf Tournee mit von der Partie war, hat die großen Schatten seiner Amtsvorgänger längst und weit hinter sich gelassen. Diese Rolle, und das gilt auch für die meisten anderen, verlangt weniger nach vokaler Virtuosität, denn nach ausgefeilter (solistischer) Bewegungsbrillanz. Dahingehend vermag dem gebürtigen Zwickauer derzeit kaum jemand das Wasser zu reichen. Er darf  locker als Idealbesetzung gelten. Den 19-jährigen Tony nimmt man dem Star aus der ARD-Soap „Verbotene Liebe“ bedenkenlos ab. Ihm zur Seite als „Stephanie Mangano“ steht  mit Linda Geider eine junge, talentierte und noch weitgehend unbekannte Künstlerin, während uns in Gestalt von Marc Seitz der „Bobby C“ der ersten Stunde begegnet. Das ist trotz seines stattlichen Bühnenrepertoires offenbar immer noch der Leib- und Magenpart des vielseitigigen Stuttgarters, und er verleiht der tragischen Figur viel Ausdrucks- und Überzeugungskraft.

Annette und Doreen – zwei dufte Mädels

Talita Angwermasse gilt, seit sie Karin Seyfried als „Laura Gomez“ in „Miami Nights” beerbte, als eine der gesanglich vielversprechendsten Neuentdeckungen. In SNF verkörpert die Niederländerin mit der Gänsehautstimme mit viel leidenschaftlicher Intensität die von Tony verstoßene „Annette“, während Karin Kern als „Doreen“ einmal mehr ihre komödiantsichen  Stärken ausspielen kann, mit denen sie ja bereits als Sekretärin „Berta Endrikat“ in Das Mädchen Rosemarie gepunktet hatte. John Davies zieht in gleich dreifacher Mission durch die  wilde, von Schlaghosen und Glitzerhemden dominierte Samstagnacht – als abgedrehter DJ Monty, gestrenger Tony-Papa und dessen Chef. Was den vielseitigen, auch als Komponist und Songtexter tätigen Künstler sonst noch mit Ron Holzschuh verbindet, ist eine weitere Baustelle jenseits des Saturday Night Fevers. Gemeinsam mit Manero-Junior ist er seit Sommer dieses Jahres die  treibende Kraft der von ihnen aus der Taufe gehobenen Soul- und Funkband „Groovalishuss“.

Saturday Night Fever in Düsseldorf hat an Fahrt gewonnen

Durch Alex Balgas straffe Neuinszenierung hat das Stück an Fahrt gewonnen. Längen, wie sie noch in Köln durch zu stehen waren, sind ausgemerzt, die Übergänge zwischen Sprech-, Tanz- und Gesangsszenen erfolgen insgesamt fließender. Die Fieberkurve steigt. Ein  Rhythms, bei dem man mit muß . Das Stück ist fetzig, schräg, farbenfroh, witzig und, sonst wär’s zu eindimensional, mit ein paar tragischen Einfärbungen gespickt. Im Ergebnis ein kurzweiliger, ungestümer und vitaler zweieinhalbstündiger Bühnenspaß – vor allem für’s Auge.

© by Jürgen Heimann

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