Leben Ohne Mich © Stephan Drewianka
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Weltpremiere des Musicals „Leben ohne mich“ vom Verein Virtuoso - die Musicalfabrik in Petersberg

Lass jetzt los

Steffen Dargatz ist Lehrer für Religion und Mathematik im hessischen Petersberg bei Fulda. In seiner eigenen Schulzeit stand er als Kind bei Schulaufführungen von „Elisabeth“ und „Joseph“ auf der Bühne. Als er mit 12 Jahren in Niedernhausen „Sunset Boulevard“ sah, wollte er Musicaldarsteller werden und studierte ein Jahr an der „Universität der Künste“ in Berlin. 2006 entstand aus einer fixen Idee sein erstes Stück „Vom Sinn der Weihnacht“, das er mit seinem Chor in einer Kirche präsentierte. Vom positiven Zuspruch der Zuschauer angestachelt folgte 2008 mit „Lioba – Im Zeichen der Hoffnung“ ein Musical über eine Heilige mit Ortsbezug zu Petersberg, und 2010 legte er mit „Alles für Fulda“ eine fiktive Familiengeschichte aus der Nachkriegszeit nach.
Da diese Stücke finanziell bereits recht aufwändig waren und viele Zuschauer anzog, gründete er gemeinsam mit Hotelchefin, Gastronomin, Jugendfreundin und Musicalenthusiastin Leonora Frohnapfel 2012 den Verein „Virtuoso – Die Musicalfabrik“. Mit dem nächsten Musical „Merga Bien“ schlugen sie ein recht dunkles Kapitel der Stadtgeschichte zum Thema Hexenverfolgung und -verbrennung auf, das drei Jahre nach seiner erfolgreichen Weltpremiere 2016 noch einmal in überarbeiteter Fassung zu sehen war. Nach der Corona-Zwangspause, die eine Wiederaufnahme von „Alles für Fulda“ kurz vor den geplanten Vorstellungen verhinderte und alle bereits verkauften Tickets zurückgegeben wurden, meldet sich „Virtuoso“ am 18. April 2024 mit der Weltpremiere von „Leben ohne mich“ zurück. Alle vier Vorstellungen bis zum 21.04.204 waren ausverkauft, so dass rund 1600 Zuschauer das Stück im Propsteihaus Petersberg erleben konnten.

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Handlung des Musicals Leben ohne Mich

Der 17-jährige Noah hat nach einer Party einen tragischen Verkehrsunfall und liegt mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma im Koma. Seine alleinerziehende Mutter Anne Lehmann macht sich Vorwürfe, da sie am Abend vorher im Streit auseinander gegangen sind, und hätte ihm noch „So Viele Worte“ sagen wollen. Noahs Freundin Hanna ist ebenfalls verzweifelt und sagt bei der polizeilichen Befragung nicht die volle Wahrheit über den Unfallhergang. Auf der Intensivstation liegt in Noahs Zimmer Großunternehmer Siegmund Feid nach einem Schlaganfall ebenfalls im Koma, und während die Ärztin versucht, seine Tochter Mona zu überreden, aus Amerika anzureisen, um sich von ihrem sterbenden Vater zu verabschieden, kreuzt Eddie, ein verbannter Stiefsohn, im Krankenzimmer auf. Eddie und Anne haben ähnlichen Kummer und kommen sich näher, sprechen über verpasste Gelegenheiten und vergangene Träume. Beide verbringen gemeinsam eine Nacht, doch am Morgen erfährt Anne, dass Noah einen Herzstillstand hatte, aber wiederbelebt werden konnte, und weitere Schuldgefühle plagen sie. Mittlerweile ist Mona aus Amerika angekommen und erkennt in Anne zunächst nicht ihre ehemalige Schulkollegin, da sie sich vor langer Zeit auseinandergelebt hatten. Mona hat nur böse Worte über ihren reichen Vater, der nie für sie da war und sie zu seiner Erbin machen wollte, obwohl sie an seiner Firma kein Interesse hatte und eigentlich Kunst studieren wollte. Einzig Krankenschwester Susann versucht mit ihrer positiven Einstellung alle vom Sinn des Lebens zu überzeugen, doch dann melden die Instrumente einen weiteren, endgültigen Herzstillstand aus dem Patientenzimmer…

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Abwechslungsreiche und vielschichtige Musik

Liest man sich die Inhaltsbeschreibung des Musicals durch, mag man an einen schwermütigen Abend mit tiefgründigen philosophischen oder religiösen Fragestellungen denken. Für „Leben ohne mich“ trifft dies aber nur zum Teil zu, denn dieses Stück hat hohen Unterhaltungswert auch auf einer rein „weltlichen“ Ebene. Die Musik von Steffen Dargatz (Buch, Regie, künstlerische Leitung) ist abwechslungsreich und vielschichtig, erzählt die Story nicht nur mit getragenen Balladen, sondern setzt Akzente mit Tanzmusik, Musicalhymnen, Rockpassagen und sogar einem Rap. Max Möller arrangierte die Stücke geschickt für Chor und das 13-köpfige Orchester mit Piano, E-Gitarre, Schlagzeug, Trompete, Waldhorn, Flöte und Saxofon unter dem Dirigat seines Vaters Winfried Möller. Leonora Frohnapfels Co-Regie lässt Noah in Rückblenden agieren, so dass sich über 2,5 kurzweilige Stunden das Krimi-Puzzle über die Vorgänge der Unfallnacht immer weiter entwirrt und es handfeste Überraschungen und Auflösungen gibt, mit denen man nicht gerechnet hat. Obwohl viel geklärt wird, bleibt die letzte Szene im Finale gewollt offen für Interpretationen des Zuschauers, so dass jeder seine ganz individuelle Botschaft aus dem Stück mit nach Hause nehmen kann.

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Die Darsteller und ihre Rollen

Das gesamte Team versteckt virtuos die Tatsache, dass es sich bei fast allen Beteiligten um ehrenamtliche Laiendarsteller handelt. Weder aus dem Orchestergraben noch von der Bühne sind schiefe Töne oder Disharmonien zu hören, und selbst das Schauspiel ist authentisch, überzeugend und echt. Elena Möller ist die bodenständige, alleinerziehende Mutter Anna Lehmann, die für ihren Sohn ihre Träume von einem Café in Paris aufgegeben hat, im Nachhinein aber bereut, neben ihrer Arbeit zu wenig Zeit für ihren Sohn gehabt zu haben. Marius Münkel durchlebt als Teenager Noah die Höhen und Tiefen des Erwachsenwerdens und der ersten Liebe. Felix Schlitzer ist als Eddie der charmante Verführer von nebenan, hütet jedoch ein dunkles Geheimnis, für das er sich selbst zur Rechenschaft ziehen muss. Christiane Waschk hört man ihre klassische Gesangsausbildung als Mezzosopranistin in der Rolle der egoistischen Mona nicht an, und sie muss sich schließlich eingestehen, dass sie ihren Vater völlig missverstanden hat. Stella-Maria Mai darf als Noahs Freundin Hannah verliebt sein, obwohl sie Hauptkommissar Flügel (Eric Halemba in weiteren Rollen als Kellner und Hausverwalter) wichtige Details zum Unfallhergang verheimlicht. Barbara Gatzweiler-Erb ist als Schwester Susann der gute Engel der Krankenstation, die ihren Blick aber zu sehr auf das jenseitige Leben nach dem Tod richtet. Luca Jeck-Böhm darf als Göttin in Weiß Dr. Epikur gute wie schlechte Nachrichten überbringen, die so manches Leben völlig aus der Bahn werfen.

„Leben ohne mich“ „lebt von dem Enthusiasmus, der Leidenschaft und dem Engagement jedes Einzelnen“ – so steht es im Programmheft und so würde ich es unterschreiben. Ein thematisch nicht ganz einfaches Stück, das trotzdem gut unterhält und zu Gesprächen über Themen anregt, über die man normalerweise lieber schweigt, das schafft nicht jedes Musical!

© Text & Fotos: Stephan Drewianka; Dieser Bericht erschien ebenfalls in der Musical Fachzeitschift Blickpunkt Musical 03-24 – Ausgabe 129 

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