Musical Spamalot
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Theater

Spamalot - Musical 2009 in Köln

Anarchistischer Klamauk zwischen Gralsburg und Casino

Abgedreht, schrill und kurzweilig, aber sicher nicht jedermanns Ding.
Entweder man mag diese Art von Humor, oder man mag sie nicht. Und wenn nicht, sollte  man/frau sich weder einen alten Monty Python -Film, noch das neue Musical in Köln anschauen. Das kommt aufs Gleiche heraus. Ratlosigkeit und Unverständnis auf der einen, Schenkel klopfende Begeisterung auf der anderen Seite. Das Lager jener,die total auf diesen britischen Anarcho-Klamauk abfahren, ist ebenfalls groß. Dazwischen ist nichts – oder halt nur wenig. Das ist wie bei und mit Helga Schneider. Die Fans feiern ihn als Genius, andere fragen sich offen oder insgeheim, was der Stuss soll. Die Grenze zwischen Schwach-und Blödsinn ist halt (oft) fließend – und die Geschmäcker sind verschieden.
Zurück nach Köln: Wo bis Herbst vergangenen Jahres die Bohemians rockten, fliegen neuerdings die Kühe tief. Und die sind nicht lila. Der Musical Dome ist zur mittelalterlichen, quietsch-bunten Gralsburg mutiert, wobei nicht ganz klar ist, ob das Gemäuer aus Pappmaschee nun in Britannien des Jahres 932 nach Christi Geburt oder im Las Vegas der Neuzeit steht. Die blinkende Festung ist das Hauptquartier von König Arthur und seiner schrulligen Tafelrunden-Streitmacht und wird in den nächsten Wochen und Monaten zum Ausgangspunkt abenteuerlicher Expeditionen werden. Die Suche nach dem heiligen Kelch hat begonnen. Die Order, nach diesem Jackpot zu fahnden, gab Reich-Ranicki. Aber davon später. „Spamalot“, das laut Eigenwerbung „schrägste Musical der Welt“, hat am Rheinufer Einzug gehalten. 1700 geladene Gäste füllten den „blauen Müllsack“ zur Premiere bis unters Dach. Und die meisten von ihnen spendeten schließlich auch artig stehend Applaus, wenngleich sich die Begeisterung in Grenzen hielt. Der Premierenbeifall ist an gleicher Stelle und bei anderer Gelegenheit auch schon mal enthusiastischer ausgefallen. Aber egal. Entscheidend ist und wird sein, was hinten herauskommt, wie sich Kanzler Birne weiland auszudrücken pflegte. Hält sich das Stück über die angedachte Spielzeit von einem Dreivierteljahr, oder hält es sich nicht? Zumindest in New York und London war „Spamalot“ ein (großer) Publikumserfolg. Ob die Nonsens-Rakete auch in Germanien zündet, muss und wird sich zeigen. Die Mentalitäts-Unterschiede sind ja nicht ganz unerheblich.
Immerhin war und ist es eine Deutschland-Premiere gewesen, und das mag dem Image Kölns als Musical-Standort nach diversen Rückschlägen gut tun. Dahingehend hatten sich die Stadtväter in den vergangenen Monaten nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Das Ende vom Hick-Hack-Lied war ja, dass das überaus erfolgreiche „We will rock you“ ins Schwäbische abwanderte, weil die Spielstätte hier keine Zukunft für „Globalsoft“ versprach. Der Abriss des „Domes“ ist nun erst mal hinaus geschoben, doch das Risiko, dort eine richtige große En-Suite-Show zu platzieren, mag kein Produzent mehr eingehen. Insofern ist „Spamalot“ auch nur eine Art Zwischen- und Übergangslösung. Wagen wir ganz einfach auch mal die These, dass das Stück, wenn überhaupt, dann auch nur hier, in der deutschen Jecken-Hochburg, einschlagen kann.

Eine Aneinanderreihung von alten Sketchen

Inhaltlich hangelt sich der abgedrehte Spaß ziemlich frei an der Gralslegende entlang, wobei die Storyline in der Python’schen Diktion erwartungsgemäß keinerlei logischen Gesetzmäßigkeiten folgt. Streng genommen gibt es gar keine Handlung. Das Ganze ist eine in mehr oder weniger gefällige Melodien verpackte Aneinanderreihung von Sketchen aus früheren Filmen und TV-Sendungen der chaotischen Komikertruppe um Eric Idle. Pate stand als Vorlage dabei vor allem der Film „Die Ritter der Kokosnuss“ aus dem Jahre 1974. Wobei die lose verbundenen Enden der Geschichte oft in grelle Nummernrevuen in Las Vegas Casino-Manier ausfransen. Von Eric Idle stammt auch das Buch. Zusammen mit John Du Prez schrieb er darüber hinaus die Musik zum Stück. Die große Leistung des Kreativteams vor Ort liegt in der „Germanisierung“ der angelsächsischen Bühnenadaption. Den skurrilen Witz und die haarsträubenden Wortspiele des Originals ohne Reibungsverlust ins Deutsche zu transportieren bzw. noch um einige zusätzliche Varianten zu ergänzen, dürfte den Verantwortlichen so manch schlaflose Nacht bereitet haben. Aber es ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, geglückt. Da hat vor allem Karlheinz Freynik einen tollen Job hingelegt.

Kleine und große Boshaftigkeiten

Für ihn war es mitunter eine Gratwanderung, denn mit „Political correctness“ hatten die  „Pythons“, mit denen ihn seit deren Anfängen eine enge Freundschaft verbindet, noch nie etwas am Hut. So bekommen die französischen „Erbfeinde“ ebenso gnadenlos ihr Fett ab wie die Schwulen. Und selbst vor Juden machte der Spott der Autoren nicht halt. Und das in Deutschland?  Aber das geht schon o.k.. Selbst der streitbare Zentralrat dürfte an den tanzenden Davidsternen und den Seitenhieben auf jüdische Broadway-Finanziers keinen Anstoß nehmen.

Mit Fürzen gegen den Feind

Die Bühne wird von einem ganzen Panoptikum verquerer Individuen bevölkert, von denen nahezu jedes einzelne ihren ganz eigenen Klatschen an der Backe (oder anderswo) hat. Wir begegnen albernen Rittern, die niemals nie sagen, dem legendäre Killer-Hasen, einer nach Katzenpisse müffelnden Zitterpappel, dem schwarzen Ritter, der niemals aufgibt (auch dann nicht, nachdem ihm Arme und Beine abgeschlagen wurden), einem krakeelenden Franzosen, der sein Chateau mit Fürzen und wüsten Beschimpfungen verteidigt, und schließlich dem lieben Gott, von dem nur die großen Füße sichtbar sind und der genau so lispelt wie Marcel Reich-Ranicki. Was der Kritiker-Papst selbst wohl von dem Ganzen halten würde, wäre vielleicht auch mal ganz interessant zu erfahren.

Stark: Amber Schoop

Die Cast ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, wenig prominent, aber ambitioniert und gut. Ex-Titanic -Käpt’n Michael Flöth erleidet mit seinem neuen Dampfer zumindest auf bzw. am Rhein keinen Schiffbruch und verleiht Seiner Majestät dem König schrullige Würde. Serkan Kaya ragt als Sir Dennis Galahad deutlich aus dem kuriosen Figurenkabinett heraus, und das nicht nur deshalb, weil er zum ersten türkische Kreuzritter der Geschichte wird. Die Lacher sind ihm gewiss, wenn er beispielsweise im türkischen Migranten-Idiom fragt: „König? Krass, wie wird man das?“ Um sich gleich darauf zu beschweren: Mich stinkt voll, dass Du mich direkt wie Untergebenen behandelst“. Wie Kaya war auch Martin Berger (Sir Bedevere) schon in der Vorgänger-Produktion engagiert. Und als ehemalige Killer-Queen macht Amber Schoop das Trio der exponierten „We-will-rock-you“-Veteranen komplett. In „Spamalot“ wird die gebürtige Niederländerin als „Schöne aus dem Schilf“ zur überragenden Akteurin und fährt, völlig zu Recht, auch den größten Schlussapplaus ein. Starke Stimme, brillantes Spiel von zickig bis zauberhaft - aber sich dann beschweren „Warum hab’ ich so wenig Text“?

Comin-out mit Samba

Ach ja, da wäre auch noch Alfred Biolek, der in seiner Sprechrolle als Historiker (Erzähler) glücklicherweise weder singt noch tanzt. In weiteren Rollen Dominik Schulz als „Lanzelot“ , der statt der Prinzessin lieber den Prinzen vernascht und sein Comin-out im Rahmen einer furiosen Samba-Revue hat. Bernd Julius Arends ist „Sir Robin“, der, tapfer durch und durch, ständig die Hosen voll hat – im wahrsten Sinne des Wortes; Marco A.Billep hat als des Königs treuer Diener „Patsy“ schwer zu tragen und klappert unermüdlich mit den Kokosnusshälften, um so das Hufgetrappel des nicht vorhandenen Pferdes seines Herren zu simulieren.

Im Orchestergraben machen Heribert Feckler und seine neun Mannen mächtig Dampf und sorgen für eine packende Umsetzung der Partitur, der es allerdings an wirklichen Highlights mangelt. Gut, „Always look on the bride Side of Life“ („Das Leben ist ein Scheiß / wie gut, dass man es weiß…“) ist natürlich der Mitsing -Hammer-Hit schlechthin, aber, vom „Lied, das jeder liebt“ mal abgesehen, letztendlich auch der einzige Song, der haften bleibt. Ein paar gefällige Balladen und Up-Tempo-Nummern gibt es zwischendurch zwar auch, aber ein echter Showstopper ist nicht darunter. War ja vielleicht auch gar nicht beabsichtigt  - oder auch nicht notwendig. Denn: Auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise funktioniert die Show trotzdem – auch wenn sie den gemeinen, konventionell gepolten Musicalfreund vielleicht etwas verstört und ratlos macht. Sie ist schnell, rasant, grell-bunt, mitunter derb, albern, makaber und absurd. Aber eins ist es nicht: langweilig. 

© Text: Jürgen Heimann

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