Interview mit Musical-Star Kristin Hölck
Die Königin ist jetzt die Hure - Kristin Hölck als Milady de Winter im Musical Die Drei Musketiere
Pia Douwes hat die von ihr maßgeblich entwickelte Rolle der Milady de Winter in der deutschen Uraufführung des Musicals Die Drei Musketiere von der niederländischen Fassung aus Rotterdam weiterentwickelt und auch im Theater des Westens in Berlin von April bis Ende Oktober 2005 gespielt. Doch jetzt schwingt eine neue Milady den Degen gegen ihren Erzrivalen Kardinal Richelieu (Uwe Kröger) und werdenden Musketier d´Artagnan (Patrick Stanke): Kristin Hölck, die einigen Lesern sicherlich noch als Erzählerin in Essens Musical Joseph, wo sie später auch alternierend die Elisabeth verkörperte, oder aus Stuttgart als Christine im Phantom der Oper bekannt sein. Beim Musical Die Drei Musketiere spielte sie bisher die eher zurückhaltende Königin Anna, doch nun hat sie das sicherlich nicht ganz leichte Erbe von Pia Douwes als Erstbesetzung der Milady angetreten. Wir sprachen mit dem frischgebackenen neuen Bösewicht.
Musical-World: Sie sind jetzt aufgestiegen von der Königin zur Hure. Die Rollen unterscheiden sich doch sehr...
Kristin Hölck: Ja, aber sie haben eine ähnliche Problematik. Die Königin reagiert weniger emotional, während sich die Milady de Winter sehr spontan und gefühlsbetont zeigt und auch mal zu Übersprungshandlungen neigt.
Musical-World: Gegenüber der holländischen Inszenierung gibt es in Berlin eine Menge Veränderungen.
Kristin Hölck: Bei der Aufführung in Rotterdam ist Milady erst sehr spät im Musical aufgetaucht. In der neuen Version ist Milady sofort zurück aus England und auch der neue Song „Milady ist zurück“ soll sie ein bisschen weicher einstimmen, damit man nicht den Eindruck hat, da kommt die Böse. Sie ist ja nicht böse, man soll mit ihr mitempfinden, denn sie ist so geworden, weil man ihr übel mitgespielt hat. Sie konnte sich nicht wehren, gegen die Vergewaltigung des Priesters, der sagte: “sie ist die Böse, die mich verführt hat“.
Musical-World: Jetzt haben Sie die Königin und die Milady gespielt – welche hat Ihnen mehr Spaß gemacht oder besser gesagt, welche spielen sie lieber?
Kristin Hölck: Da kann ich mich gar nicht festlegen weil es nicht offensichtlich ist, denn ich mag die Königin Anna sehr gerne. Sie hat nicht viele Szenen, doch die sind spannend, gerade mit Richelieu zusammen. Aber es macht auch immer Spaß, die Böse zu spielen. Mir machen beide Rollen sehr viel Vergnügen. Als Anna mag ich meine Lieder sehr gerne. Die werde ich in Zukunft auch vermissen.
Musical-World: Muss man sich zwischen Anna und Milady de Winter groß umstellen, wenn man in einem Musical zwei Rollen beherrscht?
Kristin Hölck: Eigentlich nicht, weil sich die Kostüme sehr unterscheiden und man mit dem Kostüm in diese Person schlüpft, da bekommt man keine Schwierigkeiten. Während Anna immer eine Korsage trägt und sehr aufrecht und royal ist, tritt Milady in Lederklamotten mit großem Dekolleté auf.
Musical-World: Ist Frau Hölck mehr der Vamp oder die Königin?
Kristin Hölck: Frau Hölck ist mehr die Königin. Als Privatmensch würde ich nicht so reagieren wie Milady, dafür bin ich viel zu schüchtern. Aber es macht Spaß, wenn man in dieses Kostüm steigt, auf die Bühne geht und diese andere Seite spielen kann.
Musical-World: Die neue Version von „Männer“ ist gegenüber der sehr erotischen Rotterdammer Nummer entschärft worden.
Kristin Hölck: Dass Milady über die Männer rüberrollt, das gibt es nicht mehr. Hier ist es mehr eine Auseinandersetzung mit den Männern. Die Tänzer kommen einzeln zu ihr und stoßen sie weg– das Stück ist mehr auf Konfrontation angelegt als auf Verführung. Natürlich hätte ich auch eine erotische Inszenierung gerne gespielt.
Musical-World: Sie haben diese Rolle, die eigentlich Pia Douwes kreiert hat, übernommen. Möchte man statt einer fertigen Rolle nicht auch etwas Eigenes darbieten?
Kristin Hölck: Ich habe mich nie eingeschränkt gefühlt. Wir haben alle Freiheiten. Es gibt natürlich gewisse Absprachen und an die Choreographie muss man sich halten. Man kann eine Geschichte auf verschiedene Art und Weise erzählen, allein durch den Tonfall. Und wenn man sich selber einbringt, verändert sich auch automatisch die Rolle ein wenig.
Musical-World: War diese Produktion, weil es eine holländische Eigenproduktion ist, anders als die festen Regeln einer Großproduktion wie z.B. Das Phantom der Oper?
Kristin Hölck: Beim Phantom waren die Vorschriften viel strenger. In dieser Show habe ich mich wirklich eingeschränkter gefühlt als sonst. Eigentlich ist es ganz schön, einen Rahmen zu bekommen und wie man den füllt, dazu hat man sämtliche Freiheiten. Das ist ein angenehmes arbeiten. Wenn man eine Rolle kreiert, wie es mir hier bei Königin Anna ergangen ist, gibt es 1000 Möglichkeiten, dann legt man sich vor einer Premiere fest und während man erstmals spielt, denkt man, das hätte man noch anders bringen können, warum bin ich darauf eigentlich nicht gekommen.
Musical-World: Jetzt beim Phantom der Oper in Essen ist mir aufgefallen, dass sich nach all den Jahren nichts verändert hat.
Kristin Hölck: Das ist schlecht. Wenn man ein Stück wie Elisabeth nimmt, das hat sich verändert. Vor zehn Jahren von Wien über Holland war es anders, in Essen war es anders und in Stuttgart ist es wieder einen Tick anders. Das finde ich schlecht am Phantom, weil es so eingefahren ist. Ein Stück muss weiter gehen. Eine Einstellung „so war es immer und so wird es gemacht“ ist nicht mehr zeitgemäß. Die 3 Musketiere sind auch komplett neu aufgearbeitet worden.
Kristin Hölck über Ihre Rolle im Musical Joseph
Musical-World: Ich habe Sie noch gut als Erzählerin im Musical Joseph in Erinnerung. Da hatten Sie eine ganz andere Rolle.
Kristin Hölck: Ja, das war was ganz anderes.
Musical-World: Hat es Spaß gemacht, mit so vielen Kindern zusammen zu arbeiten?
Kristin Hölck: Ja, aber nach dem deutschen Recht ist so eine Produktion extrem schwierig. Ich kann mich erinnern, dass wir in einem Jahr unzählige Kinderchöre hatten. Kinder dürfen nicht jeden Abend auftreten. Es gibt eine gewisse Show-Anzahl, die sie im Monat machen dürfen. Kinder dürfen auch nicht mehr nach 23 Uhr auf die Bühne. Das ist hier alles viel komplizierter als z.B. in England, wo ich Mary Poppins gesehen habe, da fand ich die Kinder einfach phänomenal. In England werden die Kinder jedoch von klein auf ausgebildet, während sie hier nicht frühzeitig im Bereich Musical gefördert werden.
Musical-World: Wünschen Sie sich mal auf der Musical Bühne einen Stoff zu spielen, den Sie irgendwann mal gelesen haben?
Kristin Hölck: Bei Jekyll & Hyde fand ich die Musik ganz toll. Ich habe das Stück in New York gesehen, da war ich aber sehr enttäuscht obwohl Linda Eder gesungen hatte, die eine ganz tolle Stimme hat.
Musical-World: Nimmt man sich so eine Künstlerin als Vorbild und sagt sich, so will ich das auch singen?
Kristin Hölck: Ich würde nie jemanden kopieren, das wäre viel zu anstrengend und hätte auch keinen Sinn. Die Interpretation eines Liedes kann man kopieren, den Sound nicht. Man sollte Stolz auf seinen eigenen Sound sein, der seine eigenen Qualitäten hat. Ich schaue und höre mir eine Interpretation und die Technik an, aber ich würde nie den Sound kopieren.
Musical-World: Pia Douwes gibt einer Nachfolgerin keine Ratschläge. Hatten Sie mal das Gefühl, sie etwas fragen zu wollen oder fragen zu müssen, weil sie diese Rolle kreiert hat?
Kristin Hölck: Wenn ich Fragen hätte, würde ich auch fragen. Wenn einem etwas unklar ist, unterhält man sich schon mal darüber. Und wenn man sieht, dass das so funktioniert, ist das eher ein Lernen und kein kopieren. Das eröffnet neue Horizonte. Es kommt auch vor, dass man für sich entscheidet, das klang zwar da sehr gut, aber für mich fühlt sich das überhaupt nicht richtig an. Ich würde z.B. nie eine Rolle übernehmen und sagen ich mache alles anders. Ich gucke mir das an und sehe, das funktioniert. Und ich kann auch sagen, der Teil funktioniert für mich nicht, das sehe ich anders. Insofern entsteht eine neue Figur – der persönliche Touch. Wegen der Unterschiede ist es deshalb nie eine genaue Kopie. Und durch die unterschiedlichen persönlichen Ausdrucksweisen lebt das Stück immer wieder aufs Neue. Es muss nur ein Spielpartner anders sein, schon reagieren alle anders auf ihn. Viele Leuten fragen mich, wie kannst du nur jeden Tag dasselbe spielen. Aber wir sind jeden Tag in einer anderen Verfassung und wenn dann mal ein Satz böse gesagt wird, muss ich als Partner darauf reagieren. Das heißt, ich reagiere anders als wenn mein Partner den gleichen Satz intriganter oder subtiler sagt. Dadurch entsteht immer wieder etwas Neues, auch nach Monaten.
Musical-World: Es wird Kritiker geben, die Sie mit Pia Douwes vergleichen werden.
Kristin Hölck: Das ist normal, daran muss man sich gewöhnen. Es ist ein Phänomen, dass die Leute die Erstbesetzung sehen wollen. Weil sie glauben, wenn sie die nicht sehen, sehen sie eine schlechtere Show. Selbst, wenn ihnen die Show supergut gefallen hat. Wenn ich im Publikum sitze und die Zweitbesetzung sehe, die ich sehr gut finde, sage ich mir trotzdem, jetzt würde mich die Erstbesetzung interessieren, ob die genauso gut oder wirklich besser ist? Ich betrachte das natürlich aus einem anderen neutraleren Blickwinkel. Viele haben das Gefühl, das hat einen Grund warum die Zweitbesetzung eine Zweitbesetzung ist und nicht die Erstbesetzung. Aber das hat nichts mit der Qualität zu tun, sondern welcher Typ passt vom Äußeren her besser, ist sie z.B. zu dick oder zu klein, das kann auch ganz profane Gründe haben.
Kristin Hölck über Musical Verfilmungen
Musical-World: Was halten Sie von den Verfilmungen der Musicals? Wie fanden Sie den Film Das Phantom der Oper?
Kristin Hölck: Den Film habe ich noch nicht gesehen. Aber ich werde ihn mir anschauen. Ich wollte natürlich auch noch warten bis die deutschen Stimmen draußen sind mit Uwe Kröger und Carsten Lepper, weil ich mit Carsten zusammen gespielt habe. Evita mit Madonna fand ich damals fragwürdig, das hat mir nicht gefallen. Chicago wiederum fand ich sehr gut. Richard Gere war nicht schlecht, von dem Film war ich regelrecht begeistert. Vielleicht machen die Verfilmungen Werbung für die Bühnenstücke.
Musical-World: Arbeiten Sie auch gerne in kleinen Produktionen?
Kristin Hölck: Ja, absolut. Ich mache auch zwischendurch Stadt-Theater z. B. spiele ich momentan parallel Sally Bowles in Cabaret am Landestheater Detmold, ich war zwischendurch am Stadt-Theater in Bielefeld und in St. Gallen. Da arbeitet man sehr eng mit Freunden zusammen. Man kann selber etwas zusammen entwickeln.
Musical-World: Geben Sie auch Konzerte?
Kristin Hölck: Ja, mache ich auch. Momentan eher weniger, häufig mache ich Galas mit einem Veranstalter. Wenn ich aber in einer festen Produktion bin, kann ich nicht spontan zusagen, wenn ich angerufen werde. Es sei denn, man kennt den Termin weit im Voraus um das zu planen. Es gibt Konzerte, die eine feste Truppe haben, wo man nur einspringt und es gibt Konzerte wo man sich einfindet und Kollegen trifft, die man lange nicht gesehen hat und dann hat man auf der Bühne einfach viel Spaß.
Musical-World: Wenn Sie ein Solokonzert geben würden, was würde man da hören?
Kristin Hölck: Was ich unheimlich gerne mal machen würde, wäre ein Brecht-Abend. Oder klassische Lieder. Aber eigentlich doch mehr was mit Sprache. Das ist mir auch in einem Stück wichtig, ich will nicht unbedingt zeigen, dass ich singen kann, mit Tönen hoch und immer höher, sondern ich will eine Geschichte erzählen. Das ist für mich sehr wichtig und deswegen finde ich Opern eher problematisch – vielleicht haben deshalb viele Leute kein Interesse an der Oper, da dort nur der Gesang im Vordergrund steht. Ich mag Sprache sehr, weil man auch so viel damit machen kann. Eine Geschichte zu erzählen – nur darum geht es mir.
Musical-World: Würden Sie selber mal eine Geschichte schreiben und die spielen wollen?
Kristin Hölck: Ich weiß nicht ob ich das könnte. Da bräuchte ich jemanden von außen, der sagt, dass das funktioniert. Jemand, der auch ein paar Vorschläge machen kann. Ich glaube, alleine ist es schwierig, weil man sich von außen nicht betrachten kann. Man braucht jemanden, der dir sagt, so wie du dir das denkst, so kommt es nicht rüber. Gerade ein Beobachter, dem man vertraut, ist unheimlich wichtig. Da sollte man nicht überheblich sein.
Musical-World: Wird man als Künstler für ein Solokonzert unterstützt?
Kristin Hölck: Da muss man Eigeninitiative entwickeln. Leider gibt es in Deutschland kein Mäzenentum wie in anderen Ländern. Ich würde aber nicht gerne alleine auf der Bühne stehen wollen, sondern hätte lieber einen oder zwei Kollegen dabei.
Musical-World: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft. Gibt es eine Rolle, die Sie besonders gerne spielen würden?
Kristin Hölck: Meine Traumrolle war immer Elisabeth. Auch würde ich gerne mal Evita spielen, das habe ich noch nicht gespielt, weil ich jetzt in ihr Alter reinkomme. Ich hoffe, dass auch mal ein paar neue Sachen kommen und man nicht immer auf die alten zurückgreift – eben genau wie bei 3 Musketiere!
© Stephan Drewianka, Fotos: Drewianka / Stage Entertainment; dieser Artikel ist ebenfalls in der Zeitschrift Da Capo, Ausgabe 19, Januar 2006 veröffentlicht worden