Monty Python´s Spamalot Open Air bei den Freilichtspielen Tecklenburg
Spamalot: Finnland, fliegendes Vieh und fiese Väter
In Tecklenburg liebt man die Kontraste und spielt gerne neben dem Kinderstück ein Musical-Drama und eine Komödie für die erwachsenen Musical-Fans. Wie sich in den letzten Jahren zeigte, funktioniert dieses abwechslungsreiche Spielplankonzept künstlerisch zwar wunderbar, jedoch zieht die musikalische Komödie in der Zuschauergunst oft völlig unverdient den Kürzeren. 2017 hatte es das grüne Monster aus dem Sumpf „Shrek“ schwer, sich gegen den mysteriösen Todesfall von „Rebecca“ zu behaupten. Und dieses Schicksal trifft in der Saison 2018 die lustigen Ritter der Kokosnuss (pardon Tafelrunde), die bei den Besucherzahlen hinter den Elenden „Les Miserables“ zurückbleiben. Aber getreu nach Diener Patsys Motto „Always look on the bright side of life!“ lassen sich König Artus und seine tapferen Ritter bei ihrer Suche nach dem heiligen Gral nicht von einigen leeren Plätzen im Zuschauerraum beirren. Irgendein furchtloser Pöbel wird schon auf dem goldenen Trinkbecher sitzen! Sollen doch die „Les Miz“-Jünger in ihre Taschentücher schnäuzen, wenn Fantine, Eponine, Gavroche, Javert und Valjean reihenweise den Löffel abgeben, bei „Spamalot“ singt man fröhlich „Ich bin noch nicht tot“!
Schwarzer britischer Humor von Monthy Python
Auch bei „Spamalot“ bleibt kein Auge trocken, nur liegt das nicht an Trauer um den Barrikadentod, sondern vielmehr am schwarzen, britischen Humor, den das Musical von Eric Idle (Buch & Texte) mit der Musik von John Du Prez und Neil Innes aus vielen Sketchen der Komikertruppe Monty Python und deren Spielfilmen „Die Ritter der Kokosnuss“ (1975) und „Das Leben des Brian“ (1979) übernommen hat. Nach der Uraufführung am 17. März 2005 am Broadway und der Premiere in London am 16. Oktober 2006 feierte das Musical am 25. Januar 2009 seine deutsche Erstaufführung im Musical Dome Köln und tingelte danach durch so manche deutsche Stadt (Wunsiedel, Hamburg, München, Karlsruhe, Mainz, Bochum, Frankfurt, Ulm, Merzig, Marburg, Röttingen). Vom 20. Juli bis 09. September 2018 zeigten die Freilichtspiele Tecklenburg ihre Open-Air Inszenierung unter der Regie von Werner Bauer und der musikalischen Leitung von Giorgio Radoja.
Darsteller und Besetzung
Vielleicht hatte der ein oder andere Musical-Fan nach der Ankündigung des Stückes in Tecklenburg gehofft, nach ihrem furiosen Erfolg 2017 als Mrs. Danvers in „Rebecca“ erneut Pia Douwes auf der Freilichtbühne in der Rolle der Fee aus dem See zu sehen, die sie 2016 schon in Salzburg gespielt hatte. Vielleicht noch in der Kombination mit Traumpartner Uwe Kröger als König Arthus, wie er ihn 2017 in Merzig interpretiert hatte? Doch nein, die Wiedervereinigung „Elisabeth & Tod“ sollte es in Tecklenburg nicht geben. Doch die Alternative konnte sich sehen lassen: Frank Winkels (Poporatorium „Luther“ auf Tournee, „Don Camillo & Peppone“ in Wien, „Titanic“ in Bad Hersfeld) spielt König Artus zwar pferde- doch nicht würdelos, muss aber seinen Anspruch auf den Thron Englands gegen so manche anti-royalistische Ritter-Mutter behaupten, bevor er die Ritter für seine Tafelrunde rekrutieren darf. Zu verdanken hat Artus seine Krone dem berühmten Schwert im Stein und der Fee aus dem See, herrlich divenhaft interpretiert von der Niederländerin Femke Soetenga (in Tecklenburg bestens bekannt und beliebt aus „Der Schuh des Manitu“, „Der Graf von Monte Christo“, „Jesus Christ Superstar“ und „Die 3 Musketiere“). Schon ihr erster Auftritt im seegrünen, wallenden Wellenkleid ist spektakulär, ihr Liebesduett "Das Lied, das jetzt erklingt" mit dem frisch geangelten Ritter Dennis herzerwärmend (nach eigenen Angaben kitschig, viel zu lang, aber für ein Musical nun mal ein absolutes Muss) und ihr aufmerksamkeitshaschender Verzweiflungsruf "Wann geht’s hier wieder mal um mich?" nach zu langer Bühnenabstinenz im 2. Akt mit anschließendem Rosenkrieg mit dem Dirigenten einer echten Diva würdig, die am Ende ein Auge auf König Artus wirft.
Jeder Ritter hat seine eigene, tragische Geschichte
Aber zuvor bleibt viel zu tun, besteht zunächst des Königs Gefolgschaft nur aus dem treuen Diener Patsy, dessen Hauptaufgabe es ist, mit Kokosnüssen das Pferdegetrappel des imaginären Streitrosses seiner Majestät zu simulieren. Robert Meyer („Shrek“, „Rebecca“) spielt den liebenswerten Diener, der zu Beginn des 2. Aktes den Showstopper „Always look on the bright side of life!“ intonieren darf, geradezu mitleidserregend treu und genügsam als königlicher Fußabtreter, dessen wahrer Wert als Freund, ja fast Familie, Artus aber dann doch noch kurz vor dem Schlussapplaus erkennt. Jeder Ritter der Tafelrunde hat seine eigene, tragische Geschichte. Da ist Thomas Hohler („Die 3 Musketiere“, „Shrek“, „Mozart!“) als ängstlicher Sir Robin, der den Dienst an der Waffe aus Angst vor Schnittwunden kategorisch ablehnt, heimlich von einer Gesangs- und Tanzkarriere träumt, aber vor seinem Ritterschlag sein Geld als Fast-Pest-Toten-Beseitiger verdient. Bei diesem Job lernt er den schönen Lancelot kennen, den Mathias Meffert („Saturday Night Fever“, „Peter Pan“, „Robin Hood“) als heroischen Recken anlegt, der den Prinzen Herbert (Nicolai Schwab als badende Venus mit Sarah-TdV-Schwamm) aus den Fängen seines herrischen Vaters (Florian Soyka) befreit, der seinen schwulen Sohn standesgemäß mit einer reichen Prinzessin verheiraten will. Lance erkennt zunächst seine Liebe zu feinen Gardinenstoffen und schließlich beim finalen Outing „Der Typ heißt Lancelot“ mit Unterstützung der Village People auch seine innige Zuneigung zu Herbert. Sir Galahad (Florian Soyka, bekannt als fieser Vater, aber auch aus „Tanz der Vampire“, „Wunder von Bern“ oder „Sunset Blvd.“), genannt Dennis, findet als Matschsammler und politischer Aktivist erst durch die Fee im See Zugang zur royalen Oberschicht. Sir Belvederes (Gerben Grimmius, „Ich war noch niemals in New York“, „Tanz der Vampire“) Motive bleiben irgendwie ungeklärt, aber beim Kampf gegen das tödliche Killer-Karnickel ist er ebenso hilfreich wie bei der Überlistung frevelnder Franzosen, die mit Kühen werfen, aber einen hölzernen, hohlen Hasen gerne hinter ihre unbesiegbaren Burgmauern holen. Aufmerksamen Lesern ist es vielleicht bereits aufgefallen, dass die Spamalot-Ritter multiple Persönlichkeiten sind – in Tecklenburg sind die Darsteller gleich in mehreren Rollen zu sehen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Jan Altenbockum führt als Historiker in die Geschichte Britanniens ein, bevor er von Finnen, die Ohrfeigen mit Fischen verteilen, unterbrochen wird, ist als Noch-Nicht-Toter Fred selbst mit mehreren Schaufel-Schlägen einfach nicht tot zu kriegen, darf als französische Wache als Gewinner der Fußball-WM 2018 eine große Klappe haben und als Zauberer Tim das Killer-Kaninchen beschwören. Bei Spamalot sind es die skurrilen Nebencharaktere, die als eingeflochtene Sketche der Haupthandlung noch den gewissen Pfiff geben. Grandios ist Benjamin Witthoff als Ritter Dennis Mutter, eine Hommage an Jesus Mutter aus „Das Leben des Brian“, Florian Soyka darf als schwarzer Ritter sämtliche Gliedmaße beim Kampf mit König Artus verlieren und trotzdem standhaft bleiben, und die endlos langen Dialoge von Herberts Wachen (Thomas Hohler und Robert Meyer) sind überraschend kurzweilig. Selbst das restliche Ensemble darf in dubiosen Rollen glänzen: Bestes Beispiel sind die drei Ritter des „Ni“, die herrlich schrill nach einem besonders schönen Gebüsch verlangen. Und das „Gott“ mit der Stimme des Tecklenburger Intendanten Radulf Beuleke spricht, zeigt, wer in Tecklenburg die Hand über den künstlerischen Olymp hält.
Kostümschlacht - Die Burgruine als Spielcasino
Die Vielfalt der Charaktere gipfelt in Tecklenburg in einer sehenswerten Kostümschlacht, bei der Karin Alberti aus dem vollen Fundus schöpfen darf – zumal beim Song „Denn kommt es nicht vom Broadway…“ viele weitere Musicalcharaktere die Bühne bevölkern dürfen mit Joseph, Phantom, Löwenkönig und vielen anderen. Und die kuriosen Orte setzen im phantasievollen Bühnenbild von Susanna Buller noch einen drauf: Die Burgruine ist ja von Natur aus schon vorhanden, mit Camelot als Spielcasino hat man sie so aber noch nicht erlebt. Der sehr, sehr teure Wald darf der Tecklenburger Stammkundschaft zwar aus „Shrek“ bekannt vorkommen, erfüllt als Heimstätte der Ritter des Ni aber einen ganz neuen Zweck. Das Finale des ersten Aktes und die Doppelhochzeit am Schluss des Stückes mit der schmissigen Choreografie von Kati Heidebrecht und der flott-peppigen Musik drehen die Unterhaltungsregler auf volle Pulle. Man braucht Augen überall, um auch die kleinsten Details dieser Produktion zu entdecken, und wenn es nur die Kuchenstück-Statisten-Damen der geteilten Hochzeitstorte mit den Sahnehäubchen sind.
Tecklenburg beweist, dass man mit vermeintlich leichter Kost, Slapstick und rabenschwarzem, typisch britischen Humor bestens unterhalten kann. Wer den Monty-Python Witz mag, kommt an „Spamalot“ sowieso nicht vorbei. Als Gegenpol zum schwermütigen Historiendrama „Les Miserables“ bietet „Spamalot“ den Musicalfans keine Alternative, sondern vielmehr eine vergnügliche Ergänzung, die man erlebt haben sollte. In der Musicalsaison 2019 sind die Grenzen zwischen Drama und Komödie dann nicht ganz so klar gezogen, gehen dann „Doktor Shiwago“ und „Don Camillo und Peppone“ in das Rennen um die Zuschauergunst. Kluge Köpfe werden sich sicherlich beide Shows ansehen und freuen sich auf die nächsten Open-Air Spektakel im Münsterland.
© Text & Fotos: Stephan Drewianka; dieser Artikel erschien ebenfalls in der Musical Fachzeitschrift BLICKPUNKT MUSICAL, Ausgabe 96, 05-18, September-November 2018
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