Musical Evita in der Oper Dortmund
Tango Argentino im Ruhrpott
Das Musiktheater in Dortmund wirbt für den Musical-Klassiker Evita von Sir Andrew Lloyd Webber und Tim Rice auf ungewöhnliche Weise mit einem auf Rosen gebetteten Bilderrahmen, auf dem eine blütenweiße Frau mit Heiligenschein und Jesuskreuz vor einem Mikrophon strahlend in den Himmel blickt. Die Erhöhung der einfachen Schauspielerin zur Santa Evita des Volkes ist dann auch das zentrale Thema in der Neuinszenierung des Musicals Evita von Regisseur Stefan Huber, die auf der Londoner Fassung von 2006 beruht und am 12.09.2009 im Opernhaus Dortmund seine Premiere feierte.
Das Leben der Eva Peron
Die musikalische Erzählung des Lebens von Eva Peron beginnt in einem argentinischen Kino, dessen Vorführung unterbrochen wird, um vom traurigen Tod der Präsidentengattin zu berichten. Ein gleißend heller Sarg schwebt von der Decke und das Kino verwandelt sich mit einem blauen Neonkreuz in eine Kirche, in der sich das Volk von seiner Heldin verabschiedet. Che, der Erzähler der Geschichte, macht dem aufgesetzten Zirkus ein Ende und berichtet in einem Rückblick vom wirklichen Leben der kleinen Eva Duarte, die als mittelmäßige Schauspielerin nach Argentinien kommt, sich über die Betten einflussreicher Männer bis an die politische Spitze hinauf schläft, um schließlich an der Seite von Peron zur mächtigsten Frau Argentiniens aufzusteigen. Doch der Krebs besiegt die Ambitionen der jungen Frau und sie wird zur Legende.
Musical Evita in der Neufassung von 2006 mit neuem Song
Das Musical Evita ist zu Recht ein Garant für volle Theaterhäuser und erfreut sich auch in Deutschland einer ungebrochenen Beliebtheit beim Musical-Publikum, selbst nach der Verfilmung von 1996, in der Madonna und Antonio Banderas nicht unumstritten die Titelrollen verkörperten. Für den Film Evita komponierte Webber den Song “You Must Love Me” zum ursprünglichen Material hinzu und heimste damit auch den begehrten Oscar ein. In der Dortmunder Neufassung von Evita ist dieses Lied unter dem deutschen Titel “Verlass mich nicht” ebenfalls zu hören. Regisseur Stefan Huber zeigt nicht die angestaubte Urfassung von 1978, sondern ist mit der Neufassung von 2006, die durch erotische Tanzeinlagen mit Tango Argentino (Choreographie: Eric Rentmeister) auftrumpft, erfreulich modern.
Musical Evita in Dortmund mit beeindruckendem Bühnenbild und wechselnden Schauplätzen
Das Bühnenbild von Harald B. Thor, das die technischen Raffinessen der Hebebühnen des Opernhauses geschickt einsetzt und so immer wieder neue, beindruckende Bilder schafft, setzt die wechselnden Schauplätze temporeich in Szene. Glanzpunkte sind die bereits angesprochene Umwandlung des Kinos in eine Kirche, aber auch die Benefizveranstaltung in einem Stadion, wo sich Eva und Juan Peron hinter der Bühne, auf der ein argentinischer Tango dargeboten wird, zum ersten Mal begegnen, oder der bewegende Moment auf dem Balkon der Casa Rosata, wo Evita ihr “Wein nicht um mich Argentinien” anstimmt. In Dortmund senkt sich der Balkon mitten in das jubelnde Volk und dreht sich nach dem Song herum, um zu zeigen, was danach “hinter den Kulissen” abläuft. Susanna Hubrich unterstützt mit den passenden Kostümen den positiven Gesamteindruck des Bühnenbildes.
Ann Mandrella überzeugt als Evita unterstützt durch die Dortmunder Philharmoniker
Im Orchestergraben sorgt Dirigent Kai Tietje dafür, dass der musikalische Rahmen modern und temporeich das Bühnengeschehen von Evita ergänzt. Kraftvoll symphonisch unterstützen die Dortmunder Philharmoniker die Musical Darsteller auf der Bühne. Ann Mandrella (Barbette in Disneys Musical Beauty And The Beast in Wien, Stuttgart und New York) zeigt als hochgewachsene Frau alle Facetten vom Bauernmädchen über die verführerische Hure zur weltgewandten Modepuppe bis zum tragischen Ende der durch Krankheit in die Knie gezwungenen Frau, die allein gelassen im Krankenbett stirbt. Ann Mandrella findet bei ihrer Interpretation der Eva Duarte einen eigenen Weg und überzeugt durch ihre gesangliche sowie schauspielerische Auslegung der Rolle von Evita.
Serkan Kaya als Rivale Che, Regimekritiker und Erzähler
Ihr Rivale und gleichzeitig zynischer Erzähler der Geschichte ist Serkan Kaya als Che, der wie Ann Mandrella seine Ausbildung an der Essener Folkwang Hochschule absolvierte und als Rockröhre schon in Jesus Christ Superstar und Chess (beide im Aalto-Theater in Essen) sowie in We Will Rock You (Köln, Zürich, Wien), Elisabeth (Wien) und Spamalot (Köln) die Fans begeisterte. Serkan Kaya übernimmt im Musical Evita den Part des Regimekritikers, der immer kühl die Handlung dokumentiert und selbst beim “Walzer für Eva und Che” Distanz zur historischen Person behält. Ebenfalls Absolventen der Folkwang Hochschule in Essen sind Markus Schneider, der den herrlich schleimigen Schnulzen-Sänger Magaldi gibt, und der Geheimtipp Patrizia Margagliotta als Geliebte Perons, die mit ihrem einzigen Song “Du nimmst den Koffer wieder in die Hand” ein Highlight des Abends setzten kann. Der hauseigene Hannes Brock gibt rollendeckend den etwas blassen Juan Peron, der im Schatten seiner strahlenden Evita steht.
Fazit: Gute Musical Darsteller, das stimmige Bühnenbild und die hervorragende Choreografie tragen im Dortmunder Opernhaus zu einem gelungenen Theaterabend bei, wenn auch der für Stadttheater leider symptomatische mittelmäßige Ton das positive Gesamtbild von Evita etwas schmälert. Die vorerst 14 geplanten Vorstellungen des Musicals Evita gehen nach dem 25.12.2009 sicherlich 2010 in eine verdiente Verlängerung.
© Text: Stephan Drewianka, Musical-World.de; Bühnenfotos (7): Bettina Stöß, Stage Picture; Fotos Schlussapplaus (4): Stephan Drewianka
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