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Jekyll & Hyde Musical in Bad Hersfeld
Jekyll & Hyde in der Stiftsruine Bad Hersfeld: Gefährliches Spiel auf barocken Baugerüsten
Sie kennen den Thriller vom aristokratischen Wissenschaftler, der Gut und Böse trennen will und dabei selbst zum mordenden Monster wird in der Musicaladaption von Frank Wildhorn noch aus Bremen, Wien, Köln oder einem kleineren Stadttheater? Die aktuelle Neuinszenierung für die 58. Bad Hersfelder Festspiele Open-Air in der Stiftsruine bietet selbst dem eingefleischten Jekyll & Hyde Fan einige interessante Neuerungen, so dass sich ein Besuch des Musicals lohnt.
Mit Regisseur Frank Alva Buecheler engagierte Festspielintendantin Elke Hesse einen echten Kenner dieser Materie, der bereits 1999 die deutsche Erstaufführung des Musicalthrillers in Bremen inszenierte. Vielleicht war es neun Jahre später zur Premiere in Bad Hersfeld am 11. Juni an der Zeit, Handlung, Dramaturgie und deutsche Texte kräftig zu überarbeiten. Die Freiluftbühne der mittelalterlichen Stiftsruine als Spielort eines High-Tech Mega-Musicals stellt bereits eine große Herausforderung dar: Hier gibt es keine Möglichkeit eines schnellen Bühnenumbaus, keine Drehbühne, die in der Versenkung verschwinden kann oder Kulissenteile und Requisiten aus dem Nichts erscheinen lässt. Die Aufgabe, die zahlreichen und recht komplexen Szenenorte auf dieser soliden und sehr breiten Bühne entstehen zu lassen, wurde für »Jekyll & Hyde« recht ungewöhnlich umgesetzt. Das Labor, in Bremen noch ein endloser Gang hellerleuchteter Neonröhren, der exklusive Ballsaal von Sir Danvers Carew mit ausladender Freitreppe und strahlendem Kronleuchter oder die schwüle Atmosphäre im Bordell »Die rote Ratte« musste einzig in der Phantasie des Zuschauers entstehen, denn im Bad Hersfelder Bühnenbild von Robert Pfalz gab es ausschließlich nackte Baugerüste, auf denen die Darsteller agierten. Was zunächst einfach unfertig aussah (»Schraubt ihr noch, oder spielt ihr schon?«), entpuppte sich im Verlauf der Show jedoch als pfiffige Idee, die einfach gut funktionierte, war doch auch zur Zeit des Stücks London eine einzige Großbaustelle. Es reichten dann schon kleine Requisiten, wie eine leuchtend rote Laterne, um die »rote Ratte« zu symbolisieren, oder ein kleiner Tisch wurde zu Henrys Labor. Natürlich gab es auch größere Kulissenteile, wie die überdimensionale Säule mit Lord Nelson, um den Londoner Trafalgar Square zu zeigen oder den Gartenpavillon, in dem sich Henry und Lisa verloben, der jedoch einem riesigen, goldenen Vogelkäfig nachempfunden war und somit mehr Henrys Gefühlswelt als tatsächliche Realität widerspiegelte.
Je einfacher das Bühnenbild, desto opulenter fielen die Kostüme aus mit denen Hannelore Nennecke einen wahren Augenschmaus entfesselte. Selbst kurze Sequenzen wie die Mini-Tennis-Sequenz, mit der die aristokratische Lisa Carew verspielt eingeführt und charakterisiert wurde, überraschten immer wieder mit geschmackvoll farbenfrohen Ausflügen in die Modewelt des 19. Jahrhunderts, die schon fast wieder modern wirkte. Getaucht in atmosphärisches Licht (Lukas Kaltenbäck) vergaß der Zuschauer schnell die sterilen Baugerüste und sah problemlos das enge Zimmerchen von Hure Lucy Harris, in das sich der zu Hyde mutierte Jekyll in schwindelnder Höhe wie eine Raubkatze schlich. Eine der größten Änderungen betraf genau diese Transformation Jekyll zu Hyde, die es in Bad Hersfeld strenggenommen gar nicht gab: Dr. Jekyll als charmanter Frauenschwarm erkennt nach seiner Verlobung mit Lisa Carew, dass da noch etwas anderes in ihm steckt, ausgelöst vom erotischen Werben der Prostituierten Lucy Harris. Er will die Schranken und Normen, die ihm von der Gesellschaft aufgezwungen werden, durchbrechen und spritzt sich eine Droge, die diese dunklere Seite in ihm freisetzt. Jetzt kann er ohne Reue Rache nehmen an den Menschen, die ihm seine Träume und Forschungen verweigerten und er ermordet kurzer Hand jeden, der ihm im Weg steht. Ist dies tatsächlich ein anderer Mensch? In Bad Hersfeld änderte sich das Aussehen des Titelhelden eigentlich gar nicht, es gibt keinen Wechsel zwischen gepflegtem Zopf und wildem Strähnenhaar, das sonst immer für den Charakterwechsel steht. Natürlich sprach Hyde anders als Jekyll – obszön und irgendwie tierisch.
Die große Frage, die sich am Premierenabend stellte, war, ob Opernsänger Jan Ammann, der als »Ludwig II« in gleich zwei Versionen in Füssen die Figur des Märchenkönigs prägte, diesen subtilen Wandel überzeugend darstellen konnte. Gleich zu Beginn mit dem Show-Opener »Fern und im Dunkeln« wurde klar, dass Ammann ein perfekter Henry Jekyll war, der mit seiner butterweichen und bis in die höchsten Töne geschmeidigen Stimme den netten Frauenschwarm nicht nur von seiner äußeren Erscheinung verkörpern konnte. Mit »Dies ist die Stunde«, in der Ammann mit dem Rücken zum Publikum bis in die hintersten, dunklen Winkel der Stiftsruine schritt, um dann mit gestärktem Mut und aufflammendem Licht bis vorne an den Bühnenrand zurückzukehren, erlebte der Zuschauer einen Gänsehautmoment, der nicht auf die Schafskälte in zugiger Open-Air Umgebung zurückzuführen war. Mit der Freisetzung des Edward Hyde bei »Die Verwandlung« bis zum finalen »Die Konfrontation« bewies Ammann, dass er auch ganz anders kann: knurrend war die weiche Stimme dahin, ohne jedoch ihre Präzision einzubüßen. Als wahrer Höhepunkt entpuppte sich der Song »Ein gefährliches Spiel«, der bisher in allen deutschen Versionen leider völlig seine erotische Verführung der englischen Originalversion eingebüßt hatte. In Bad Hersfeld war die knisternde Spannung jedoch endlich wieder spürbar als ein Feuerwerk an unterschwelliger Gier. Duettpartnerin ist die Holländerin Maaike Schuurmanns als Lucy Harris, die Ammann gesanglich in keinster Weise nachsteht. Ihre Solonummer »Ein neues Leben« bewegt, die Duette mit Silke Dublinger als Puffmutter Nellie bei »Mädchen der Nacht« oder mit Annemieke van Dam als Lisa Carew bei »Nur sein Blick« setzten weitere Glanzpunkte. Als Jekyll Lucy schließlich erwürgte, war der Verlust auch für die Zuschauer schwer. Leider erreichte Annemieke van Dam als emanzipierte Aristokratentochter Lisa stimmlich nicht ganz das hohe Niveau ihrer Kollegen, ihre Soli »Jemand wie Du« oder das sanfte »Freundlichkeit, Zärtlichkeit« fielen verglichen mit ihrer Leistung in Duetten etwas ab. Zudem war der Ton (Stephan Dittrich, Christian Stader, Ulla Pittermann) während der Premierenvorstellung nicht immer optimal ausgesteuert, so dass das 17 köpfige Orchester des Öfteren den Gesang der Darsteller übertönte. Ausgeglichener erschienen die Chorszenen unter der Leitung von Helga Hahn, die die eigentlich schwächeren Nummern der »Fassaden«-Reprisen oder das grandios mit Zeitungen und Regenschirmen choreografierte (Rüdiger Reschke) »Mörder« aufblühen ließen.
Da in Bad Hersfeld Stücke ohne Pause durchgespielt werden, gilt die strenge Regel einer Spielzeitbegrenzung auf maximal 150 Minuten. Leider fielen dieser Regel zwei Reprisen von »Fassade« sowie Jekylls Song »Die Welt ist völlig irr« zum Opfer. Im Gegensatz dazu wurde die Rolle des John Utterson, hier glänzend besetzt mit Musical-Gast Rory Six, ungewohnt erweitert: John als bester Freund Henry Jekylls erkennt als erster die prekäre Lage, in der sich sein Freund befindet, ist aber ohnmächtig gegenüber der Dominanz von Edward Hyde. Er versucht, Lucy vor deren Ermordung zu warnen und auf der Hochzeitsfeier ist er es, der Jekyll durch zwei Pistolenschlüsse erlöst. Entsetzt von seiner Tat und vom Verlust des Freundes nimmt er sich das Leben. Durch diese inhaltlichen Modifikationen war es auch nicht überraschend, dass einige Songs ihren angestammten Platz im Musical verlassen hatten und verschoben wurden. Auch textlich wurde viel an der ursprünglichen deutschen Version von Susanne Dengler und Eberhard Storz geändert. Herausgekommen ist dabei ein inhaltlich verständlicheres, wenn auch durch das moderne Bühnenbild abstrakteres Musical. Bad Hersfeld zeigt bis zum 03. August in insgesamt 26. Vorstellungen einen anderen »Jekyll & Hyde«. Vielleicht genießen auch Sie diese neue Erfahrung. Viel Spaß dabei!
© by Stephan Drewianka; Dieser Bericht erschien auch in der Musical-Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 04/08, Juli-August 2008; Bünenfotos (12): blitzlicht fotostudio
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Bad Hersfelder Festspiele 2008 - Abschlussbilanz und Zuschauerpreis
Am 3. August 2008 gingen die 58. Bad Hersfelder Festspiele zu Ende. Mit einer grandiosen letzten Vorstellung von "Jekyll & Hyde" und der Verleihung des Zuschauerpreises an den Star des diesjährigen Musicals: Jan Ammann.
Zuschauerpreis für Dr. Henry Jekyll / Mr. Hyde alias Jan Ammann
Jan Ammann, der mit seiner sängerisch und darstellerisch überzeugenden Präsentation der Doppel-Titelrolle Dr. Jekyll / Mr. Hyde das Publikum bei jeder Vorstellung zu Begeisterungsstürmen und Standing Ovations hinriss, ist der unumstrittene Publikumsliebling der diesjährigen Festspiele und damit Gewinner des Zuschauerpreises 2008. Der Preis, ein von Juwelier Matthias Laufer-Klitsch eigens gestalteter Ring, wird seit der Zeit des Festspielintendanten Volker Lechtenbrink alljährlich auf der Basis einer Publikumsbefragung verliehen und bildet den Gegenpol zu den von einem Kritiker-Gremium verliehen Hersfeld-Preisen. Er wurde dem Sänger-Darsteller gestern nach der letzten Vorstellung auf offener Bühne überreicht, bevor das inzwischen legendäre Feuerwerk in der Stiftsruine und der unverkennbare Klang der Fanfare die künstlerisch gelungenen 58. Bad Hersfelder Festspiel zu einem glücklichen Ende brachten.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge kommentiert Intendantin Elke Hesse die Bilanz der diesjährigen Festspiele: "Trotz eines künstlerisch hochstehenden Programms, das von der Presse bundesweit mehrheitlich sehr positiv wahrgenommen und besprochen wurde, konnten die Festspiele die Zuschauerzahlen des letzten Jahres leider nicht halten". Den Hauptgrund dafür sieht die engagierte Intendantin, die die Festspiele 2009 zum letzten Mal verantworten wird, in der gegenwärtig angespannten privaten Finanzlage in der Bundesrepublik. "Das Geld sitzt einfach nicht mehr so locker, und gespart wird immer zuerst an der Kultur", bedauert sie. Dass andere Festspiele unter dem gleichen Phänomen zu leiden haben, sei dabei nur ein schwacher Trost.
Doch das Ergebnis der diesjährigen Spielzeit bietet auch keinen Grund zur Panik. Immerhin 74.000 zahlende Zuschauer besuchten dieses Jahr die drei großen Produktionen in der Stiftsruine, das ergibt bei 60 Vorstellungen eine beachtliche Auslastung von 77,2%. Dazu kommen die Zuschauerzahlen für die "Eichhof" -Produktion (5.500) und das Kinderstück (8.500). Somit besuchten insgesamt 88.000 zahlende Gäste die Vorstellungen der Bad Hersfelder Festspiele. Gegenüber der Kalkulation für die Saison 2008 bedeutet dies allerdings ein Minus von rund 4000 Karten. Dadurch erhöht sich das finanzielle Engagement der Stadt für das Festspieljahr 2008 auf rund 957,900 EUR.
Produktionen und Zahlen im Einzelnen
Renner der diesjährigen Festspiele war, wie schon in den letzten Jahren, das Musical. Allerdings besuchten "Jekyll & Hyde" weniger Zuschauer als kalkuliert. Bei 43,500 verkauften Karten lag das Musical bei 84,1% Auslastung unter den Zahlen von 2007 - die in dieser Hinsicht verwöhnten Festivalmacher hatten mit den fast 99% des Vorjahres ("Les Miserables") gerechnet. An der künstlerischen Qualität kann das Defizit allerdings nicht gelegen haben - die Kritiken, vor allem für das hinreißende Darsteller/Sänger-Ensemble, waren durchgängig geradezu euphorisch.
Die Eröffnungspremiere "Die Jungfrau von Orleans" von Friedrich Schiller sahen 17.000 Zuschauer, das entspricht einer Auslastung von 68,2 Prozent. Angesichts des als schwierig verrufenen Klassikers ein beachtliches Resultat. Regisseur Torsten Fischer (Faust 2006 und 2007), seine Protagonistin Anna Franziska Srna (Großer Hersfeldpreis 2008) und das Ensemble, samt den wie immer beachtenswerten Statisten des Bad Hersfelder Chors, boten eine beeindruckende Inszenierung, die durch ihre Stringenz und die Nutzung der ebenso grandiosen wie schwer zu bespielenden Stiftsruine überzeugte.
"Romeo und Julia" hat Publikum wie Kritik sehr gespalten. Wo sich die einen für das fast durchwegs sehr junge Ensemble und seine Frische begeisterten, zeigten sich die anderen von Arie Zingers Inszenierung eher irritiert. Insgesamt 22.500 Zuschauer sahen die umstrittene Inszenierung, die Auslastung lag bei 79,2%.
"Minna von Barnhelm" im kleinen Freilichttheater Eichhof war der geheime Hit dieser Spielzeit. 8.500 begeisterte Zuschauer sahen Lessings klug inszeniertes und lustvoll gespieltes Lustspiel (Auslastung 98%). Und "Der gestiefelte Kater", ein Gastspiel der Hanauer Märchenfestspiele, lockte 8.500 Besucher in die Stiftsruine (82%).
Gegenmaßnahmen
Um die rückläufigen Zahlen aufzufangen, wurde bereits über entsprechende Maßnahmen nachgedacht. "Verbesserungen sind immer möglich", meint dazu Intendantin Elke Hesse. So soll für die nächste Spielzeit ein Frühbucherrabatt eingerichtet werden, um den Vorverkauf anzukurbeln. Gleichzeitig ist eine Reduzierung von 60 auf 54 Vorstellungen im Gespräch, was einer Verkürzung der Spielzeit um eine Woche entsprechen würde. Einig sind sich Bürgermeister Hartmut H. Boehmer, Verwaltungsdirektor Karl Schmidt und Intendantin Elke Hesse, dass sich Bad Hersfeld die Festspiele auf jeden Fall leisten muss.
Vorschau
Elke Hesse gibt sich keineswegs entmutigt. "Wir planen ein tolles Programm für 2009", sagt sie optimistisch, "ich werde in meinem letzten Jahr als Intendantin der Festspiele eine positive Visitenkarte hinterlassen." Noch ist das Programm ein Geheimnis, das erst Anfang September gelüftet wird. Fest steht allerdings, dass Torsten Fischer auch 2009 eine Inszenierung übernehmen wird und ein bekannteres Musical gespielt werden soll.
© Pressestelle Bad Hersfeld; Fotos Schlussapplaus (10): Stephan Drewianka
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