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Theater
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Simply the Best! Pfingstgala 2011 mit den Topstars der Musicalszene

Was für ein Saisonauftakt! Temperamentvoller vokaler Marathonlauf in Tecklenburg

Einen schwungvolleren, schöneren und prächtigeren Start in die neue Spielsaison hätten sich Veranstalter und Zuschauer nicht wünschen können. Und die „Hütte“ war „rappelvoll“. Wieder eine Stimmung wie im Fußballstadion. 2.300 Gäste füllten am Pfingstmontag den Zuschauerraum der Tecklenburger Freilichtbühne – so viele, wie noch nie zuvor bei diesen traditionellen Spielzeit-Eröffnungsshows. Und: Was das Programm und die darin involvierten Künstler angeht, haben sich die Münsterländer endgültig und deutlich von allen anderen vergleichbaren Galaveranstaltungen dieser Art abgesetzt und die Konkurrenz somit auch in diesem Punkt um Längen hinter sich gelassen. Die Pool-Position gehört ganz klar den Tecklenburger. Es war, ob’s nun abgedroschen klingen mag oder nicht, ein Auftakt nach Maß! Und was für einer. Und dass Intendant Radulf Beuleke („Wir machen Theater mit Herzblut“) bei dieser Gelegenheit  aus der Hand von Da Capo-Chefredakteur Jörg Beese seinen vierten Da Capo-Award für das beste Short Terme--Musical der letzten Saison („3 Musketiere“) entgegen nehmen konnte, machte für diesen und die Seinen die Sache erst richtig rund.

Tecklenburg proudly presents

Exponierte Repräsentanten aus der Königsklasse der deutschsprachigen Musicalszene hielten im weitläufigen Open-Air-Theater auf der Burg Hof – locker, ungezwungen, temperamentvoll, mit viel Esprit, Spielwitz und Schlagfertigkeit. Wo sonst bekommt der geneigte Konsument eine solch geballte Ladung an künstlerischer Kompetenz, Stimmkraft und Popularität geboten? Tecklenburg proudly presents: Pia Douwes, Sabrina Weckerlin, Anne Welte, Filipina Henoch – Ladies first. Und die “Herren der Schöpfung” waren, was die großen Namen anbelangt, auch nicht gerade unterrepräsentiert: Patrick Stanke, Jan Ammann, Marc Clear, Marc Seitz und Sascha Krebs. Und sie alle, Männlein wie Weiblein, bewiesen Standvermögen – nicht über die angekündigte Zeitdistanz von drei Stunden hinweg, sondern derer fast vier. Da war eine volle Packung an Sang und Klang. Getrieben und gestützt von Klaus Hillebrecht und seiner brillanten Band joggten die Akteure vokal, choreografisch und komödiantisch durch den langen Abend, während dem das Publikum oft mehr stand als saß.

Die Mischung macht’s

„Musical meets Pop“ lautet seit 16 Jahren das unveränderte Motto dieses Spektakels. Entsprechend werden auch die Freunde beider Genres bedient, wobei die Grenzen allerdings immer recht fließend sind. Ein bisschen Swing und Chanson darf natürlich auch dabei sein, und ein bisschen mehr an Rock’n‘Roll auch. Während der erste Teil immer fast ausnahmslos den großen, durchaus aber auch einmal den weniger bekannten Perlen aus der Welt des Musiktheaters vorbehalten ist, rockt nach der Halbzeit mit fortschreitender Stunde das Haus. Davon abgesehen nutzen die Gastgeber diese Gelegenheiten immer auch weidlich, um Werbung in eigener Sache bzw. die neuen in der aktuellen Spielzeit anstehenden Produktionen zu machen. Das sind in diesem Jahr Gershwins  Wild-West-Revue „Crazy for you“, das am 25. Juni seine bejubelte Premiere hatte, und der Webber-Klassiker „Jesus Christ Superstar“ unter der Regie von Marc Clear, für den sich am 29. Juli erstmals der imaginäre Vorhang hebt.

Hier steppt der Bär

Dass die jeweiligen Hauptdarsteller für diese PR auf der Matte stehen, ist klar. Im Fall von „CfJ“ waren und sind das Filipina Henoch und Marc Seitz, die mit einigen wunderschön gesungenen und getanzten Appetithappen  („Kann ich bleiben“) gespannte Lust auf mehr machten. In die gleiche Kerbe schlugen da die amtierenden Steppweltmeister der Tanzschule Kerstin Albrecht, die mit ihren schwungvollen Einlagen eine Ahnung erweckten, auf was die Besucher sich einzustellen haben. Hier steppt dann wirklich der Bär!

Comeback mit Strom

„Ich bin zurück in Tecklenburg“ freute sich Patrick Stanke, der spätestens nach seinen beeindruckenden „Jekyll & Hyde“- und „Mozart“-Interpretationen beim hiesigen Publikum sowieso einen dicken Stein im Brett hat und nach einjähriger Pause eine Art lokales „Comeback“ anvisiert. Wobei „lokal“ etwas zu kurz greift. Die Besucher der Bühne kommen, wie Erhebungen belegen, aus allen, selbst den entlegendsten Teilen des Bundesgebiets und sogar aus dem europäischen Ausland. Der Wuppertaler wird in diesem Jahr die Titelrolle bei „Jesus Christ“ übernehmen und zeigte mit „Gethsemane“ allen, den Fans ebenso wie den Skeptikern, wo der Hammer hängt, allerdings mit, nicht ohne Strom.

Mitgebracht hatte der „Überflieger“ seine Freundin Sabrina Weckerlin, die junge deutsche Antwort auf Pia Douwes. Das mit unglaublicher Stimme und eindrucksvollem Charisma gesegnete blond gelockte Schwarzwaldmädel hatte sich für einen Tag im neuerdings in Fulda gelegenen Vatikan beurlauben lassen, wo es aktuell als „Die Päpstin“ auf der Bühne des Schlosstheaters steht. Um eine kleine Kostprobe aus diesem neuen Dennis Martin-Werk kam sie mit dem wunderschönen, melancholischen „Einsames Gewand“ selbstverständlich nicht herum. Ein dramatischer, emotionaler-balladesker Song, der der jungen Aktrice wie auf den Leib geschrieben ist. Allerdings dürfte er keine Chance haben, beim nächsten Katholikentag zu erklingen, wie Radulf Beuleke, der im ersten Teil durchs Programm führte, ironisch anmerkte. Maßgebliche Repräsentanten von „Ratzis“  germanischen Leadingteam sind, wie zu lesen war, ja so angetan von dem neuen Musical nicht – ganz im Gegensatz zum Publikum.

Anne Welte, die der Intendant von der „Vokalgranate“ kurzerhand zur „Röhre“  beförderte, ließ mit dem Titelsong aus „Cabaret“ und später mit dem Shirley Bassey-Hit „If I never sing…“ durchblitzen, was sie an mimischer und vokaler Bandbreite drauf hat. Diese Frau zählt seit vielen Jahren zu den außergewöhnlichsten Konstanten der deutschen Musicalwelt. 

Lachen mit Udo, Herbert und Horst

Genau so lange, wie es die Tecklenburger Pfingstgala in dieser Form gibt, nämlich seit 16 Jahren, ist hier auch Sascha Krebs mit von der Partie. Der Mannheimer mit dem losen Mundwerk ist nicht nur ein exzellenter Sänger und Schauspieler, sondern auch ein begnadeter Entertainer und Komödiant. Als Moderator fast unschlagbar – wenn man ihn lässt. Und diesmal ließ man ihn. Allein seine gemeinsam mit Jan Ammann zelebrierte Persiflage auf Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und Horst Schlemmer war das Eintrittsgeld schon wert. Welch ein hervorragender Vokalist Krebs ist, unterstrich er mit „This is who you are“ aus „Beethovens Last Night“ oder mit „Only the Good die young“ von Billy Joel.

Vamp trifft Vampir

Jan Ammann, aktueller Stuttgarter Ober-Vampir, gab seinen Tecklenburg-Einstand und war der erste Künstler des Abends, der die 2.300 Gäste für mehrere Minuten Standing Ovations von und aus den Sitzen riss, und zwar mit einer unglaublich intensiven Interpretation der „Unstillbaren Gier“. Gruft-Graf trifft Kaiserin, Klasse meets Klasse: Mit der „ToiFi“ (Totale Finsternis) aus dem Kult-Grusical  setzte er dann noch eins drauf, an der Seite und im Duett mit der  „Grand Dame“ und unumstrittenen „Kaiserin“ der europäischen Musical-Szene, „Ihrer Majestät“ Pia Douwes. Hätte es überhaupt noch irgendwelche Zweifel an ihrer High-End-Reputation gegeben, was aber sowieso nicht der Fall war und ist, in „Teck“ wären sie restlos beseitigt worden. Mal als Lady, mal als Vamp und Femme fatale mit viel Netzstrumpf-Bein machte sie eine überragende Figur, und das durchaus auch im wahrsten Sinne dieses Wortes. Sie ist, wie der Titel des gleichnamigen, zusammen mit Sascha Krebs vorgetragenen Queen-Songs: „A Kind of Magic“. Und etwas „Rebecca“ musste einfach sein.  Ab Dezember wird „die“ Douwes“ als „Mrs. Denvers“ in der deutschen Erstaufführung des Kunze/Levay-Hits in Stuttgart auf der Bühne stehen.

Nicht mehr zu toppen

Etwas Tempo aus dem Formel-1-Lauf heraus nahm Multitalent und Publikumsliebling Marc  Clear mit dem wunderschönen „You raise me up“, um in Folge, von Klaus Hillebrecht auf der Akustik-Gitarre begleitet, mit dem Leonard Cohen-Song „Hallelujah“, ein Highlight des Abends zu setzen. Dass es Zugaben hageln würde, selbst einige nicht geplante, war voraus zu sehen. Erst mit „Higher and Higher“ von Jackie Wilson ließ das Publikum die Akteure von der Bühne, ebenso erschöpft und begeistert wie dieses selbst.  Es war ein Abend, der keine Wünsche offen gelassen hatte. Einer, der kaum zu toppen ist.

© Text: Jürgen Heimann; Fotos: Heiner Schäffer

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