Musical Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär in Köln
Käpt'n Blaubär: Höhenflug auf dem Rücken von Karl Dall
»Dies ist die Geschichte meiner ersten 13 ½ Leben. Ich müsste lügen, und es ist ja bekannt, dass das nicht meiner Natur entspricht, wenn ich behaupten würde, meine ersten 13 ½ Leben wären ereignislos verlaufen. Aber fangen wir am Anfang an!« Diese einführenden Worte mit der Stimme des Schauspielers Wolfgang Völz läuten das neue Musical Abenteuer Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär ein, welches seine Weltpremiere am 26.10.06 in Köln feierte. Die aus dem Fernsehen so charakteristische Figur erhebt sich aus seinem bequemen Erzählsessel, nimmt seinen Puppenkopf ab, unter dem alternierend die Darsteller Sven Prüwer und Björn Klein stecken, und schmettert die fetzige Hymne »Auf nach Zamonien«. Und genau dorthin führt uns der episodenhaft gestaltete Lebenslauf des von Walter Moers erdachten blauen Bären.
Handlung des Musicals Die 13,5 Leben des Käpt'n Blaubär
Schon die Kindheit des blauen Wollknäuels verlief recht dramatisch, wurde das Blaubärbaby treibend in einer Nussschale von einer Bande Zwergpiraten vor dem Malmstrom gerettet. Doch der Heranwachsende wird bald zu groß für die winzigen Zwergpiraten und wird von ihnen auf einem Floß auf dem Ozean ausgesetzt. Bei den geschwätzigen Tratschwellen lernt er sprechen und hört erstmals von der Stadt Atlantis, in der er mehr von seiner Gattung zu finden hofft. Doch Holzwürmer bringen sein Floß zum kentern und der kurzsichtige Flugsaurier Mac rettet Blaubär in letzter Sekunde, was auch der Job eines Rettungssauriers ist. Mac setzt Blaubär in den Finsterbergen in der Nachtschule bei Prof. Dr. Abdul Nachtigaller ab, damit er zusammen mit Fredda der Berghutze, dem Schweinsbarbaren Groot und dem Gallertprinzen Qwert etwas lernt.
Stollentroll der Finsterberge
Die Abschlussprüfung findet im finsteren Labyrinth der Finsterberge statt, wo Blaubär auf den hinterlistigen Stollentroll trifft, der ihn in die Irre führt. Erst eine Überflutung spült unseren Helden aus den Finsterbergen in einen Wald, in dem er auf die Illusion einer Blaubärin trifft, die aber leider nur das Blendwerk einer Waldspinnenhexe ist. Als Rettung hilft schließlich nur ein beherzter Sprung in ein Dimensionsloch, das Blaubär in die Wüste schickt, in der die Gimpel auf der Suche nach der Stadt Amagrom Ataf sind, doch so eine Fata Morgana erreicht man ja bekanntlich nie.
U16: Nur eine schlechte Idee?
Ein ewiger Tornado befördert Käpt´n Blaubär direkt neben den abgelegten Kopf eines zamonischen Riesen, den er durch die Ohren durchqueren muss. Im Gehirn trifft er auf U16, der schlechten Idee, die den Riesen veranlasste, seinen Kopf abzulegen. Mit ihrer Hilfe kann Blaubär aber dem Wahnsinn entgehen, findet aus dem Kopf heraus und steht somit vor den Toren von Atlantis. Mit Hilfe von Chemluth Havanna und der Haifischmade Smeik erreicht er dort unglaublichen Ruhm als Lügengladiator, denn wer kann schon mit unglaubwürdigeren Lebensgeschichten auftrumpfen als Käpt´n Blaubär? Doch falsche Wettgeschäfte lassen Smeik schließlich Käpt´n Blaubär und seine Freunde auf das Sklavenschiff Moloch verbannen. Die Moloch wird vom mysteriösen Zamomin angetrieben und nur durch ein Gedankenduell mit Prof. Nachtigaller kann der Bann gebrochen werden. Danach treibt die Moloch schutzlos in den Malmstrom und nur eine ganze Truppe Rettungssaurier kann alle von dem sinkenden Gigantenschiff retten. Auf einer Insel erfährt Käpt´n Blaubär von den nur durch die Sklavenarbeit mit der Kohle geschwärzten Schwarzbären von seiner eigentlichen Herkunft und kann endlich seine Blaubärin in die Arme schließen.
Viel Fantasie legte Walter Moers in seinem Buch vor und Fantasie bewiesen auch Regisseur Zapo Schwalbe, Autor Heiko Wohlgemuth und Musiker Martin Lingnau bei der Umsetzung dieses komplexen Stoffes für die Musicalbühne. Zusammen mit Carsten Sommer, der schon für die Puppenentwürfe der Original Blaubär-TV-Serie verantwortlich war und den kreativen Kostümen von Martina Feldmann erschufen die Macher von matoArt die Welt von Zamonien mit einer ganz eigenen Art von Verkleidungen für die Darsteller, die immer noch deutlich sichtbar als Schauspieler agieren können. Käpt´n Blaubär ist einfach ein junger Typ in Latzhose und rotem Wollpulli mit blauen Haaren und fusselig-blauen Handschuhen, die sein Fell darstellen. Zu dem echten Blaubären wird er erst in der Fantasie der Zuschauer, was aber eigentlich schon nach den ersten Musiktakten wunderbar funktioniert, es sei denn, Sie sind ein verstockter Brummbär, dann werden Sie nicht so viel Spaß bei dieser Musicaladaption haben…
Bei vielen Szenen ist die Fantasie des Publikums gefragt, doch die netten, kleinen Einfälle mit denen auf der Bühne immer wieder großer Theaterzauber entsteht, sind einfach liebens- und häufig auch sehenswert. Sam Madwars Bühnenbild überzeugt durch digitale Rückprojektionen auf einer weißen Leinwand, die mal den reißenden Malstrom, eine gigantische Lügenarena in Atlantis oder den Flug auf dem Rettungsdrachen Mac über Zamonien lebendig werden lassen. Die Idee mit einem realen Drachenkopf, auf dem der Schauspieler sitzen kann, und dem digital eingespielten Körper im Hintergrund ist ja seit Glücksdrache Fuchur in der »unendlichen Geschichte« keine wirkliche Neuheit, doch in einem Theater vor Publikum hat man diesen Trick noch nicht gesehen. Mac wird zudem von Karl Dall gesprochen und gesungen (»Wir fliegen«).
Spätestens jetzt wird sich der Zuschauer fragen, woher eigentlich die Musik kommt, die perfekt abgemischt aus der Konserve erschallt und nur durch einen einzigen Trompeter einen individuellen Live-Touch bekommt. Die Schauspieler singen selbstverständlich trotzdem live und das gar nicht mal schlecht. Barbara Tartalia als Fredda kommt zwar bewusst bei »Blau muss mein Geliebter sein« eher kreischend daher, aber so sind Berghutzen halt. Viel harmonischer geht es da in Begleitung von Pamela Zottele bei den geschwätzigen Tratschwellen zu, deren »Am Anfang war das Wort« eben durch ihren Wortwitz zum Schmunzeln anregt. Ein weiteres komödiantisches Highlight ist der Stollentroll alias Nik Breidenbach, der mit seinem Tango »Vertrau auf mich« alle Register eines Komödianten ziehen darf.
Die Darsteller des Musicals
Björn Klein ist ein sympathischer Blaubär mit einer wunderbaren Stimme, die nicht nur in Kombination mit Jasmin Madwar im einzigen Liebesduett »Für Dich koch ich den Ozean ein« restlos überzeugen kann, sondern auch im Showstopper »Auf nach Zamonien«. Durch einen netten Gag hat Herr Klein während des finalen Lügenduells auch die Möglichkeit, in einer Reprise gleich alle Songs in einem 5 Minuten-Marathon noch einmal Revue passieren zu lassen. Wem das noch nicht genug Ohrwürmer sind, findet garantiert in der herrlichen Ballade »Ich bin nur eine schlechte Idee« von 16U Peggy Pollow ein wirkliches Highlight, das einem einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Endlich ist im mobilen Musical-Zelt Zamoniens auch die CD erhältlich, die die 22 netten Songs plus Bonustracks auch für das heimische Wohnzimmer zum Mitsingen parat hält – einen Bonustrack hat übrigens Dirk Bach, der schon das Hörbuch zu Moers Roman vertont hat, eingesungen und das ist natürlich die »schlechte Idee«.
Es ist nicht alles perfekt in dieser umso liebenswerteren Show für die man sich durchaus ein kindliches Gemüt bewahrt haben muss. Die Eintrittspreise für Köln liegen für ein Musical mit Playback-Musik auch mit bis zu 81 Euro relativ hoch, doch vielleicht ergattern sie sich eins der zahlreichen Aktionstickets (z.B. konnte man am 11.11.06 die Show auf allen Plätzen für 11 Euro genießen).
Die Veranstalter haben die Show nach bereits über 25.000 verkauften Karten bis Februar in Köln verlängert, bevor Käpt´n Blaubär nach Frankfurt, Hamburg, Berlin, München und Stuttgart weiterziehen wird.
Lesen Sie auch das große Interview mit Autor/Texter Heiko Wohlgemuth bei den Darsteller-Interviews!
© Text&Fotos by Stephan Drewianka, Musical-World.de; dieser Artikel ist ebenfalls in der Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe01/07, Januar-Februar 2007 erschienen