Musical Der Sturm in Bad Hersfeld
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Musical Der Sturm in Bad Hersfeld

Der Sturm: Shakespeares Inselcamp oder Ich bin ein Adliger, holt mich hier raus!

Nach dem zweijährigen Erfolg des Familienmusicals Das Dschungelbuch von Wolfgang Schmidtke (Musik) und Gerold Theobald (Texte) in Bad Hersfeld legt das Autorenteam mit der modernen Adaption des letzten Werkes von William Shakespeare Der Sturm auch 2013 ein Musical für Alt und Jung vor. Wer sich am Sonntag, dem 16.06.13, zur Musical-Premiere in der Stiftsruine in Bad Hersfeld einfand, wurde sogleich mit grellem Blitz und tosendem Donner empfangen und das, obwohl das Barometer eigentlich auf Schönwetter stand.

Die Handlung des Musicals Der Sturm von Shakespeare

Verantwortlich für den Sturm ist der Geist Ariel, der im Auftrag der Inselkönigin und Magierin Prospera ein Schiff zum kentern bringt. In Gruppen gelingt es der Besatzung, sich an Land zu retten. Und so irren Alonso, König von Neapel, mit seinem Sohn Sebastian, dem treuen Berater Gonzalo und der Herzogin Antonia von Mailand auf der Suche nach Alonsos ältestem Sohn und Thronerben Ferdinand auf der ungastlichen Insel umher. Doch Ferdinand ist quicklebendig und trifft auf Prosperas Tochter Miranda, die noch nie einen Mann gesehen hat und sich deshalb gleich mit etwas Hilfe von Ariel in Ferdinand verliebt. Eigentlich geht es Prospera um Rache, war es doch ihre machthungrige Schwester Antonia, die sie vor Jahren unter der Duldung Alonsos vertrieben und mit ihrer Tochter auf eben dieser Insel hat stranden lassen. Prospera bezwang die Hexe Zyporax, befreite den in einen Baum eingesperrten Luftgeist Ariel und versklavte den deformierten Hexensohn Kaliban zu niedersten Arbeiten.

Wahre Liebe überwindet eiskalte Rachepläne

Mit den Jahren vervollkommnete Prospera ihr Talent für Wissenschaft und Zauberei mit Hilfe magischer Literatur und den Fähigkeiten ihrer Helfer, die sich jedoch immer stärker nach Freiheit sehnen. Prospera verspricht Ariel die Freiheit, wenn sie ihre Rachepläne in die Tat umsetzt. Ariel lässt Gonzalo und Alonso in Tiefschlaf versinken, um die Pläne der intriganten Schwester Antonia aufzudecken, die Sebastian zu einem Königs- und Vatermörder machen möchte. Rechtzeitig vor dem mörderischen Attentat erweckt Ariel die Schlafenden, doch Alonso fühlt sich schuldig am vermeintlichen Tod seinen Sohnes Ferdinand, dass er jede Gelegenheit zum Selbstmord nutzen will, von dem ihn Gonzalo nur mit Mühe und Not abhalten kann. Zufrieden mit diesen ersten Resultaten wendet sich Prospera wieder Ferdinand zu und verlangt als Beweis seiner Liebe zu Miranda das Aufsammeln des gesamten Treibholzes des Inselstrandes als unlösbare Sisyphusarbeit. Doch Ferdinand fügt sich in die Aufgabe und Prospera erkennt dessen wahre Liebe zu Miranda.

In der Zwischenzeit treffen zwei weitere Überlebende des Schiffbruchs, die Matrosen Trinculo und Stephano, auf den Sklaven Kaliban. Nach dem Genuss eines guten Tropfens Wein wird Kaliban redselig, verehrt den Besitzer der Weinkiste Stephano als Gott und verspricht ihm, dass er König der Insel werden kann, wenn er seine Herrin Prospera tötet. Ariel lenkt die Mordgedanken der betrunkenen Matrosen geschickt mit teuren Geschenken ab, und Kaliban bleibt allein zurück. Prospera erkennt, dass sie der Rache langsam müde wird. Sie erkennt das Gute in Ferdinands Liebe zu Miranda, gestattet deren Heirat und möchte sich mit ihren Feinden aussöhnen. Bevor Alonso sich von einer Klippe stürzen kann, sorgt sie mit Ariels Hilfe für eine Familienzusammenführung und die Matrosen erkennen ihren König und ihren Stand als Diener. Sogar Antonia gibt sich geschlagen, als sie ihre totgeglaubte Schwester wiedersieht. Prospera schwört ihren magischen Kräften ab und entlässt Ariel aus ihren Diensten. Doch noch muss sie die Prüfung durch Kaliban bestehen, der sich mit einem Stein bewaffnet, auf die ehemalige Inselherrscherin stürzen will.

Musical Der Sturm in Bad Hersfeld: Anspruchsvolle Familienunterhaltung

In einem gelungenen Mix aus anspruchsvollem Schauspiel und 22 flotten Musiknummern gelingt es den hervorragend besetzten Musical-Darstellern, die doch recht komplexe Handlung um Rache und Vergebung an den Zuschauer heranzutragen. Wer nicht vorher bei Shakespeare nachgeschlagen hat und völlig unvorbereitet die Musicalfassung von Der Sturm erlebt, wird zu Beginn mit der verwirrenden Personenkonstellation etwas überfordert sein und sich nur mühsam in die Handlung hineinversetzten können. Die Bezeichnung „Familienmusical für Menschen ab 6 Jahren“ erscheint mir dann doch etwas zu optimistisch zu sein, denn der Zuschauer muss schon etwas investieren, um unter der Oberfläche einiger kindgerechter Gags, wenn z.B. Prospera mit Harry Potter Zaubersprüchen Ferdinand entwaffnet, den philosophischen Hintergrund des Stückes in den eingestreuten Originalzitaten aus Shakespeares Werk zu finden. Trotzdem ist Der Sturm in der Regie von Janusz Kica eine Reise nach Bad Hersfeld wert.

Brillante Leistung von Maaike Schuurmans als Prospera

Maaike Schuurmans brilliert als weibliche Version von Shakespeares Original-Prospero. Wenn sie musikalisch in ihre Vergangenheit zurückblickt (‚Mailand wird frei‘), reumütig in ein ‚Gebet‘ versinkt, ihrer Tochter Miranda den ‚Hochzeitssegen‘ gibt, ihre ‚Absage an die Zauberei‘ zelebriert oder gar im ‚Epilog‘ die Perücke vom Kopf nimmt und wie bei Hamlet ihre eigene Sein oder Nichtsein-Frage stellt, zieht Frau Schuurmans jeden Zuschauer tatsächlich in einen magischen Bann. Diese Titel von Gerold Theobald und Wolfgang Schmiedtke stellen musikalisch keine Ohrwürmer dar, sondern dienen als Träger der eigentlichen Aussage des Musicals. Flotter und schmissiger darf die siebenköpfige Band unter der musikalischen Leitung des Komponisten Wolfgang Schmiedtke bei den anderen Musiknummern aufspielen, die einen Bogen von harmonischem a-capella Gesang (‚Wir sind da‘) über ruhiges ‚Schlaflied‘, poppigem Rock (‚Sie spuckte auf die Bibel‘), grölendem Schunkelschlager (‚Blau‘), romantischer Liebesballade (‚Du und ich‘) und rhythmischen Musicalsongs (‚Glühendheiße Sonnenstrahlen‘, ‚Hexen sind vogelfrei‘) spannen.

Weitere Darsteller des Musicals Der Sturm in Bad Hersfeld

Als klare Engelsstimme erweist sich dabei die Leistung von Luftgeist Ariel, die von der bezaubernden Patrizia Margagliotta verkörpert wird. Ebenfalls eine gesangliche Glanzleistung liefert Julia Hell als verliebte Miranda ab, während ihr Partner Fabian Baumgarten als Ferdinand gesanglich zwar etwas abfällt, schauspielerisch und geradezu akrobatisch-komödiantisch dies aber mehr als ausgleicht. Gleiches gilt für Stephan Ullrich, der einen herrlich schrägen Kaliban abliefert. „Stephano“ Livio Cecini und „Trinculo“ Thomas Gimbel als Stan Laurel und Oliver Hardy Komiker-Pärchen kommen bei Alt- und Jung gleichermaßen an und sorgen für so manche Lachfalten im Publikum. Daniel Dimitrow als treuer Hofdiener Gonzalo darf bei ‚Mein Staat‘ von einer klassenfreien Gesellschaft träumen und verkörpert das Gewissen der Gestrandeten. Jörg Reimers als selbstmordgefährdeter Alonso, Marie Therese Futterknecht als Erzbösewicht Antonia und Lars Weström als unbeachteter Zweitgeborener Sebastian komplettieren die Hauptdarstellerriege, die durch einen melodischen Chor der Inselgeister aus der Statisterie abgerundet wird.

Bühne und Kostüme des Musicals Der Sturm

Die Bühne des Musicals Der Sturm von Petra Wilke kommt mit wenigen Requisiten aus: Eine imposante Wand aus Pappkartons symbolisiert zunächst das sinkende Schiff, als diese zusammenbricht. Die verstreuten Kartons sind danach Wellen und Felsen. Vier Kugeln unterschiedlicher Größe stehen für das Weltall und das wissenschaftliche Labor der Magierin Prospera, und den hungrigen und durstigen Gestrandeten wird eine Essenstafel von den Inselgeistern vorgegaukelt. Präsenter sind da die modernen Kostüme von Christine Haller. Das Weiß der Inselgeister trifft auf die naturgebunden-grünen Kleider von Prospera und Miranda, während sich Kaliban in erdfarbenes Leder hüllt und die Matrosen in gestreiftem T-Shirt bzw. wasserfester Hose mit Gummistiefeln auftreten. Der Hochadel trägt Royal-Blau mit Gold, der König statt Krone eine geraffte Halskrause. Da fast alle Vorstellungen des Familienmusicals in der Stiftsruine am Vormittag bei Tageslicht gespielt werden, wurde auf eine stimmungsvolle Beleuchtung verzichtet.

Fazit: Auch wenn die Spannungskurve in der zweiten Hälfte des Stücks etwas einbricht bietet das Musical Der Sturm einem Shakespeare aufgeschlossenem Publikum mit Vorkenntnissen in der klassischen Literatur rund 120 Minuten beste Musical-Unterhaltung. Der Anspruch eines Familienmusicals ab 6 Jahren kann zwar nicht wirklich eingehalten werden und echte Shakespeare-Veteranen werden sicherlich nur die klassische Variante sehen wollen. Musicalfans hingegen können die Reise auf Prosperas Racheinsel aber getrost buchen und darauf hoffen, dass nur die Windmaschine und die Soundanlage für stürmische Zeiten in der Stiftsruine in Bad Hersfeld sorgt.

© by Stephan Drewianka, Musical-World.de