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68. Festspiele Bad Hersfeld: 2018 stehen die Musicals "Hair" und "Titanic" auf dem Programm
Let the sunshine in! Bekiffte Hippies beschwören in der Bad Hersfelder Stiftsruine das Wassermannzeitalter
In der abgelaufenen Spielsaison war hier noch ein kapitaler Premiumdampfer gegen einen Eisberg geknallt. Was er 2018 übrigens wieder tut. Während die Upperclass, die "HAIR-Society", dann auf dem Luxusdeck der Titanic Schampus schlürft, schütteln drogenberauschte Langhaarige zeitversetzt an gleicher Stelle ihre wilden Mähnen, wettern gegen den Vietnam-Krieg und drehen dem Establishment eine Nase. Um es sich bei Wein, Weib, Sex und Gesang richtig gut gehen zu lassen. Der ein oder andere Joint macht da natürlich auch immer mal wieder die Runde. Und das, "HAIR Gott noch mal", auch noch in einer Kirche! Gut, es war mal eine. Let the sunshine in!
Mit "HAIR" haben die Bad Hersfelder Festspiele einen schier unverwüstlichen Musical-Klassiker auf den neuen 2018er Spielplan gesetzt und lassen die Blumenkinder das Wassermann-Zeitalter heraufbeschwören. Genau ein halbes Jahrhundert, nachdem dieses als "Meilenstein der Popkultur" gefeierte grell- und quietschbunte Hippie-Spektakel im knapp fünf Autostunden entfernten München seine skandalumwitterte deutsche Erstaufführung erlebte. Das ist ja jetzt auch schon „verdamp‘ lang Hair“.
HAIRschaftszeiten! Als der Staatsanwalt kam
Seitdem wurde das bereits 1967 am Off-Broadway uraufgeführte "American Tribal Love-Rock-Musical" weltweit unzählige Male inszeniert - und hat ein MillionenHAIR an Zuschauern und -hörern begeistert. Und vermag es immer noch. In Germanien-Land war dieser auch als Rock-Kabarett daherkommende "Haarlight-Express" noch vor "Jesus Christ Superstar" das erfolgreichste Stück seiner Art und seiner Zeit. Und es zieht nach wie vor. Hängt dem Publikum noch längst nicht zum Halse "HAIRaus". HAIRschaftszeiten! Auch wenn sich der Spießer von heute kaum mehr drüber echauffieren mag und der Staatsanwalt, anders als damals, kaum mehr Handlungsbedarf sieht. Aus dem „spekta-cool-Hairen "Aufreger von einst ist längst Kult geworden, gewürzt mit etwas Nostalgie und wohligen Erinnerungen an eine "Hair-rliche", aufrührerische und wilde Epoche.
There’s something in the HAIR
Erfolgsregisseur Gil Mehmert will das "HAIR-vorragende" Sujet in der Stiftsruine mit viel "HAIRrzblut"in Szene setzen. Premiere ist am 3. August. There's something in the HAIR! Melissa King nimmt die "HAIRausforderung" an und bringt den aufmüpfigen Love-&-Peace-Aktivisten das Tanzen bei. Christoph Wohlleben zeichnet für die adäquate Umsetzung der nicht weniger als 30 Songs beinhaltenden Partitur verantwortlich. Eine "HAIRkulesaufgabe". Die Musik hatte ein ehemaliger Organist und Kirchenmusiker einst zu Papier gebracht, angeblich innerhalb von nur drei Wochen.(Andrew Lloyd "WebHAIR") braucht für so etwas deutlich länger). Und "nachHair" hatte Galt MacDermot immer noch genügend Stoff übrig, um daraus eine weitere Veröffentlichung zu generieren. Die kam unter dem Titel „DisinHAIRited“ heraus.
Eine HAIRfolgsstory: Wenn der Wassermann tanzt
Das offizielle Hauptwerk beinhaltet viele Hits, die die Charts rauf und runter stürmten: "Aquarius/ Let the sunshine in", „Donna“, „Easy tob e hard““ oder "Good morning, starshine" beispielsweise. Einfach und eingängige Ohrwürmer, die durch die besondere Art der Harmonisierung und Rhythmisierung zur "HAIRfolgsstory" wurden. Eine Scheibe vom Kuchen schnitten sich weiland auch die "5th Dimension" ab. Die Pop-Band landete mit dem Wassermannsong einen Millionenseller. In Hersfeld wird das Ganze natürlich in Deutsch gezeigt.
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Auch die Titanic sticht wieder in See
19 Aufführungen davon stehen für 2018 auf dem Hersfelder Spielplan. "Titanic", das Zweitstück, hat chronologisch Vorfahrt und läuft "vorHair" vom Stapel. Der dem Untergang geweihte und von Kapitän E.J. Smith kommandierte Pott hatte bereits im vergangenen Jahr an gleicher Stelle die Wellen des Atlantiks durchpflügt. "My Hair Lady" war damals die Sekundär-Inszenierung gewesen. In Wiederaufnahme sticht der Kahn am 15. Juli erneut in See und geht in Folge zwölfmal unter. Southampton, wo die tragische Reise beginnt, liegt dann wieder vorübergehend in Osthessen.
Die Musical-Sparte ist jetzt nicht die einzige Säule, auf der sich der Ruhm der Hersfelder stützt. Aber es ist die erfolgreichste. Der Sparte Schauspiel misst Intendant Dieter Wedel, der hier seit 2015 das Sagen hat, aber mindestens genau so viel Bedeutung bei. Das taten auch seine Vorgänger schon.
100.000 Besucher kamen in der Saison 2017
Dieser Genre-Mix ist es, der den Publikumserfolg der Festspiele ausmacht. Mehr als 100.000 Besucher kamen in der Saison 2017. Die Auslastung der Produktionen war entweder total oder lag am oberen Ende der 90-Prozent-Marke. Der "Chefe" folgert daraus, dass "wir noch einmal an Bedeutung und überregionaler Wahrnehmung gewonnen und erneut einen kräftigen Sprung nach oben gemacht haben". Er selbst inszeniert in der 68. Spielzeit "Das Karlos-Komplott" nach Schiller. "Don Karlos", das Original, hatte sich der olle Friedrich zwar bereits 1787 aus den Rippen geleiert, aber es weist viele frappierende Parallelen zur Neuzeit auf, die Wedel in seiner aktuellen Fassung noch stärker herausarbeiten möchte. Es geht um aufkeimenden Nationalismus, brutale Unterdrückungsmethoden und totale Überwachung. Kommt einem irgendwie bekannt vor.
Lieber Shakespeare als Weizenbier
Das zweite Schauspielstück des Sommers 2018 ist eine Bühnenfassung des mit sieben Oscars überhäuften Kinofilms "Shakespeare in Love" als deutsche Erstaufführung. Lee Hall serviert damit ein "Märchen für Erwachsene, eine Erzählung über die mitreißende Kraft des Geschichtenerzählens", wie es heißt. Diese hinreißende romantische Komödie sei nicht nur für ausgewiesene Shakespeare-Kenner ein Vergnügen. Schaun' 'mer mal.Premiere ist am 20. Juli.
Eine der schönsten Spielstätten Europas
Die Bad Hersfelder Stiftsruine zählt ob ihrer Architektur und ihrer Geschichte zu den beeindruckendsten Spielstätten in Deutschland - und Europa. Der imposante Bau gilt als größte romanische Kirchenruine weltweit und war 1761 während des Siebenjährigen Kriegs von den Franzosen zerstört worden. Anfang des 19. Jahrhunderts begannen erste Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Die Bemühungen haben sich gelohnt, wie heute ersichtlich ist.
Große Namen, beindruckende Inszenierungen
Seit 1951 wird die Liegenschaft als Spielort der Festspiele genutzt. In den vergangenen Jahren hat das Publikum hier viele große und ideenreich inszenierte Musical-Hits erleben dürfen. Die Spanne reichte von Evita und Jekyll & Hyde über die West Side Story, Jesus Christ Superstar und Cabaret bis hin zu Evita und Les Misérables. Kein Musical-Künstler von Rang und Namen, der hier nicht schon auf der Bühne gestanden hat. Neben den Freilichtspielen in Tecklenburg ist Bad Hersfeld deutschlandweit die bedeutendste Open-Air-Spielstätte für Musicals. Ein ausfahrbares 1400 Quadratmeter großes Zeltdach schützt die Besucher nahezu "rund-Hair-rum" vor meteorologischen Unwägbarkeiten. 1.325 Zuschauer finden hier Platz.
© Jürgen Heimann, Fotos Titanic 2017: Stephan Drewianka
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Hersfelder Festspiele 2010 mit einer Neuauflage der West Side-Story und der Welturaufführung Carmen
Intendant Holk Freytag gibt Einstand in Bad Hersfeld
Die „Sharks“ und die „Jets“ werden sich auch im kommenden Jahr in der Bad Hersfelder Stiftsruine beharken. Nach dem Publikumserfolg in der abgelaufenen Saison 2008 – alle Shows des Musicals West Side Story waren ausverkauft – soll Leonard Bernsteins Geniestreich für zwölf weitere Vorstellungen auf die Freilichtbühne zurückkehren. Das hat der neue Intendant Ende August angekündigt. Holk Freytag erntet damit ein klein wenig von der Saat seiner Vorgängerin Elke Hesse, die die Mutter aller Musicals als Abschiedgeschenk nach Osthessen gebracht hatte und der damit ein glänzender Ausstand geglückt war.
Doch der Neue möchte sich nicht nur mit fremden Federn schmücken. Eine Welturaufführung muss zum Beginn seiner zunächst auf vier Jahre ausgelegten Amtszeit schon her. Der gebürtige Tübinger, der zuletzt am Staatsschauspiel in Dresden als Intendant verantwortlich zeichnete, zieht mit einer eigens für die Stiftsruine geschriebenen Musical-Fassung des Eifersuchtsdramas Carmen – Ein deutsches Musical in die 60. Festspielsaison. Das ist mutig, denn das Werk ist unbekannt. Interessenten, die jetzt Tickets ordern , kaufen also die Katze im Sack – und wissen nicht so genau, was da musikalisch auf sie zukommt. Das könnte die Lust, auf Verdacht Billetts zu erwerben, bremsen – muss aber nicht.
Carmen basiert auf der literarischen Vorlage von Prosper Merimee und der gleichnamigen Bizet-Oper, soll aber in der Hersfelder Fassung einen eigenen Werkcharakter erhalten. Buch und Songtexte stammen von der Schriftstellerin Judith Kuckart („Wahl der Waffen“), die den zeitlosen Stoff kurzerhand ins Nachkriegsdeutschland verlegt hat. Wolfgang Schmidtke steuerte die Musik bei. Die Partitur soll als Mix aus Musical-, Jazz- und Popklängen daher kommen. Mit der Regieführung haben die Osthessen den Schweizer Stefan Huber betraut, für die Choreografie zeichnet Banny Costello verantwortlich.
Die Bad Hersfelder Festspiele haben in der abgelaufenen Saison wiederum ein Defizit eingefahren. Es belief sich diesmal auf rund 150.000 Euro. 2000 Karten weniger als kalkuliert waren verkauft worden. Knapp 70 .000 Besucher hatten sich von den insgesamt drei Haupt- Inszenierungen (West Side Story, „Odyssee“ und dem „Käthchen von Heilbronn“) sowie den beiden Nebenaufführungen anlocken lassen. Mit der West Side Story fuhren die Veranstalter dabei noch am besten. Sie kam auf eine Auslastung von 99,9 Prozent.
Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Festspiele diese Karte erneut ziehen und auf eine Wiederholung des Stücks setzen – möglichst in identischer personeller Konstellation wie dieses Jahr. Andererseits hat sich aber auch die Konkurrenz im Münsterland, die Tecklenburger Freilichtspiele, die Aufführungsrechte daran für nächstes Jahr gesichert. Das könnte den Osthessen schon abträglich sein. Denn: Der gemeine Musical-Normal-Verbraucher liebt ja eher auch die Abwechslung und den Vergleich. Vor die Entscheidung gestellt, sich zweimal hintereinander die gleiche Inszenierung anzuschauen oder zu erfahren, was andere aus der selben Vorlage machen, dürfte der Fall für ihn klar sein. So könnte Tecklenburg indirekt von der großartigen Vorjahres-Inszenierung in der Stiftsruine profitieren. Davon abgesehen werden die Theatermacher an Deutschlands Sommer-Broadway natürlich ihr eigenes Ding durchziehen, eigene Akzente setzen und eine ganz andere (West Side) Story erzählen. Spannend wird das allemal – von der Besetzung einmal ganz abgesehen.
Trotz des unbefriedigenden Ergebnisses wollen die Hersfelder Festspiel-Verantwortlichen in der neuen Saison 2010 noch einen Zahn zulegen. Das Budget wird um 600.000 Euro auf fünf Millionen aufgestockt, die Spielzeit um eine auf acht Wochen ausgedehnt. Auf der anderen Seite werden aber auch die Preise angehoben. Bei den Musical-Produktionen macht das 2,50 Euro mehr pro Karte aus als bisher. Damit liegen die Hessen in Relation zu anderen großen deutschen Freilichtbühnen deutlich im oberen Preissegment.
© Jürgen Heimann
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