La Cage Aux Folles - Ein Käfig voller Narren - Musical im Musiktheater Gelsenkirchen
Musical La Cage Aux Folles in Gelsenkirchen: Zu wenig Glanz, dafür ein Schuss Gloria
Der Siegeszug eines ganzen Käfigs voller Narren begann mit der französischen Komödie La Cage Aux Folles von Jean Poiret, die 1973 in Paris uraufgeführt wurde. 1978 zog die schwüle Story um einen Travestie-Club in St. Tropez in der französisch-italienischen Co-Produktion mit Michel Serrault und Ugo Tognazzi die Zuschauer scharenweise in die Kinos, so dass 1980 und 1985 gleich zwei Fortsetzungen produziert wurden. Jüngere Leser kennen den Stoff von La Cage aux Folles meist vom amerikanischen Remake des französischen Originals von 1996 unter dem Titel Birdcage – Ein Paradies für schrille Vögel mit Robin Williams, Gene Hackman und Nathan Lane. Zwar wurde in den Kinoversionen auf der Bühne so manches Männerbein in Netzstrümpfen keck geschwungen und der ein oder andere Song dahin geträllert, von einem echten Musical waren diese Adaptionen jedoch noch meilenweit entfernt. Harvey Fierstein (Buch) und Jerry Herman (Musik und Songtexte) arbeiteten den tülligen Stoff für die Musicalbühne um. Am 21.08.1983 feierte das Musical mit dem Showstopper »I Am What I Am« im New Yorker Palace Theatre seine Broadwaypremiere und heimste ein Jahr später 6 Tonys (Bestes Musical, Darsteller, Buch, Regie, Musik und Kostüme) ein. In Berlin feierte Ein Käfig voller Narren am 19.10.1985 am Theater des Westens seine Deutschlandpremiere und ist seitdem ein gerngesehener Gast in vielen Stadttheatern.
Inhalt und Handlung des Musicals La Cage aux Folles - Ein Käfig voller Narren
Seit dem 22.11.2008 erlebt man auch im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier wieder das Theater im Theater. Gleich zu Beginn des Musicals wird der Besucher willkommen geheißen im exklusiven Club in St. Tropez, wo der Mindestverzehr 20 Euro beträgt und das Aschen auf den Fußboden nicht gern gesehen wird. Die illustren Herren Damen stellen sich vor: Von Kaiserin Sissi (augenzwinkernd mit dem Kostüm aus dem Musical-Hit Elisabeth – das gab es zwar bereits in früheren Inszenierungen, kam aber dennoch sehr gut an), über die steppende Liza Pirelli und die vollschlanke Mercedes, die jeder Carmen das fürchten lehren könnte, bis hin zur dominanten Hannah aus Hamburg, die gern mit der Peitsche knallt, sind alle Facetten weiblicher Verführungskunst vertreten. Schnell wendet sich das Geschehen vom Rampenlicht auf den Blick hinter die Kulissen, wo es nicht halb so schillernd zugeht wie auf der Bühne. Nur mit Mühe und Not schafft es Clubbesitzer George seinen Partner Albin in der Rolle der – mittlerweile etwas angestaubten – Showdiva Zaza auf die Bühne zu bringen. Zwischen Albin und George kriselt es in letzter Zeit sowieso schon etwas. Nicht nur vermutet Albin einen jüngeren Rivalen zu haben, da er selbst nicht mehr ganz so knackig ist, sondern der Fehltritt von Georges früheren pubertären Experimenten in Gestalt seines erwachsenen Sohnes Jean-Michel platzt mit einer Überraschung ins Haus: Er will heiraten! Und zwar leider ein Mädchen aus bestem diplomatischen Hause. Vater der Braut Edward Dindon ist als Moralapostel bekannt und möchte seinen politischen Einfluss nutzen, um verruchte Häuser wie das La Cage Aux Folles endgültig schließen zu lassen. Aber natürlich wollen die Eltern der Braut gerne die Eltern des Bräutigams kennenlernen. Das Haus muss heterosexuell hergerichtet werden und der tuntige Albin verschwinden, was ihn bis ins Mark kränkt. Doch Albin will seinen Stiefsohn nicht allein lassen und hat seinen großen Auftritt als Jean-Michels verschollen geglaubte Mutter. Dass es bei dem gemeinsamen Abendessen turbulent zugeht und schließlich in einer beinahe Katastrophe endet, als sich Albin bei einem Auftritt im Restaurant enttarnt, ist eigentlich unvermeidlich. Die Ehre der Familie Dindon, die sich unvermittelt in einem Travestie-Lokal befindet, vor dem die sensationsgierigen Reporter lauern, muss gerettet werden. Mit einer kleinen Erpressung von Albin gelingt dies und so wendet sich am Ende doch noch alles zum Guten…
Umsetzung Musical La Cage aux Folles im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen
25 Jahre nach der Uraufführung am Broadway sind Männer in Frauenkleidern auf der Bühne keine Sensation mehr. Auch sich liebende Männer verursachen spätestens seit dem Film Brokeback Mountain keinen Skandal mehr unter den Theaterbesuchern. Was auch im Jahr 2008 geblieben ist, sind die Konflikte, die Kinder mit ihren schwulen Vätern oder lesbischen Müttern haben. Doch diesem Aspekt zollt Peter Hailer in seiner Inszenierung des Musicals La cage Aux Folles in Gelsenkirchen leider nicht genügend Aufmerksamkeit. Auch hier steht, wie in vielen anderen Inszenierungen, immer noch die vermeintliche Sensation der Männer in Frauenkleidern im Vordergrund. Warum der heterosexuelle Spross von George unbedingt einen rosa Anzug tragen muss, bleibt wohl das Geheimnis von Andeas Meyer, dessen weitere Kostüme aber durchweg gelungen sind. Da ist das Verhältnis zwischen George (Joachim G. Maass) und Albin (William Saetre) schon wesentlich überzeugender gelungen. Gerade in den ruhigeren Passagen überzeugt das Spiel der beiden Hauptdarsteller als völlig normales Paar mit den alltäglichen kleinen und großen Krisen. William Saetre ist herrlich zickig und steckt wirklich tief in der Midlife-Krise, wenn er sich vor dem Spiegel in die mondäne Zaza verwandeln will. Doch wie er es selbst im Spiegel erkennt, so ganz gelingt ihm die Umwandlung vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan dann doch nicht – zumindest ich sah am Premierenabend statt einer glamourösen Dame immer noch den etwas pummeligen Mann hinter der Fassade aus Rouge und Make-Up. Zudem war Saetre beim Song »Ich bin, wie ich bin« in seiner Stimmlage etwas überfordert, was dem leichten Gänsehaut-Feeling, das diese Nummer irgendwie immer begleitet, aber nur einen kleinen Dämpfer versetzte. Was hier an Glamour fehlte, ersetzte Richetta Manager später als Nachtklub-Besitzerin Jaqueline mit dem Song von Gloria Gaynor »I Will Survive«. Auch wenn dieses Lied thematisch passt wie die Faust aufs Auge, ins Musical gehört es definitiv nicht (was die Gelsenkirchener aber noch nie wirklich störte, denn hier hört man gerne in jedem Musical zumindest einen Song, der eigentlich nicht dazu gehört)! Trotzdem erntete dieser Fremdkörper beim Publikum (zumindest wegen der Interpretation) seinen verdienten enthusiastischen Zwischenapplaus.
Bernhard Stengel als musikalischer Leiter sorgte dafür, dass die restlichen Songs von Jerry Herman, routiniert und ordentlich aus dem Orchestergraben erschallten, wenn ihnen auch ein Quäntchen mehr Esprit gut getan hätte. Esprit fehlte zumindest dem männlichen Ensemble nicht, das sich sichtlich wohl in den verschiedenen Kleidern fühlte und unter der schmissigen Choreografie von James De Groot und Paul Kribbe beachtliches Stehvermögen in hochhackigen Schuhen zeigte. Nur leider fehlte es auf der Bühne des La Cage an sämtlichem Samt und Plüsch, den man allen Vorurteilen zum Trotz auf solch einer Bühne erwarten darf. Doch das Bühnenbild von Dirk Becker glänzte gerade in diesen Szenen mit ungewohnter Schlichtheit und geradezu gähnender Leere (die jedoch die prächtigen Kostüme besser betonte). Nett hingegen der fliegende Wechsel von der Bühnenfront zum Backstage-Blick hinter die Kulissen: hier sorgte ein zweiter Vorhang mit Leuchtschrift in Spiegelschrift für einen verblüffend einfachen sowie pfiffig-flotten Wechsel. Ein Reinfall war dann jedoch wieder die geschmackvolle, aber viel zu biedere Wohnung von Albin und George, die Sohn Jean-Michel völlig unnötig entschwulen wollte.
Fazit: In Gelsenkirchen liegen bei der Umsetzung des Musicals La Cage aux Folles, Ein Käfig voller Narren, die Licht- und Schattenseiten der Inszenierung eng beieinander. Vielleicht ist dem MIR mit diesem Musical nicht der ganz große Wurf gelungen, wenn sie jedoch nicht mit vielen anderen Versionen dieses Stücks vergleichen können, werden Sie sicherlich zu Recht trotzdem Ihren Spaß haben, nicht zuletzt durch das engagierte Spiel des motivierten Ensembles. Genießen Sie einfach auch diesen Käfig voller Narren!
© Stephan Drewianka, Musical-World.de; Fotos: Bühne (13) von Pedro Malinowski; Schlussapplaus (6) von Stephan Drewianka, Musical-World.de