Sie befinden sich hier: Theater / Tournee / Konzerte / Sommerspecials / Tecklenburg / Pfingstgala 2006
Theater
Anzeige


Pfingst-Gala 2006 in Tecklenburg: Heißhunger auf die neue Spielsaison geweckt

Sieben Top-Künstler ließen kühle Temperaturen vergessen

Wenn dem wirklich so sein sollte, dass die Pfingst -Gala, die traditionell am Beginn der neuen Tecklenburger Saison steht, eine wie auch immer definierte Erwartungshaltung auf den folgenden Spielsommer rechtfertigt, dann, ja dann darf das Publikum gespannt der Dinge harren, die da kommen werden. Alles wird gut!!! Mit großem künstlerischen Personaleinsatz hat Deutschlands größter Freilichtbühne ihre Gäste an diesem denkwürdigen Montag verwöhnt und auf die Spielzeit 2006 eingestimmt. Es war ein Auftakt nach Maß, der, ganz wie geplant, Appetit, wenn nicht sogar Heißhunger auf Mehr weckte.

Annähernd drei Stunden langte eine exquisite und blendend aufgelegte Riege exponierter Musical-Protagonisten trick- und erfindungsreich in die Zauberkiste und spann einen sowohl hörens-, als auch sehenswerten Bogen, der die ach so facettenreiche Welt des Genres repräsentativ widerspiegelte. Dem Motto der Veranstaltung  („Musical meets Pop“) entsprechend, servierten die Akteure einen prickelnden Song-Mix aus diesen (und anderen) Sparten und ließen die kühlen Temperaturen schnell vergessen. Beschränkte sich die Auswahl im ersten Teil der Veranstaltung auf Titel aus dem Bereich des  klassischen und modernen Musiktheaters (Les Misérables, Phantom, The Wiz, Tanz der Vampire, Elisabeth, The Wild Party, König der Löwen u.a.), kamen nach der Halbzeit die Pop- und Rock-Fans auf ihre Kosten, wobei sich das Spektrum von Elton John, über Meat Loaf, Nena, die Beatles, die Bee Gees, Bonnie Tyler bis hin zu den Pointer Sisters , den Wise Guys und Bon Jovi reichte. Eine recht unkonventionelle und eigenwillige Mischung. Aber es funktionierte bestens.

Die Überraschung des Tages: Willemijn Verkaik

Was die Zusammensetzung der Cast anbelangte, war die in diesem Jahr ziemlich We-will-rock-you-lastig, was sich aber nicht unbedingt in der Tracklists niederschlug. Mit Vera Bolten, Sascha Krebs, Michael Eisenburger und Willemijn Verkaik waren gleich vier Vertreter der Kölner Erfolgsinszenierung am Start. Den Namen letzterer sollte man sich unbedingt merken. Die temperamentvolle und volkalstarke Niederländerin, den Veranstaltern von ihrem Kollegen Krebs wärmstens empfohlen, entpuppte sich als die große Überraschung des Tages. Eine mit viel Ausstrahlung und einer unglaublichen Stimme gesegnete Powerfrau, die ihren Zenit mit Sicherheit noch nicht erreicht hat und der nicht wenige noch eine große Karriere voraus sagen.

Krögers toller Einstand

Uwe Kröger, Deutschlands bekanntester Musical-Titan, feierte einen furiosen Einstand in Tecklenburg. Viele der über 2000 Besucher mochten vielleicht gerade wegen ihm gekommen sein. Und der Mann enttäuschte seine Anhänger (natürlich) nicht. Um „Der letzte Tanz“ und „Die Musik der Nacht“ kam der Stargast natürlich nicht herum, um dann nach der Pause  u.a. mit „Unchained Melody“ von den Righteous Brothers ganz andere Saiten aufzuziehen. Trotz alledem:  Es gehörte noch nie zur Politik der Freilichtbühne, immer und ausschließlich nur auf die ganz großen Namen zu setzen. Warum auch? Es gibt so viele hervorragende  und begnadete Talente im bundesdeutschen Musical-Business, dass es einfach eine Schande wäre, diesen Fundus nicht an zu zapfen. Das tun die Tecklenburger seit Jahren – und sind immer gut dabei gefahren. Oft genug entpuppen sich nämlich gerade Künstler aus der vermeintlich „zweiten Reihe“ (was jetzt nicht abwertend gemeint ist), als echte Überflieger.

Der Überflieger: Michael Eisenburger

Michael Eisenburger beispielsweise ist so ein „Geheimtipp“. Wer den quirligen  Temperamentbolzen schon mal als „Gallileo“ im Kölner Queen-Opus erleben durfte, weiß wovon die Rede ist. In Tecklenburg hat der Rocktenor aus Essen bei den letztjährigen Produktionen „Camelot“ und „Hair“ schon jede Menge Pluspunkte sammeln können. Bei der weltweit ersten Freilicht-Inszenierung von „Les Misérables“, die hier am 24. Juni Premiere feiert, übernimmt er den Part des Enjorlas.

Murray und Bolten gefeiert

Für dieses mit Spannung erwartete Ereignis die Werbetrommel zu rühren, war denn auch ein gerne genutzter Nebeneffekt der Pfingst-Gala. Nicht von ungefähr hatten die Verantwortlichen mit Chris Murray (Valjean) und Vera Bolten (Eponine) zwei weitere Hauptdarsteller mit einschlägiger Les-Mis-Vergangenheit hinzu gebeten. Eine weise Entscheidung. Chris Murray zeigte den Zuhörern mit „Bring him home“ schon mal vorab, wo der Hammer hängt und fuhr mit seiner „Unstillbaren Gier“ stehende Ovationen ein. „Scaramouche“ Bolten unterstrich mit „Miss Bird“ aus „Closet than ever“ und Nenas „Leuchttum“ ihre stilistische Vielfalt . Aber nicht zuletzt  ihr Duett mit  WWRY-Kollege Eisenburger, „Suddenly Seymor“ aus dem „Kleinen Horrorladen”, geriet zum Showstopper.

Sternstunden

Derer gab es freilich noch mehr. Es wäre müßig, an dieser Stelle  die komplette, aus 25 Titeln bestehende Songliste herunter zu beten, aber das grandiose  „Don’t let the sun go down on me“ von Elton John /Georg Michael in einer packenden Interpretation von Uwe Kröger und Sascha Krebs bedarf schon einer besonderen Erwähnung, ebenso Ralf Schaedlers „Living la vida Lloca“ Der Düsseldorfer , im vergangenen Jahr an gleicher Stelle als „Claude“ in „Hair“ zu sehen und derzeit bei „Dirty Dancing“ in Hamburg unter Vertrag, komplettierte das stimmlich bestens aufgelegte Ensemble  und bewies Headbanger-Qualitäten. Ein großartiger Entertainer!

La-Ola-Wellen und Wunderkerzen

Die Stimmung in der weitläufigen und überwiegend überdachten Theaterarena ähnelte, vor allem in der zweiten Halbzeit, der in der Fankurve eines Bundesliga-Spiels. Die Besucher standen mehr, als dass sie saßen – La-Ola-Wellen  und Wunderkerzenschein inklusive. Vor allem beim finalen, freilich etwas gewöhnungsbedürftigen Beatles-Let-it-be oder dem Robbie-Williams-Nachschlag „Let me entertain you“. Aber was nutzt die durchdachteste Dramaturgie und die glücklichste Besetzung, ohne dass diesen Polen auf der anderen Seite eine adäquate  musikalische Entsprechung gegenüber steht. Tat sie aber. Mit Klaus Hillebrecht und seiner handverlesenen Gala-Band sind die Tecklenburger seit vielen Jahren bei derlei Anlässen auf der todsicheren Seite. Hillebrecht wird auch bei den „Elenden“ dem großen, aufgerüsteten Orchester als musikalischer Leiter vorstehen und möchte  ferner beim  und im „Kleinen Horrorladen“, dem zweiten Saison-Stück der Tecklenburger, dahin gehend nichts anbrennen laden.

Die Killerpflanze „Audrey“ erblüht hier erstmals am 28. Juli. Regie: Hans Holzbecher. Bis einschließlich 31. August stehen dann insgesamt zwölf Aufführungen auf dem Spielplan, während Thénadiers Kneipe hier zwischen dem 24. Juni und dem 26. August  26 mal geöffnet ist. Hinterm Tresen putzt übrigens Martin Berger als schmieriger Wirt die Gläser. Die Regie liegt in den bewährten Händen von Helga Wolf. Wir sind gespannt.

© by Jürgen Heimann