Musical-Darsteller Andreas Wolfram
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Interview mit Musical-Darsteller Andreas Wolfram zur Premiere von Der kleine Horrorladen

Nur die Inneren Werte zählen – Andreas Wolfram als Audrey Zwo im Musical Kleiner Horrorladen

Der gebürtige Velberter Andreas Wolfram kam vom Formationstanz 1993 als Elektra im Starlight Express zum Musical. Nach seiner Rolle als Rum Tum Tugger beim Musical Cats in Hamburg und Stuttgart war er in vielen Stadttheaterproduktionen in Hauptrollen zu sehen, darunter der Bill im Musical Kiss Me Kate in Essen, als Frank´N Furter in der Rocky Horror Show in Kassel, als Tyrone (Fame) in Gelsenkirchen und Bernardo im Musical West Side Story in Kassel und Bregenz.

Mit seinem Engagement als Audrey Zwo steht Musical-Darsteller Andreas Wolfram in Kassel im Musical Der kleine Horrorladen fast ausschliesslich hinter der Bühne und leiht dem menschenfressenden Monster  seine ausdrucksstarke Stimme. Wir fragten den Musical-Darsteller nach der Premiere im Interview, wie er mit dieser ungewohnten Rolle zu Recht kommt:

Musical-World: Wie wird man als Hauptdarsteller damit fertig, dass man in einem Musical nur synchronisiert und gar nicht zu sehen ist?

Andreas Wolfram: Ich glaube, wenn ich den Beruf ergriffen hätte, um primär Aufmerksamkeit zu bekommen, dann wäre das ein ganz großes Problem. Aufmerksamkeit haben zu wollen ist sehr eng verwandt mit Eitelkeit. Und die Eitelkeit erlaubt uns nie Raum für neue Sachen, weil man da ein Risiko eingehen muss. Und von daher ist das für mich prinzipiell gar kein Problem. Für mich war die Pflanze immer ein Traum, sie zu spielen. Damals schon in der Musical-Ausbildung in Wien als 19 jähriger war das für mich eine ganz tolle Sache und jetzt freue ich mich, einige Jahre später, das spielen zu können, das ist eine tolle Kombination. Stilistisch ist das eine Sache, die ich sehr genieße. Ich mache auch sehr viel anderes im Synchronisationsbereich, sehr viel für Phantasie-Spiele und andere Geschichten. Diese Kombination, wo sich beides paart, übe ich  beruflich sehr gerne aus.

Musical-World: Haben Sie auch schon mal einen Film synchronisiert?

Andreas Wolfram: Einen Film noch nicht. Das ist eine Sache, die mir nicht so gefällt. Weil ich der Meinung bin, man darf einen Schauspieler nicht von seiner natürlichen Stimme trennen. Deswegen gucke ich mir gerne Filme im Original an, es sei denn, es ist von einem Moderat, dann bin ich natürlich darauf angewiesen sonst verstehe ich nichts. Aber grundsätzlich mache ich Cartoongeschichten und Computerspiele und als Schauspieler dreh halt ein bisschen, wie in der Sat1-Krimiserie Elefanten, dann gab es noch einen Kurzfilm der jetzt auf Arte lief. Aber insgesamt ist die Anzahl der Drehtage so gering, als das ich das ausschließlich machen könnte, und mir mein derzeit ausgebildeter Beruf so viel Freude macht, dass ich den nie aufgeben würde.

Vom Formationstanz in Velbert zum Musical-Darsteller

Musical-World: Wie begann Ihre Laufbahn?

Andreas Wolfram: Es begann mit Formationstanz, als die Velberter ganz groß waren, 1989/90 Europa- und Weltmeister. Danach bin ich zum Musical gegangen.

Musical-World: Wie kommt man als Tänzer zum Musical?

Andreas Wolfram: Ich habe Musik gerne gemocht, schon mit 5 Jahren fing ich an mit Klavier, dann Instrumental, dann Gesang und mit 17/18 Jahren überlegt man sich, was mache ich mal beruflich. Ich machte diese Tanzsportsache und kam an einen Punkt, wo ich mich sehr oft von meinen Partnerinnen trennen musste, konnte, durfte, habe – an einen Frustrationspunkt. Wir hatten einen Tanzauftritt im Rahmen der Universale in Duisburg. Bei der Eröffnungsfeier 1988  fuhren Ensemblemitglieder vom Starlight Express im Kreis herum und das fand ich ganz interessant aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen was das sein sollte, Theater oder was? Dann habe ich mir das Weihnachten 89 angeschaut, saß in der 3. Reihe im Parkett und war hin und weg und für mich war vollkommen klar, das will ich beruflich machen.

Musical-World: Ja und dann zweimal Electra gewesen. Aber dazu gehört doch mehr Potential z.B. auch die Stimme.

Andreas Wolfram: In Wien habe ich erst privat angefangen Unterricht usw. zu nehmen, zunächst für 1 Jahr und bekam dann einen Job. Die damalige Situation war so, nehme ich das Engagement am Stadttheater in Aachen 1992 an oder gehe ich weiter zur Schule.  Ich war immer ein Freund dessen, dahin zu gehen, wo ich Energie und Weiterentwicklung witterte. Und das Umfeld musste natürlich stimmen und das war so. Ich bin immer ein bisschen meinem Instinkt gefolgt und habe auch immer sehr viel geackert. Das hatte für mich mit sehr viel  - nicht Disziplin, das ist der falsche Ausdruck-, Spaß zu tun, denn wenn einem etwas großen Spaß macht, braucht man keine Disziplin. Es ist kein Kunststück sich 5 Stunden hinzustellen und seinen Gesang, Tanz, Sprechtechnik und Schauspielzüge zu zeigen, weil man sowieso nichts anderes machen will. Das hat doch mit Disziplin nichts zu tun. Ich hatte das Glück, das ich recht früh einen Beruf gefunden habe, der mir sehr viel Freude bereitet.

Musical-World: Und das war erstmal leichter Musical-Darsteller und nicht der Schauspieler oder Tänzer?

Andreas Wolfram: Jede einzelne Disziplin hatte für mich eine große Faszination. Und jede einzelne Disziplin war in ihrer Faszination so stark, dass ich nicht hätte sagen können, okay jetzt mache ich nur die eine und lass die anderen beiden sein. So war das.

Andreas Wolfram als Elektra beim Musical Starlight Express

Musical-World: Und dann ging es doch recht schnell zum Starlight Express. Wie wird man Electra?

Andreas Wolfram: Es gab eine Odischen – Vortanzen – Vorsingen.  Dann gab es ein Callbac und dann habe ich ein Angebot bekommen und war eigentlich überrascht über diese Electrageschichte – einfach vom Typus. Das war allerdings noch in der 1. Sitzung. Ich hatte dann noch eine 2. Sitzung. Ich hatte damals in meinem 1. Vertrag 11 Rollen, die ich lernen musste und habe mich dann hochgearbeitet. Ich habe in diesem ersten Jahr so viel Energie und Liebe fürs Detail freiwillig und mit großer Leidenschaft in diese Electrafigur gesteckt, so dass sich das dann auszahlte. Ein plattes Beispiel: wenn ich einen Heizkörper streiche und mir dafür 1 Std. Zeit nehme oder mir dafür 3 Std. Zeit nehme und mich wirklich bemühe, spezifisch und detailgetreu das zu machen was mir in dem Moment unmittelbar wichtig ist, dann zahlt sich das aus. Ich hatte viele Kollegen, die in ähnlicher Position waren, die sich auch dafür interessiert haben von der Zweitbesetzung in die Erstbesetzung zu rutschen, aber dann nicht so viel Zeit investierten.

Musical-World: Würden Sie diesen Knochenjob jetzt auch noch mal machen so wie Bernie Blanks?

Andreas Wolfram: Ich finde, ohne B.B. auf die Füße treten zu wollen – der ist ein ganz lieber und netter Kollege, das ist eine Frage des Spielalters. Welche Figur spiele ich da, bin ich jemand der 20 Jahre alt sein muss oder 25 Jahre, oder bin ich jemand der 30 sein muss. Dann stellt sich irgendwann die Frage, wenn ich das doppelte Alter habe, möchte ich mich dann noch mal so verbiegen? Ich kann das verstehen, das ist machbar und ein toller Geck und das ist eine tolle Show aber für mich persönlich ist es nicht zwingend attraktiv. Mit den Rollenanforderungen möchte ich mich auch Hand in Hand mit dem Alter weiter entwickeln.

West Side Story Lieblings-Musical von Andreas Wolfram

Musical-World: Ich habe Sie in der eher klassischen West Side Story in Kassel gesehen. War das ein Ausrutscher?

Andreas Wolfram: Nein, Westside Story ist unangefochten mein Lieblingsmusical.Eine großartige Story, Romeo und Julia; es ist eine himmlische, phantastische Musik. So was würde ich jederzeit gerne wieder machen – da bin ich ein ganz großer Fan. Ich habe das seinerzeit in Aachen gespielt, dann hier in Kassel und in Bregenz und jetzt steht eine Geschichte als Option im Raum im Sommer nach Griechenland, aber da muss man erst sehen, ob das überhaupt zustande kommt.

Musical-World: Wie wird man begehrter Gaststar?

Aktives Bewerben wichtig für Musical-Darsteller

Andreas Wolfram: Man macht eine Odischen, wie jeder andere auch. Aber man darf nicht den Fehler begehen, was viele Kollegen in der Szene machen, und wahrscheinlich ist das das Wichtigste für die Kollegen aus diesem Interview. Man darf nicht zu Hause sitzen und warten, das das Musical erscheint. Da stehen dann 3 Anzeigen und dann schickt man seine Bewerbung los. Dann landet das Foto und der Lebenslauf auf einem Stapel mit weiteren 500 Bewerbern und um sich dann zu wundern, dass man nicht kontaktiert wird, das geht nicht. Man muss aktiver sein, man muss herausfinden wer inszeniert und man muss höflich und in Maßen auf sich aufmerksam machen und Caster und Regisseure kontaktieren, ähnlich wie in Amerika. Deshalb ist die Quantität so ausgeprägt, das ist nicht anders vorstellbar. Und in Deutschland ist das mittlerweile genauso. Zu der Zeit wo ich angefangen habe – Anfang der Neunziger – da waren bei Opencalls  50-60 Leute. Heute sind es mehrere Hundert. Das geht einfach nicht – also aktiver sein.

3 Jahre in Amerika am Konservatorium in New York

Musical-World: Sie waren auch in Amerika. Ist das ein Muss für einen Musical-Darsteller?

Andreas Wolfram: Nein, es ist überhaupt kein Muss. Der Grund warum ich nach Amerika gegangen bin war der, weil ich es für meine Weiterentwicklung für Richtig fand, eine Schauspielausbildung zu machen. Ich habe nach 7 Jahren Musical, das war Stand 1999, für mich beschlossen, eine Schauspielausbildung zusätzlich zu machen und habe mir dafür sehr viel Zeit gelassen um zu entscheiden, welche Schauspiel-Technik mich interessiert. Die ich dann gefunden habe, war die Meiser-Technik. Die wurde dann zufälligerweise am Konservatorium im Full Time Programm in New York gelehrt. So ergab sich das, dass ich am Konservatorium 2 Jahre eine sehr glückliche und produktive Zeit hatte. Danach habe ich dort 1 Jahr gearbeitet ein Schauspiel, Mitsommernachtstraum, gemacht und ein Musical, Island Of The Blue Dolphins, als Tourneeproduktion. Aber nach einem Jahr lief meine Arbeitsgenehmigung aus und seitdem widme ich mich wieder gerne dem deutschsprachigen Raum.

Musical-World: Ist es in Deutschland einfacher ein Musical-Angebot zu bekommen?

Andreas Wolfram: Auf jeden Fall. Das Ausbildungs-Angebot ist viel größer. Man wird viel leichter herangeführt. Wobei mir jetzt der Gedanke kommt, ob das so gut ist, dass man so rangeführt wird. Denn wenn die Ausbildung vorbei ist, steht man wieder allein da. Das Prinzip der Eigeninitiative darf man eigentlich nie verlieren. Aber grundsätzlich ist das Netzwerk zur Ausbildung des Musicaldarstellers viel stärker ausgeprägt als früher.

Musical-World: Wie sucht man sich die Rollen aus?

Andreas Wolfram: Leider hat man nicht den Luxus, sich die Rollen wirklich auszusuchen. Ich glaube es ist wichtiger, aus den Rollen, die man bekommt, möglichst viel rauszuholen und sich wirklich überlegt, was habe ich mit dieser Pflanze bzw. dieser Figur gemein oder wie kann ich das persönlich machen. Das ist ganz, ganz wichtig, die Figuren für sich persönlich zu machen und Parallelen zu finden. Und wenn die dann da sind, dann kann ich auch möglichst viel rausholen und  1. macht es mir viel Spaß und 2. passiert mehr auf der Bühne, gewinnt mehr an Tiefe und außerdem hat man auch eine größere Weiterentwicklung, man hat seinen Raum mehr genutzt. Anstatt einfach zu sagen: Hier ist mein Video, die Choreographie, mein Kostüm, hier ist meine Geste, zack abliefern – das ist falsch, sondern sich wirklich damit auseinandersetzen.

Musical-World: Was gefällt Ihnen besser – eine fest eingefahrene Produktion wie Cats und Starlight Express oder so etwas wie hier am Stadttheater, wo man mehr selbst einbringen kann?

Andreas Wolfram: Das Schöne an Musical-Großproduktionen ist, dass man den unglaublichen Luxus hat, dass alles, Kostüm, Maske, Bühne, Sound spezifisch abgestimmt ist auf diese eine jeweilige Produktion. Daher sind diese Produktionen grundsätzlich von den äußeren Parametern sehr hoch und sehr anspruchsvoll und bedienen auch sehr gutem Manstream. Auf der anderen Seite beklage und vermisse ich die Möglichkeit zur individuellen Entfaltung. Ich kann nicht sagen, du spielst jetzt bei mir die Rolle xy und du entwickelst die  und weil du du bist, findest du deinen Gestus und weil du deinen Gestus findest ist es homogen und gehört es zusammen und dann ist es gut. Und wenn du nach einem Jahr aussteigst und es kommt ein neuer rein, dann kann ich nicht daher gehen und ihm deine Gesten geben. Das funktioniert nicht und das wird leider, leider sehr oft gemacht und dann muss man sehr kämpfen und läuft oft mit dem Kopf vor die Wand wenn man versucht zu sagen, nein aber ich bin anders, nicht ich sondern ich als Figur würde es so machen. Und das ist das Schöne an diesen offenen Originalproduktionen in den Stadt- und Staatstheatern das man instinktiver und organischer mit der Inszenierung arbeiten kann.

Musical-World: Legen Sie sich schon für die Zukunft fest?

Andreas Wolfram: Nein gar nicht. Ich bin im Moment sehr glücklich mit dem Engagement- Rhythmus, den ich gerade habe. Ich bin in Essen am Aalto-Theater, am Theater in Dortmund und hier in Kassel und mache Festspiele in Bad Gandersheim im Sommer und noch eine Tourneeproduktion. Das alles innerhalb eines Jahres. Ich bin glücklich deshalb weil ich ganz viele verschiedene Aufgaben habe und durch diese Multiplikation der verschiedenen Aufgaben in ganz verschiedenen Stücken, mit ganz anderen Leuten, mit ganz anderen Regisseuren, die auf ganz andere Dinge Wert legen und ich mich dadurch einfach stark weiter entwickeln kann. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass ich mehr persönliche Freizeit habe, die ich früher nie hatte.

Musical-World: Ich habe gelesen, Sie machen noch einen Einmarsch für eine Formation?

Andreas Wolfram: Ja, zwischendurch mache ich das immer noch. Meine engsten Freundschaften kommen alle aus der Tanzsportzeit. Das ist ein ganz eigenes Völkchen und durch die Teenagerzeit ist man da zusammengeschweißt. Mein bester Freund war Deutscher Cd Profi, war der Meister Roman …., mit dem habe ich heute noch telefoniert. Vorgestern habe ich mit meinem Tanzkollegen noch aus der Regionalliga von 1987 telefoniert. Das ist eine ganz tolle Bande. Wenn ich es zeitlich schaffe, mache ich es mit großer Freude immer noch.

Musical-World: Als wen kann man Andreas Wolfram in der nächsten Zeit erleben?

Andreas Wolfram: Übermorgen bin ich erstmal im Aalto Theater in Kiss Me Kate der Bill Calhoun, das läuft schon 1½ Jahre, ab Montag habe ich Proben als Frank `N Furter im Theater Dortmund, hier ist die Premiere am 15. März und dann bin ich in der Fledermaus in Bad Gandersheim in meiner ersten Operette als Falke und in der Rocky Horror Show als Riff Raff, der Regisseur war der Meinung, ich sollte nach meiner 4. Rocky Aufführung nicht wieder den Frank spielen und wahrscheinlich bin ich im Herbst mit der Louis Amstrong Tournee noch mal unterwegs.

Musical-World: Wenn man 4 mal den Frank `N Furter gespielt hat, bringt man dann immer noch was Neues mit rein?

Andreas Wolfram: Die Figur Frank `N Furter in der Rocky Horror Show ist so schillernder und vielschichtiger Charakter, der auf viele einzelne Persönlichkeiten bestehen kann, dass ich einfach jedes Mal nur hingehe und andere Attribute mit dem Textmarker anstreiche. Der kann eine Sado Maso Tunte sein, der kann Diktator sein, der kann/muss mütterlich zärtlich weiblich sein, all diese vielen Dinge – Marlene Dietrich Grand Dame, aber auch so eine alkoholisierte ausgespuckte Prostituierte. Durch diese vielen verschiedenen Facetten entsteht immer wieder eine neue Figur.

© Interview & Fotos Stephan Drewianka, Musical-World.de; Dieses Interview mit Andreas Wolfram erschien auch in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 02/06, Februar-März 2006

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