Musical Anything Goes Kassel
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Musical Anything Goes in Kassel

Kunterbuntes Musical Anything Goes am Staatstheater Kassel

Drei Jahre lang war das Opernhaus in Kassel geschlossen. Die Renovierungsarbeiten vorrangig an der völlig veralteten Brandschutzanlage verschlangen insgesamt knapp 31 Millionen Euro. Im Februar wurde das Kuppelzelt am Friedrichsplatz als Ausweichspielstätte abgerissen, denn es hieß endlich wieder Vorhang auf im Staatstheater Kassel.

Musical Anything Goes in Kassel mit Anna Montanaro, Gaines Hall und Andreas Wolfram

Schon am 23.02.2007 stand mit Cole Porters beschwingter Musical-Komödie Anything Goes eine Musical-Premiere an. Das hauseigene Ensemble wurde mit hochkarätigen Stars aus der Musicalszene aufgepeppt, allen voran Anna Montanaro als sinnliche Priesterin Reno Sweeney und den gern gesehenen Gästen Gaines Hall als Billy Crocker, Andreas Wolfram als Gangster Moonface Martin und die quirlige Tamara Wörner als Gangsterbraut Erma. Valentina Simeonova inszenierte die angestaubte Musicalklamotte aus den 50er Jahren ultramodern, ließ von Daniel Röskamp eine Bühne entwerfen, die den Luxusliner MS America als leeren Swimmingpool mit übergroßen Bullaugen als Kabineneingängen in pastellfarbenem Babyblau eher symbolhaft darstellte, und kreierte mit Lena Lukjanova knallbunte und überzogene Kostüme im Comicstil. Die Chancen für einen spannenden Musicalpremierenabend standen sehr gut, doch leider konnten die hohen Erwartungen (noch) nicht befriedigt werden.

So kämpfte die Tontechnik zeitweise vergeblich gegen das zu laute Orchester unter der Leitung von Giulia Glennon an und kurzzeitig fiel das Mikro von Anna Monatanaro komplett aus. Völlig fehlerfrei funktionierte bereits die beeindruckende Bühnentechnik, die mit der renovierten Hebebühne recht häufig zum Einsatz kam und für so manchen verblüffenden Wandel sorgte. Doch leider vergaß man bei all dem Auf- und Ab des Hochseedampfers, dass die Darsteller auch noch genügend Raum zum Agieren benötigen. Statt imposanter Stepp- und Tanznummern in der Choreographie von Cedric Lee Bradley, wie sie »Anything Goes« eigentlich verdient, kurvte das nur vier Mann starke Matrosenballett im engen Rund des Swimmingpoolbodens bemüht um zwei Sessel und Stehlampen. Steppstar Gaines Hall musste sein gekonntes Solo und sein Duett mit Stefanie Dietrich als Debütantin Hope Harcourt bedenklich nahe am Orchestergraben entlang balancieren. Schien beim Showstopper »Blow Gabriel Blow« endlich einmal Platz auf der Bühne geschaffen worden zu sein, wurde der Raum gleich darauf durch eine aus der Unterbühne hochfahrende Muschel begrenzt, auf der sich Anna Montanaro wie »Arielle die Meerjungfrau« räkelte, während durch die Bullaugen sechs süße überdimensionale Fische im Takt der Musik wippten.

Und auch weitere Regieeinfälle ließen die Frage offen, ob man sich im richtigen Stück befand: so kämpften Billy Crocker und Moonface Martin gegen einen riesigen chinesischen Drachenkopf oder sang eine vermummte Gestalt mit Riesenhut im Rollstuhl den melodiösen Song »It´s De-lovely« in Piepstimme drei Oktaven zu hoch. Leider verpufften in der überdrehten Comicinszenierung auch die Highlights der Show, wenn z.B. die strenge Priesterin Reno ihre schwarze Kutte abwarf, ging das rote, erotische Lackkostüm darunter im Gewirr der skurrilen Kostüme in seiner Bildwirkung komplett unter.

Geradezu ärgerlich war die Tatsache, dass die Kernaussage der durchaus gesellschaftskritischen Komödie, dass der Staatsfeind Nr. 1 durch Presse und Ruhm nicht mehr als Verbrecher gesehen wurde, sondern zum exklusiven Ehrengast aufstieg, völlig in den Hintergrund gedrängt wurde. Auch den wirren Handlungssträngen um zwei Sumoringer, die im Original einmal bekehrte chinesische Geistliche waren, war ohne das begleitende Programmheft nur schwer zu folgen. Kein Wunder, dass für den weltberühmten Song »Night and Day« kein Platz mehr in der eigentlichen Show war und er kurzerhand als Zugabe von den drei Happy-End-vereinigten Pärchen als Zugabe präsentiert wurde.

Fazit: Auch wenn die Modernisierung des Cole Porter Musical-Klassikers Anthing Goes in weiten Teilen nicht wirklich gut gelungen war, gab es natürlich auch wahre Perlen zu entdecken: das grandiose und wirklich witzige Schauspiel von Operndiva Joke Kramer als überdrehte Witwe Evangeline Harcourt mit ihrem Partner Wolfgang Noack als Börsenmakler Elisha Whitney stand weit über dem restlichen Klamauk und auch Oliver Fobe machte als Tischtuchkarierter reicher Engländer Lord Evelyn Oakleigh eine gute Figur. Trotz der Mängel der Inszenierung feierte das Premierenpublikum wohlwollend das erste Musical im neuen, alten Staatstheater bis nach Mitternacht – es ist eben doch »alles möglich« in Kassel.

© Text & Fotos by Stephan Drewianka, Musical-World.de; dieser Artikel ist ebenfalls in der Musical-Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 03/07, Mai-Juni 2007 erschienen.

Lesen Sie auch die Theaterkritik des Musicals Anthing Goes in Gelsenkirchen!

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