Musical Rocky
Musical Rocky
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CD

Technische Daten:

CD Musical Rocky Original-Version Hamburg Cast mit Drew Sarich, Wietske van Tongeren, Terence Archie, Alex Avenell, Patrick Imhof, Uwe Dreves u.v.a.; Musik: Stephen Flaherty
Texte: Lynn Ahrens (deutsch: Wolfgang Adenberg); 52 min, 38 sec; Stage Entertainment Studios 2012

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Boxer Musical Rocky Hamburg Cast auf CD

Rocky angezählt: KO oder OK?

Seit der Weltpremiere am 18.11.12 erkämpft sich Boxer Rocky nun auch als Musical die Gunst der Zuschauer im Operettenhaus in Hamburg. Mit dem Spielfilm von 1976 gelang dem Schauspieler Sylvester Stallone ein Überraschungshit und machte den Darsteller, der auch das Skript zum Boxer-Drama schrieb, weltberühmt. Seit Jahren versuchte Stallone die Geschichte von Mr. Balboa, dem italienischen Hengst im Ring, als Musicalversion an den Broadway zu bringen – ohne Erfolg. Mit den Klitschko-Brüdern als Co-Produzenten und der Stage Entertainment im Rücken erblickte Rocky nun in Deutschland sein Bühnendebüt. Die 15 Millionen Euro teuren Produktionskosten verwandeln das Operettenhaus an der Reeperbahn nun allabendlich in einen imposanten Boxring und auch die anderen Kulissen lassen das neue Mega-Musical zu einem opulenten Augenschmaus werden, der die Filmszenen beindruckend in ein Live-Event überträgt.

Minimalistische CD Umsetzung des Hamburger Musicals Rocky

Bereits zwei Tage vor der Weltpremiere erschien die CD zum Musical Rocky, die dem Musicalfan das Spektakel mit der Originalbesetzung aus Hamburg ins eigene Wohnzimmer bringt. Doch kann die musikalische Umsetzung von Rocky jenseits aller optischen Effekte und Theatermagie überzeugen? Beim ersten Hören des Silberlings stellt sich zunächst Ernüchterung und Enttäuschung ein. Die durchweg amerikanische Musik von Stephen Flaherty, der die Oskar-gekrönte Musik zum Animationsfilm „Anastasia“ und zu zehn Bühnenmusicals (u.a. Ragtime, Once On This Island, Seussical) schrieb, plätschert in 18 Songs relativ belanglos und ohne Höhepunkte und eingängige Ohrwürmer aus den Lautsprecherboxen. Statt sattem Orchestersound hören sich einige Nummern geradezu minimalistisch an, eher wie in einem intimen Unplugged-Konzert als in einem üppigen Mega-Musical. Das Stück findet dabei auf den ersten Blick keine eigene Musiksprache und kombiniert relativ konzeptlos Rock, Pop, Disko, Soul, Folk und Jazz mit Schunkelsongs, Rap, Sprechgesang und sogar Jahrmarktmusik. Zumal haben einige Songs mit einer Spielzeit von knapp zwei Minuten auch gar nicht die Chance, sich musikalisch zu entfalten, und eine eingängige Melodie zu entwickeln.

Hölzerne Übersetzung und gnadenlos komische Reime

Dabei startet das Musical noch vielversprechend zu der bekannten Rocky-Fanfare „Gonna Fly Now“, die sich jedoch nach den ersten Takten zu einer leider etwas unverständlich vorgetragenen Ensemble-Nummer „Er fällt noch nicht“ entwickelt. Und bereits hier kristallisiert sich ein weiterer Schwachpunkt der Produktion heraus: Die deutsche Übersetzung der englischen Originaltexte von Lynn Ahrens, für die sich Wolfgang Adenberg verantwortlich zeichnet, wirken hölzern, reimen sich manchmal gnadenlos komisch (Mut - Hut - tut gut - Nichts auftut) und wollen manchmal einfach nicht zu den gespielten Noten der Musik passen. Im CD-Booklet hat man vielleicht auch aus diesem Grunde auf den Abdruck der Songtexte verzichtet. Dass ein Südstaaten Underdog wie Rocky literarisch nicht mit Tolstoi oder Shakespeare mithalten kann, liegt auf der Hand und der Autor wollte der einfachen und authentischen Sprache sicherlich Rechnung tragen. Trotzdem hätte etwas mehr Sorgfalt bei der Übertragung der Songtexte dem Stück sicherlich gut getan. So wird Rockys Textzeile zum eher traurigen Statement: "Du hast den Kopf, ich hab den Body, ne bessere Paarung gab´s wohl noch nie. Echt mieser Reim, kann man nix machen, die Hauptsache ist, ich seh Dich lachen."

Ungewollte Parallelen zu anderen Musicals

Lächeln muss der Zuhörer tatsächlich immer dann, wenn die Musik zu Rocky ungewollt Parallelen zu anderen Musicals schlägt. Das Trio Gloria (Alex Avenell), Joanne (Juliane Dreyer) und Angie (Franziska Lessing) erinnert in der souligen Disko-Nummer „Philly Pie“ und bei „Feiertag“ an Deloris van Cartier mit ihren trällernden Nonnen in Philadelphia, so als wäre ein Teil von Sister Act immer noch präsent im Operettenhaus Hamburg. Der amerikanische Akzent und die angenehme Stimmfarbe von Apollo-Darsteller Terence Archie lassen bei „Patriotisch“ Vergleiche zu Papa-Starlight Express aufflammen und die Ensemble Nummer „Südseiten-Superstar“ (wieder so ein unglaublich gelungenes Übersetzungshighlight) erinnert an ein Treffen der Hippies aus Hair auf der Skid Row des kleinen Horrorladens. Wietske van Tongeren darf als weibliche Hauptrolle Adrian ein Déjà-vu ihrer Charakterentwicklung der „Ich“ aus Rebecca erleben.

Hauptdarsteller des Musicals Rocky Wietske van Tongeren und Drew Sarich harmonieren perfekt miteinander

Bedeutet das alles ein gnadenloses K.O. für Rocky gleich in Runde 1? Nicht ganz, denn allein die gesanglichen Qualitäten der Hauptdarsteller Wietske van Tongeren (Rebecca, Marie Antoinette) und Drew Sarich (Der Glöckner von Notre Dame, Rudolf) als Rocky adeln die Balladen des Stückes. Auch wenn der Song „Die Nase hält noch“ im ersten Anlauf wie eine Parodie auf Michael Jackson klingt, gewinnt der Titel nach mehrmaligem Hören jedes Mal etwas mehr an Charakter. „Fight From The Heart“ (keine Ahnung, warum bei dieser Textzeile der Übersetzter gestreikt hat) wird mit der Zeit genauso wie „Standzuhalten“ zu einer liebevoll arrangierten Uptempo-Ballade, „Adrian“ ein gefühlvoll-intimes Minihighlight. Wietske van Tongeren überzeugt nach Eingewöhnung mit dem gefühlvollen „Wenn es weiter regnet“ und dem emanzipiert-kraftvollen „Vorbei“, bei der sie sich aus der Unterdrückung ihres Bruders befreit. Im Liebesduett „Wahres Glück“ harmonieren beide Hauptdarsteller gesanglich perfekt miteinander, auch wenn die weihnachtliche Thematik im Hochsommer eher deplatziert wirken wird. Und wer sich die Nummer „Mehr als nur ich und du“ oft genug anhört, wird auch hier schmunzelnd einen wirklich netten Song entdecken. Leider sind auf der CD einige wichtige und spannende Songs aus dem Musical, die auch die berühmte Filmmusik aufgreifen, nicht vorhanden. Die Musik von Rocky ist somit wie der Boxkampf des Jahrhunderts: zunächst zäh und langatmig, aber nach einigen Runden durchaus spannend und aufregend. Am Ende übersteht Rocky 14 Runden gegen den Weltmeister, verliert den Kampf aber doch knapp nach Punkten der Ringrichter. Das Publikum wird entscheiden, ob „Rocky – Das Musical Fight From The Heart“ ein ähnliches Schicksal erleiden wird.

Fazit: Rocky ist ein untypisches Musical mit Potential, das an einer unglücklichen deutschen Übersetzung leidet. Alle diejenigen, die das Musical bereits live in Hamburg gesehen haben, werden die Musik im Zusammenhang der Szenen sicherlich mit anderen Ohren hören und werden die CD-Einspielung als Erinnerung wesentlich höher schätzen als jemand, der das Stück nicht kennt, denn anhand der Songauswahl in rund 52 Minuten lässt sich die Handlung auch nicht nachvollziehen. Mein Urteil zur Musik ist ein klassisches Unentschieden!

© Stephan Drewianka, Musical-World.de

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