Frankenstein Junior in Bonn © Emma Szabó
Frankenstein Junior in Bonn © Emma Szabó
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Mel Brooks´ „Frankenstein Junior“ am Theater Bonn

Monströser Gehirntransfer auf Schloss Frankenstein

Mel Brooks räumte mit der Musicaladaption seines Spielfilms „The Producers“ im Jahr 2001 mit drei Tony Awards und zwei Grammy Awards als „Bestes Musical“ richtig ab. In Deutschland wird die bitterböse Persiflage auf die amerikanische Theaterkultur selten gezeigt, da das im Musical produzierte Stück „Frühling für Hitler“ beim deutschen Publikum historisch-geprägt eher gemischte Gefühle hervorruft. Beflügelt vom Erfolg von „The Producers“ adaptierte Mel Brooks in Kooperation mit Thomas Meehan einen weiteren erfolgreichen Film aus Brooks Karriere. Die Parodie auf das Horrorfilm-Genre „Young Frankenstein“ (1974) feierte 2007 Broadway-Premiere, erhielt damals eher gemischte Kritiken, gewann „nur“ den Outer Critics Circle Award als bestes Musical und verschwand nach 30 Previews und 484 regulären Vorstellungen aus dem Lyric Theatre. Eine deutsche Erstaufführung von „Frankenstein Junior“ gab es bereits am 18.05.2013 an der Oper Halle und es folgte eine weitere Produktion 2015 in Mainz. Aber erst die West-End Premiere in London 2017 überzeugte die Kritiker mit einer von Mel Brooks stark überarbeiteten Fassung mit neuen Szenen und Songs.
Das Theater Bonn plante schon sehr lange, dieses Stück in der deutschen Fassung von Frank Thannhäuser und Iris Schumacher auf den Spielplan zu setzen. Nach jahrelanger Vorarbeit konnte das Projekt mit der Premiere am 20. August 2023 in einer Inszenierung von Jens Kerbel und der Regiemitarbeit von Bernard Niemeyer endlich umgesetzt werden.

Die Handlung des Musicals Frankenstein junior

Dr. Victor von Frankenstein erschuf auf seinem Schloss in Transsylvanien durch elektrische Belebung toten Fleisches ein Monster, das zusammen mit ihm von den Dorfbewohnern schließlich gelyncht wurde. Jahre später möchte der erfolgreiche Neurochirurg Dr. Frederick „Fronkensteen“ in New York nicht mit den Taten seines Großvaters in Verbindung gebracht werden. Doch nun erbt Frederick das transsilvanische Schloss und reist ohne seine Verlobte Elizabeth Benning in das recht trostlose Land. Die Aufzeichnungen seines Großvaters, die ihm der bucklige Igor, die verführerisch-blonde Laborassistentin Inga und die Hausdame Frau Blücher vehement ans Herz legen, wecken jedoch den wissenschaftlichen Ehrgeiz Fredericks. Mit den neuesten Erkenntnissen aus Fredericks Hirnforschung kann er unmöglich dieselben Fehler wie sein Großvater machen. Doch die erfolgreich wiederbelebte Leiche ist wieder nur ein recht stumpfsinniges Monster. Mit einem Gehirn-Transfer von Fredericks Gedanken und Wissen sollte das primitive Monster aber vielleicht doch ein kultiviertes Wesen werden können, oder?

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Besetzung Frankenstein Junior

Die Besetzung von „Frankenstein Junior“ am Theater Bonn liest sich vielversprechend, und natürlich wird das Premierenpublikum nicht enttäuscht. Carina Sandhaus spielt die modebewusste Glamour-Dame Elizabeth Benning herrlich arrogant und abgehoben, so dass man ihr das Motto „Nicht berühren“ gut abnimmt, was ihren Verlobten Frederick jedoch recht unbefriedigt zurücklässt. Später wird sie allerdings selbst zum sexbesessenen Fan-Girl der unstillbaren Gier des animalisch-triebgesteuerten Monsters und vom „Mysterium der Liebe“ völlig überrumpelt. Diese Rolle spielt in der Hälfte der Vorstellungen alternierend Bettina Mönch, die dieser Figur sicherlich individuell eigene Züge verpassen wird. Gleich von Anfang an wesentlich aufgeschlossener bei körperlichen Annäherungen zeigt sich Kara Kemeny als Sexbombe Inga, deren Hobby „Roll dich im Heu“ sie während ihrer Zeit als Frankensteins Laborassistentin auch nicht vernachlässigt. Sie ist genau die Richtige, um Frederick Frankensteins Hirn-lastige Einstellung hin zu den körperlichen Bedürfnissen von Mann und Frau umzulenken. Mathias Schlung, bekannt aus dem Fernsehen („Die dreisten Drei“ oder „Polizeiruf 110“) oder der Bühne („Jedermann“ in Salzburg, „Der Glöckner von Notre Dame“ in Wien oder „Der Schuh des Manitu“ in Berlin), haucht dem kühlen Wissenschaftler eine glaubwürdig-sympathische Seele ein. Sein Song „Das Hirn“ überrascht mit schier endlosen Aufzähl-Reimen, der einem Professor Abronsius aus „Tanz der Vampire“ locker das Wasser reichen kann. Die Broadway-würdige Stepp-Nummer „Putting On The Ritz“ in der Choreografie von Sabine Arthold meistert er locker aus der Hüfte. Tanzpartner ist „das Monster“ Ethan Freeman, der den Tanz-Part auch in klumpigen Schuhen mit riesiger Sohle sehr grazil absolviert. Freeman ist in der monströsen Rolle gesanglich leider zunächst völlig unterfordert, bekommt man von ihm nur gutturale Grunzlaute zu hören, aber nach dem Gehirntransfer reicht es immerhin für ein romantisches „Liebe“slied. Trotzdem macht ihm die Rolle sichtlich Spaß, und Spaß hat auch Daniela Ziegler („Sunset Boulevard“, „Elisabeth“) in der für die reifere Grand-Dame des Musicals recht frivol-erotischen Rolle der Haushälterin Frau Blücher. Mit blitzender Spitzenunterwäsche setzt Frau Ziegler im Gegensatz zu ihrem üblichen Rollenprofil der letzten Jahre einen erfrischenden Kontrapunkt und macht dabei eine wirklich gute Figur. Sunny-Boy Michael Heller ist ein witziger Igor, dessen Buckel oft die Seite wechselt, während er stimmstark gemeinsam mit Frederick die Hymne „Noch niemals gesehen – doch gefunden“ intoniert. Nico Hartwig darf in einer optisch genial gestalteten Traumsequenz im üppigen Bühnenbild von Momme Hinrichs, das mit dem Labor auf der Hebebühne immer wieder ins Staunen versetzt, dem Großvater Victor Frankenstein Leben einhauchen, der mit „Folg dem Ruf des Blutes“ völlig vampirfrei Frederick an seine familiären Wurzeln erinnert. Hans-Jürgen Schatz komplettiert in der Doppelrolle als Inspektor Kemp und einsamer, blinder Eremit, der im Monster so etwas wie einen Freund findet, die Riege der Hauptdarsteller, die mit neun weiteren Ensemblemitgliedern und der Statisterie die Bühne des Theaters Bonn füllen.

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Sound, Kostüme und Fazit

Auch wenn beim Sound von Stephan Mauel bei der Premiere noch nicht alles routiniert eingespielt war, beindruckte die nur 13-köpfige „Band“ unter der musikalischen Leitung von Jürgen Grimm mit einem recht satten Orchestersound. Die Kostüme von Verena Polkowski passen perfekt nach Transsylvanien inklusive Kurzauftritt eines Grafen Dracula und mit modernen Tüpfelchen für die extravagante Garderobe von Elizabeth Benning im stimmungsvollen Licht von Max Karbe und atmosphärischen Videoeinspielungen von Judith Selenko.
Mel Brooks´ “Frankenstein Junior“ ist eine fulminante Komödie mit flottem Tempo. Trotzdem ist der recht derbe Humor unterhalb der Gürtellinie und das für die heutige Zeit etwas respektlos gezeichnete Frauenbild nicht unbedingt jedermanns und vor allen Dingen nicht jederfraus Sache. Wenn alte Comedy-Fernsehfolgen von öffentlich-rechtlichen Sendern mit Warnhinweisen versehen werden, wirkt Mel Brooks machohafter Humor recht rüde und heute nicht mehr angemessen. Wer trotzdem lacht, dem sei dies in jedem Fall gegönnt, dann ist das Musical beste Unterhaltung mit klassischem Broadway-Flair!

Alles zum Musical Frankenstein Junior bei Sound Of Music.

© Text und Fotos Schlussapplaus: Stephan Drewianka, Musical-World.de; Bühnen-Fotos © Emma Szabó, Theater Bonn

Dieser Bericht erschien ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 05/23, Nr. 125

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