Musical The Life
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Technische Daten:

Original Besetzung Musical The Life: Anke Sieloff, Gaines Hall, Lemuel Pitts, Leah Gordon, Richetta Managa, Dennis LeGree; Musiktheater im Revier MIR, Gelsenkirchen
Musik: Cy Coleman; Texte: Ira Gasman
Aufführungsdauer: ca. 150 min.; Uraufführung: 12. November 2005; letzte Aufführung: 31. Januar 2006

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Musical The Life in Gelsenkirchen

Sex, Drugs and Musical: The Life im Musiktheater im Revier

In Gelsenkirchen ist in der neuen Spielzeit der Musical Ruhm von Fame vergangen und die New Yorker Schule muss seit dem 12. November 2005 dem Straßenstrich am Time Square der 80er Jahre in Cy Colemans Musical The Life weichen. Das im Uraufführungsjahr 1997 für drei Tonys (bestes Buch, beste Musik, bestes Musical) nominierte Musical über Prostituierte, Zuhälter und Dealer war bisher nur am Broadway und in Kassel zu sehen und fand nun als weltweit dritten Aufführungsort unter der Inszenierung von Dick Top und der musikalischen Leitung von Kai Tietje seinen Weg ins Ruhrgebiet.

Es erfordert schon etwas Mut, ein Stück über Elend, Abhängigkeit und billigen Sex an einem Stadttheater aufzuführen: Queen (Anke Sieloff) kommt gerade aus dem Gefängnis, doch sie ist bester Laune, weil sie für ihren Mann Fleetwood (Lemuel Pitts) so viel Geld auf der Strasse verdient hat, dass sie ein normales Leben mit kleinem Haus und Kindern führen können. Doch Fleet hat das mühsam verdiente Geld für seine Drogenschulden ausgegeben und so sucht er zusammen mit seinem Geschäftskollegen Jojo (Gaines Hall) eine neue Prostituierte. Die naive Mary (Leah Gordon) aus Minnesota, die gerade aus dem Bus steigt und vom großen Geld träumt, ist genau das richtige Opfer. Sie nehmen sie mit in Lacys Bar, in der sich Sonja (Richetta Manager) mit ihren ›26 Jahren‹ viel zu alt für die Arbeit auf der Strasse fühlt, doch von Memphis (Dennis LeGree), dem einflussreichsten Zuhälter wieder unsanft zur Arbeit geschickt wird. Queen soll sich um Mary kümmern, die während ihrer Arbeit als Kellnerin einmal als Stripperin einspringen muss und von ihrer Fähigkeit, den Männern mühelos das Geld aus der Tasche zu ziehen, sehr schnell begeistert ist. Während Fleet, Jojo und Mary ihren ersten Erfolg feiern, landet Queen nach einer Razzia erneut im Gefängnis. Als Fleet nicht ihre Kaution bezahlt, holt Sonja ihre Freundin aus dem Knast. Auf dem Nuttenball auf der 42nd Street erscheint Queen im imposanten Abendkleid an der Seite von Memphis, denn sie hat von ihrem Mann Fleet, der nur noch Mary promoten will, die Nase voll.

Jojo sorgt dafür, dass sich Mary vom Pornoproduzenten Lou (Nyle P.Wolfe) abwerben lässt. Als Queen ihr ›geliehenes‹ Kleid Memphis zurückbringen will, erläutert er ihr, dass sie das Kleid für ihn auf dem Strich abarbeiten muss. Sonja rettet Queen vor Memphis Brutalität, doch er droht, Fleet zu töten. Queen bittet Jojo, Fleet zu warnen, doch Jojo macht längst gemeinsame Sache mit Memphis, der Queen zusammenschlägt. Sonja besorgt Queen ein Busticket, damit sie vor Memphis fliehen kann. Fleet, von seiner Neuentdeckung Mary im Stich gelassen, möchte sie begleiten, doch Queen will ihren Weg alleine gehen. Da tauchen Jojo und Memphis auf. Im Handgemenge ersticht Memphis Fleet und Queen erschießt Memphis. Sonja schickt Queen zum Bus und erwartet mit der Tatwaffe in der Hand die Polizei…

Cy Coleman, der sich im Rotlichtmilieu seit 1966 mit Sweet Charity bestens auskennt, entwarf mit Drehbuchautor David Newman (Superman, Bonnie & Clyde) und Songtexter Ira Gasman dieses düstere Melodram und vertonte es mit jazziger Blues-, Gospel-, Swing- und Soulmusik mit Stücken wie »The Oldest Profession«, »Easy Money«, »Mr. Greed« oder »People Magazine«. Allein schon die Musik sorgt für ein echtes amerikanisches Feeling beim Zuschauer, so verwundert es nicht, dass die Songs zumeist in englischer Sprache präsentiert werden. Leider wurde das Konzept der deutsch übertitelten Lieder nicht konsequent durchgehalten, wichtige Textpassagen und Strophen werden dann doch zum besseren Verständnis der Handlung in Deutsch vorgetragen, wobei der Unterhaltungswert im ständigen Sprachengewirr deutlich leidet.

Alle Darsteller können rollendeckend überzeugen, auch wenn Mezzosopranistin Anke Sielhoff als blonder Rauschgoldengel so gar nicht in die Rolle der eigentlich farbigen Queen passen will. Doch ihre stimmgewaltigen Duette mit ihrer Partnerin Richetta Manager, die schon im Schalke-Musical Nullvier – Keiner kommt an Gott vorbei als imposante Rockröhre statt braver Operndiva aufhorchen ließ, lassen die ›unpassende‹ äußere Erscheinung schnell vergessen. Denn auch Anke Sieloff hat Soul-Power in ihrer Goldkehle. Ihr zur Seite steht Musicalstar Gaines Hall als zwielichtiger Jojo, der mit Frau Sieloff schon in Gershwins Crazy For You und Porters Anything Goes ein gefeiertes Dreamtem im Musiktheater bildete. Immer wenn Stepptalent Gaines Hall zusammen mit den Ensemblemitgliedern des Balletts Schindowski in der Choreographie von Melissa King tanzt, fliegen die Fetzen. Die Erfahrung in der Rolle des Jojo holte sich Hall bereits in Kassel, wo auch Lemuel Pitts (Fleetwood) bereits in »The Life« spielte. Als Neuentdeckung kann man in Gelsenkirchen die Kanadierin Leah Gordon feiern, die als Mary die Wandlung vom Mauerblümchen zum Vamp überzeugend über die Bühne bringt. Im Ensemble kann man Ex-AIDA Florence Kasumba als Tracy entdecken, weiterhin fallen Dennis LeGree als diabolischer Memphis und die liebenswert-gewichtige Amanda Whitford als Chichi positiv auf.

Aus dem Orchestergraben erschallt kein klassischer Orchestersound. Dirigent Kai Tietje hat sich – ähnlich wie zuvor bei Fame – auf den authentischen Sound einer kleineren Band verlassen und trifft damit mal wieder genau ins Schwarze. Die Bühne von Mathias Fischer-Dieskau mit einer fahrbaren Zeile zusammengesetzter Häuser aus Bar, Polizeirevier, Nachtklub und Hotelzimmer mit herunter klappbarem Bett sind eher funktional-einfach als spektakulär, erfüllen ihren Zweck aber reibungslos. Ähnliches gilt auch für die Kostüme von Andreas Meyer und Wolfgang Scharfenberger, die die Operndiven mal in nuttig -knappe, aber nie peinliche, Dessous oder wallende Abendroben für den Nuttenball stecken.

Warum The Life trotz alldem kein Musical-Strassenfeger ist, liegt zum einen in der zähen und eigentlich vorhersehbaren Handlung, die sich gerade im ersten Akt sehr schwerfällig und langatmig entfaltet. Fast drei Stunden Gesamtspielzeit bei einer eigentlich schnell erzählten Story lässt den Zuschauer eben doch mal zwischendurch auf die Uhr sehen. Zum anderen ist Colemans Musik zwar anspruchsvoll und weist durchaus so manches Highlight auf, doch der durchschnittliche Musicalbesucher wird mit der souligen Musik, die so ganz ohne Ohrwürmer und eingängige Reprisen auskommt, seine Schwierigkeiten haben. Das Musical The Life ist mit seiner doch sehr amerikanischen Thematik aus dem Rotlichtmilieu eben kein Gute-Laune-Stück, aus dem man sich summend auf den Heimweg begibt.

Fazit: Das Musical The Life in Gelsenkirchen ist schwere Kost mit leichten Mädchen.

© by Stephan Drewianka, Musical-World.de; Fotos: Foto Majer-Finkes mit freundlicher Genehmigung des MIR, Dieser Bericht ist ebenfalls in der Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe Nr. 01/06, Januar-Februar 2006 erschienen

Das Interview mit Hauptdarstellerin Anke Sieloff.

Alles zum Musical The LIFE bei Sound Of Music!