© Claus Langer - www.clauslanger.de, WDR Funkhaus
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Das Musical „Der fliegende Holländer“ als konzertante Weltpremiere im WDR Funkhaus in Köln

Der Fluch von Norwegen

Die berühmteste Vertonung der Sage um den fliegenden Holländer lieferte 1843 Richard Wagner mit seiner Oper in Dresden ab. Die Legende vom fliegenden Holländer beschreibt einen Kapitän, der durch einen Fluch dazu verdammt wurde, ewig mit seinem Geisterschiff auf den Weltmeeren zu kreuzen, ohne jemals einen Hafen anlaufen zu können oder Erlösung im Tod zu finden. In den mündlichen Überlieferungen von Matrosen (Seemannsgarn) handelt es sich dabei meist um einen niederländischen Kapitän des 17. Jahrhunderts, der beim Versuch, das Kap der Guten Hoffnung zu umschiffen, schwört, bis zum jüngsten Tag zu segeln. Diesen Fluch kann der Kapitän nur brechen, wenn er bei einem Landgang, der ihm nur alle 7 Jahre gestattet ist, eine Frau findet, die ihn aufrichtig treu liebt. Durch ihr Opfer können beide Seelen vereint in den Himmel aufsteigen. Motive dieser Geschichte inspirierten die Hollywood-Blockbuster Filmreihe „Fluch der Karibik“.

Philipp Polzin (Musik, Buch, Liedtexte), Christian D. Dellacher (Musik, Orchestrierung und Arrangement) und Daniel Werner (Grundkonzept, Art Work) ließen sich vom alten Seemannsgarn zu ihrer eigenen musikalischen Fassung als Musical inspirieren. Als eines von 15 aus 118 ausgewählten Musicals stellte sich „Der fliegende Holländer“ 2015 beim CREATORS-Wettbewerb im Hamburger Schmidt-Theater erstmals der Öffentlichkeit vor mit Chris Murray (Holländer), Katrin Taylor (Senta), David Mandell (Erik) und Thomas Hohler (Daland). Doch selbst mit Fördergeldern von insgesamt 100.000 Euro, die den Gewinnern des Wettbewerbs zur Realisierung ihres Musicalprojekts zur Verfügung gestellt wurden, war ein Musical in der Dimension eines fliegenden Holländers nicht realisierbar. Durch Verbindungen des Autorenteams zum WDR kam die Idee einer konzertanten Welturaufführung des Musicals zustande, die am 23. und 24. Februar 2018 in zwei Konzerten im Klaus-von-Bismarck-Saal im WDR Funkhaus am Wallrafplatz in Köln realisiert wurde.

Kapitän Daland kommt mit seiner Mannschaft und Ziehsohn Erik in einen schweren Sturm („Männer der See“). Nach dem Sturm geht das Schiff in einer schützenden Bucht vor Anker und Erik soll in den fremden Gefilden Wache halten. Doch Erik träumt von seiner heimlichen Liebe, Dalands Tocher Senta („Mit Dir“) und schläft ein. Ein weiteres Schiff geht in der Bucht vor Anker: Der fliegende Holländer, der dazu verdammt ist, nach 7 Jahren Irrfahrt auf See für 7 Tage Land betreten zu können, um dort durch den Kuss der wahren Liebe von seinem Fluch erlöst zu werden („Heut Nacht“). Der fliegende Holländer gewinnt das Vertrauen von Kapitän Daland, der ihn gerne zu seinem Heimathafen in Norwegen mitnimmt.

Dort warten die Dorfbewohner und Senta auf die Rückkehr der Mannschaft („Zuhaus“). Doch Senta plagen Alpträume über eine mysteriöse Sagengestalt, die ihr Schicksal bestimmen wird („Sentas Traum“). Zur Ankunft der Seefahrer veranstalten die Dorfbewohner ein Fest („Auf den Wein“). Als der Holländer zum ersten Male Senta begegnet, erkennt er, dass nur sie seinen Fluch lösen kann, erinnert Senta ihn doch sehr an seine verstorbene Frau Aline („Aline“). Am nächsten Morgen bittet Daland Erik seinen Bericht an die Handelsmarine bei der Post aufzugeben und seine Tochter Senta begleitet ihn. Auf dem Weg gestehen Erik und Senta sich ihre Liebe („Bis ans Ende der Welt“). Der Holländer ist den beiden gefolgt und selbst jetzt noch ist ihm klar, dass nur Senta seinen Fluch brechen kann („Schon bald / Heut Nacht – Reprise“).

Sechs Tage später wird Senta der Gast ihres Vaters immer unheimlicher und die Matrosen ziehen sie mit alten Legenden auf („Seemannsgarn“). Senta flüchtet in eine Kirche, um zur Ruhe zu kommen („Zeig mir den Weg – Gebet“) und trifft dort auf den Holländer, der sie beschwört, ihn zu erlösen („Das Feuer der Nacht“). Als Senta sich dem Holländer verweigert, entführt er sie mit seinem Schiff. Erik und Daland erfahren von Sentas Entführung („Fort“) und folgen dem Holländer mit dem eigenen Schiff („Der Schrecken der Meere – Männer der See“). Der Holländer sehnt mit Senta die Nacht seiner Erlösung herbei („Senta und der Holländer – Mit jedem Jahr“), doch da nähert sich Dalands Schiff und Senta muss ihre Wahl treffen („Finale Ultimo“).

Wie schon bei der Creators-Präsentation verkörperte Chris Murray („Phantom der Oper“, „Jekyll & Hyde“, „Dracula“) in gewohnt diabolischer Art perfekt den fliegenden Holländer. Sein butterweicher und gleichzeitig bedrohlicher Tenor passt perfekt zur Figur des sagenumwobenen Kapitäns. Milica Jovanovic („Rebecca“, „Love Never Dies“, „Schikaneder“) hingegen bietet ihm kraftvoll Paroli, wenn sie nicht mit dem sympathischen Richard-Salvador Wolf („Aladdin“, „Into The Woods“, „Street Scene“) in höchsten Tönen im siebten Himmel schwebt. Thomas Bayer („Das Phantom der Oper“, „Ludwig II“, „My Fair Lady“) als stimmstarker Daland rundet die Riege der professionellen Hauptdarsteller ab. Unterstützt werden die vier Protagonisten vom Ensemble „Vocaljourney“, der Rock-, Pop- und Jazzchor der Hochschule für Musik und Tanz Köln, das gesanglich und schauspielerisch mit den großen Namen des Musicalbusiness mithalten kann. Regisseur Roland Hüve gelang es, ohne Bühnenbild, auf kleinstem Raum mit im wahrsten Sinne des Wortes Kartoffelsäcken als Kostümen und etwas Bühnenlicht trotzdem den Eindruck einer schauspielerisch dichten und überzeugenden Theateraufführung zu erschaffen.

Doch neben den 21 Darstellern gab es noch einen weiteren Star des Abends: das grandiose WDR Funkhausorchester unter der Leitung von Kai Tietje sorgte erst dafür, dass die grandiose Musik von Polzin/Dellacher in bombastischer Weise dargeboten wurde, wie man sie leider nur noch selten live in einem Theater zu hören bekommt. Ganz ohne künstlichen Synthesizer-Sound erklang das Musical im Stil epischer Filmmusik mit schmissigen Seemanns-Shantys, bei der der Dirigent selbst gerne zum Akkordeon griff, und gefühlvollen Balladen, wobei „Bis ans Ende der Welt“ leicht an Aladdins fliegenden Teppich erinnerte und der schwül-erotische Tango von „Das Feuer der Nacht“ Gänsehaut zauberte wie Jekyll & Hydes „Gefährliches Spiel“. Bravo! 

Der Ton war bei der Aufzeichnung in einem WDR Funkhaus von exzellenter Qualität und am 29.04.18 war das gesamte Konzert um 19:04 Uhr auf WDR 4 zu hören. Der geplanten Radioausstrahlung ist es zu verdanken, dass die gezeigte Version des Musicals mit 2x rund 50 Minuten einer gekürzten Fassung gleichkommt, weiteres Material für eine echte Bühnenfassung ist vorhanden. Bleibt zu hoffen, dass sich nach dieser ersten konzertanten Feuerprobe, die durch das Publikum frenetisch gefeiert wurde, schon bald mutige Theaterintendanten finden, die den fliegenden Holländer tatsächlich auf die Bühne bringen. Philipp Polzin hat mir nach dem Konzert versichert, dass er auch eine „abgespeckte“ Version für nur 19 Musiker in der Schublade hätte. 

Wer sich bis zur einer Realisierung des Musicals auf einer Theaterbühne das Stück einmal ansehen möchte, kann dies noch bis zum 23.02.19 im Internet tun: die Welturaufführung des fliegenden Holländers wurde live als Video-Stream übertragen und ist noch in der WDR Mediathek zu sehen.

© Text: Stephan Drewianka, Showfotos: Claus Langer - www.clauslanger.de, WDR Funkhaus; Schlussapplaus-Fotos: Stephan Drewianka; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 93 (02-18, März-Mai 2018)

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