Parade © Freies Musical Ensemble Münster
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Deutschsprachige Erstaufführung des Musicals „Parade“ des Freien Musical-Ensembles Münster

Vergewaltigung, Mord und Lynchjustiz

Der 26. April ist in Atlanta der Konföderierten-Gedenktag des amerikanischen Bürgerkriegs, ein Feiertag, an dem jährlich eine Parade abgehalten wird. Doch im Jahre 1913 wird die junge Mary Phagan im Keller einer Bleistiftfirma vergewaltigt und ermordet vom Nachtwächter Newt Lee aufgefunden. Neben dem Nachtwächter gilt auch der Hausmeister Jim Conley schnell als Tatverdächtiger, denn er hat im Keller ein blutverschmiertes Hemd ausgewaschen. Einen Monat später fällt der Verdacht auf den Fabrikleiter, den Juden Leo Frank, gegen den die zwei bisherigen Hauptverdächtigen und die Mutter des Mordopfers aussagen. Nach 4 weiteren Wochen endet der Prozess und die Jury braucht nur 2 Stunden, um Leo Frank zum Tod durch den Strang zu verurteilen. In den kommenden zwei Jahren stellen die Anwälte von Leo Frank immer wieder Berufungsanträge, die alle abgelehnt werden und seine Hinrichtung wird auf den 22.06.1915 terminiert. Einen Tag vor der Vollstreckung wandelt Gouverneur John Slaton das Todesurteil ins lebenslange Haft um, doch bereits kurz darauf versucht ein Mitgefangener, Leos Hals durchzuschneiden, doch Leo überlebt den Angriff. Am 16.08.1915 wird Leo Frank von 25 bewaffneten Männern aus dem Gefängnis entführt und im 100 Meilen entfernten Heimatort von Mary Phagan an einem Baum erhängt. 1982 gibt der jetzt 83-jährige ehemalige Bürojunge der Bleistiftfirma eine eidesstattliche Erklärung ab, dass er den Hausmeister Jim Conley am Tag des Mordes gesehen hat, wie er die Leiche des Mädchens trug. 1986 gewährt der Staat Georgia Leo Frank eine posthume Begnadigung ohne die Schuldfrage geklärt zu haben und ihn zu rehabilitieren.

Die wahre Geschichte von Leo Frank und Mary Phagan setzte Autor und Komponist Jason Robert Brown („Songs For A New World“, „Die letzten 5 Jahre“) 1998 mit Harold Prince am Broadway in seinem Musical „Parade“ um und wurde mit den Tonys für die beste Originalkomposition und das Beste Buch ausgezeichnet. Musikalisch setzt Brown bei „Parade“ auf eine vielschichtige Mischung mehrerer Musikstile zwischen Swing, Gospel, Folk bis Rhythm and Blues in seiner anspruchsvollen Partitur, die aber zumindest beim ersten Kennenlernen noch keinen wirklichen Ohrwurm präsentiert. Zusammen mit der für ein Musical ausgesprochen schwierigen Thematik eines ungerechten Show-Prozesses, bei der Politik und Medien mit Antisemitismus und rassistischen Parolen die Verurteilung eines Mannes ohne jeglichen stichhaltigen Beweis herbeiführten, die dann auch noch in Lynchjustiz gipfelte, war „Parade“ am Broadway zunächst nur eine 10-wöchige Spielzeit mit insgesamt 123 Aufführungen vergönnt. 2007 gab es im Donmar Warehouse im Londoner West End ein beachtetes Revival mit neuen Songs, allerdings mit reduziertem Orchester.

Das Freie Musical Ensemble Münster wollte bereits im Jahre 2014 die deutschsprachige Erstaufführung in voller Orchesterbesetzung spielen, doch musste die geplante Premiere damals buchstäblich ins Wasser fallen, da der Konzertsaal der Waldorfschule Münster nach einem Unwetter einen immensen Wasserschaden aufwies und in dem Jahr nicht mehr bespielt werden konnte. Nach dem Erfolg von „Imagine This“ im Jahr 2016 wagte das FME mit Ingo Budweg (deutsche Fassung, Regie, Inszenierung und künstlerische Leitung) vom 10.11.17 bis 03.12.17 einen zweiten Anlauf für „Parade“. Dabei gelingt es Budweg mit einer exzellenten deutschsprachigen Übersetzung, einem wie immer genialen Orchester und einer talentierten Laienbesetzung den Spannungsbogen des gut 3,5 Stunden Werkes aufrecht zu erhalten und eine faszinierende Geschichte ohne Happy End zu erzählen, in der die „Schuldfrage“ letztendlich wie im wahren Leben ungeklärt bleibt. Dies gelingt nicht zuletzt durch die detailreichen Charakterstudien der Hauptdarsteller. Frank Janßen spielt Leo Frank als introvertierten und schüchternen Mitmenschen, der selbst seiner Ehefrau gerne mit der Ausrede aus dem Weg geht, er müsse selbst an Feiertagen in „seiner“ Fabrik die – wie passend für einen Juden – Finanzgeschäfte regeln. Seine Ohnmacht, bei einer gegen ihn erhobenen Mordanklage einen klaren Kopf zu behalten und rationale Entscheidungen zu treffen, die ihn vor einer Verurteilung bewahrt hätten, ist sehr gut herausgearbeitet. Seine Ehefrau Lucille Frank, warmherzig interpretiert von Katharina Datan, will sich zunächst von ihm abwenden und kann ihm nicht zur Seite stehen. Nach Leos Verurteilung jedoch ist es ihrer Initiative zu verdanken, dass der Fall neu aufgerollt wird und alle Falschaussagen revidiert werden. Sie überzeugt als emanzipierte Streiterin für die Rechte ihres Mannes schließlich Gouverneur John Slaton (Christoph Bürgstein), das Todesurteil in lebenslange Haft umzuwandeln, was ihn seine politische Karriere kostet, denn Bezirksstaatsanwalt Dorsey (Melvin Schulz-Mennigmann), Richter Roan (Carsten Jaehner) und Zeitungsherausgeber Watson (Jonas Hilbert) haben das öffentliche Meinungsbild fest im Griff. Reporter Britt Craig (bestens besetzt mit Sönke Westrup) erkennt viel zu spät seine Mitschuld an der Vorverurteilung Leos durch die Medien, die schließlich in der Lynchjustiz Leos gipfelt, so dass er tief bewegt und reumütig Lucille Leos Ehering als letzte Erinnerung zurückgibt.

Das Musical gewinnt nicht nur durch einen satten Orchestersound, sondern selbstverständlich auch durch das riesige Ensemble des FME, wirken bei „Parade“ doch insgesamt mehr als 100 Personen mit. Die historischen Kostüme von Matthias Betke und Viktoria Schmitz sind im Bühnenbild von Christoph Bürgstein und Sonja Roeske ein wahrer Augenschmaus, so dass die perfekt von Georg Weigang und Holger Blumberg ins Licht gesetzten Szenen im Gericht, Ballsaal oder der Straßenparade zu Höhepunkten werden. In jeder Szene präsent ist ein Baum mit dem Galgen an dem Leo aufgehängt wird – das Sinnbild vom Baum des Lebens wird zur Mahnung an den Tod. Auch die Choreografie von Johanna Lammert und Katrin Wegener überzeugt in einer getanzten Zeitungsnachrichten-Sequenz. Thorsten Brinkmann am Ton sorgt dafür, dass alle Darsteller gut zu verstehen sind.

Mit „Parade“ beweist das Freie Musical Ensemble einmal mehr, dass „Amateure“ den großen Musicalproduzenten locker das Wasser reichen können. Ohne große Schauspieler-Namen und aufwendige Bühnentechnik wird in Münster hochwertige Theaterunterhaltung präsentiert. Zudem darf man allen Verantwortlichen zu ihrem Mut gratulieren, erneut ein Musical jenseits des Mainstreams als deutschsprachige Erstaufführung zu zeigen, welches selbst mit einer typisch amerikanischen Geschichte aus dem letzten Jahrtausend momentan aktueller kaum sein kann. Die Medien von heute haben sich gewandelt, „Fake-News“ verbreiten sich schneller denn je, werden kaum noch hinterfragt und Sündenböcke sind bei Minderheiten schnell gefunden und verurteilt. Musical darf eben auch mal anspruchsvoll sein und zum Nachdenken anregen.

Text und Fotos © Stephan Drewianka; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 92 ( 01-18,) Januar-März 2018


Südstaaten-Musical "Parade" als Erstaufführung des Freien Musical-Ensembles in Münster

Mitte November steht für das Freie Musical-Ensemble Münster e.V. (FME) die Premiere des Musicals „Parade“ an. Bis dahin ist aber noch jede Menge Arbeit zu tun: Das Orchester hat angefangen, die gewaltige Komposition aus der Feder von Jason Robert Brown zu proben, das Ensemble feilt an dramatischen Spielszenen, das mehrstöckige Bühnenbild wird gebaut und die Kostüme im Stil der amerikanischen Südstaaten werden geschneidert.

Auch in diesem Jahr widmet sich das FME wieder der Erarbeitung eines Stückes, welches auf wahren Begebenheiten beruht. Während sich die Inszenierung Imagine This im Jahr 2016 mit der deutschen Geschichte und dem Schicksal der Juden im Warschauer Ghetto auseinandersetzte, spielt das diesjährige Musical „Parade“ in den Südstaaten von Amerika, im Jahr 1913. 

Das Stück beruht auf der wahren Geschichte des jüdischen Fabrikbesitzers Leo Frank, der 1913 im amerikanischen Bundesstaat Georgia der Vergewaltigung und Ermordung seiner 13-jährigen Angestellten Mary Phagan für schuldig befunden und zum Tode verurteilt wurde. Maßgeblicher Grund für die Verurteilung war die Aussage des Hauptbelastungszeugen, der – wie sich Jahre später herausstellte – die Tat sehr wahrscheinlich selbst verübt hat. Nach der Urteilsverkündung tauchten entlastende Hinweise auf, aufgrund derer der Gouverneur von Georgia das Todesurteil in lebenslange Haft umwandelte. Gleichwohl wurde Frank wenig später von einer Gruppe, die sich „The Knights of Mary Phagan“ nannten, in einem Akt der Selbstjustiz aus dem Gefängnis entführt und erhängt. 

„Parade“ verdeutlicht auf beklemmende Art und Weise, welche Auswirkungen Medienberichterstattung und Sensationslust haben können, wie sich Menschen unter Druck manipulieren lassen und wie dadurch das Schicksal Einzelner beeinflusst werden kann. Auch Gruppenzwang, Vorverurteilung, Lynchjustiz und Antisemitismus gehören zu den zentralen Themen des Stückes – Themen, die auch in der heutigen Zeit noch nicht an Aktualität verloren haben und nicht nur die amerikanische Gesellschaft noch immer prägen. Neben dem Gerichtsprozess wird auch die Beziehung zwischen Leo und seiner Frau Lucille beleuchtet, die sich im Verlaufe des Stückes von kühler Distanz zu vertrauter Nähe entwickelt. Die „etwas andere“ Liebesgeschichte erinnert daran, dass gerade in schwierigen Zeiten die Unterstützung und der Zusammenhalt der Familie und engsten Vertrauten unerlässlich ist.

Bereits im Jahr 2014 begann das FME mit der Erarbeitung dieses Musicals. Damals wurde jedoch der Konzertsaal der Waldorfschule – seit jeher die Spielstätte des Ensembles – durch die heftigen Unwetter überflutet. Aufgrund der langwierigen Renovierungsarbeiten mussten die Aufführungen abgesagt werden. „Das Stück damals abzusetzen war eine sehr schwierige Entscheidung“, erinnert sich Gesamtleiter Ingo Budweg. „Wir hatten immer vor, ‚Parade‘ wieder auf die Bühne zu bringen. Die Geschichte ist zu besonders, die Musik zu facettenreich. Ein solches Musical darf nicht einfach in einer Schublade liegen bleiben.“ Zudem ist es eine besondere Ehre für das Ensemble, nach ihrem Erfolg bei „Imagine This“ 2016 auch in diesem Jahr wieder eine Deutschlandpremiere spielen zu dürfen.

Bei der diesjährigen Inszenierung scheint dem Ensemble aber nicht nur das Wetter wohlgesonnen zu sein. Eine umfangreiche Förderung erhielt das Ensemble durch die Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost. „Das Freie Musical-Ensemble hat sich zu einer festen Säule in der Münsteraner Kultur- und Theaterszene entwickelt. Die Förderung der Stiftung soll einen Beitrag dazu leisten, dass kulturelles Leben und musikalische Vielfalt in der Region weiterwachsen“, so Bernd Theilig, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost. „Die Leidenschaft für Musik und Theater und das hohe Maß an Engagement aller beteiligten Personen werden sicherlich auch in diesem Jahr wieder für die Besucher spürbar werden.“ 

Das Musical „Parade“ ist ein anspruchsvolles und dramatisches Stück mit Tiefgang. Bei der Inszenierung des Gerichtsprozesses kann sich jeder Zuschauer selbst die Frage stellen, ob er für oder gegen eine Verurteilung von Leo Frank gestimmt hätte. All dies wird untermalt von vielseitiger Musik aus für die Südstaaten typischen Dixieklängen, traurigen Balladen, beschwingten Musicalnummern und sogar Einflüssen aus dem Bereich des Jazz. Wie gewohnt enthält die Inszenierung auch wirkungsvolle Choreographien, ein beeindruckendes Bühnenbild und ausgefallene Kostüme.

Lange müssen sich die Besucher nicht mehr gedulden. Die Premiere von „Parade“ ist bereits am 10. November 2017 um 19:30 Uhr im Konzertsaal der Waldorfschule Münster. Der Kartenverkauf hat bereits begonnen. Tickets können bequem online über die Homepage www.fme-ms.de bestellt oder in den lokalen Vorverkaufsstellen erworben werden.

Vorverkauf über: www.fme-ms.de, Münster Marketing, Der Wunderkasten, Cramer & Löw, Jörgs CD-Forum u.v.m.

Preise: 28 € regulärer Preis, 23 € ermäßigter Preis zzgl. Gebühren

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© Pressetext: Freies Musical Ensemble Münster, Fotos: Stephan Drewianka