Musical Vom Geist der Weihnacht
Musical Vom Geist der Weihnacht
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Musical Vom Geist der Weihnacht in Köln

Märchenhafter Spuk im Kölner Musical Dome

Kotzbrocken mutiert zum Sympath: Chris Murray auf der weihnachtlichen Geisterbahn

Bereits seit 2001, alle Jahre wieder, spukt er nun schon mit schöner Regelmäßigkeit durch die Lande. Vorzugsweise in der Adventszeit. (Klar, zu Ostern, Pfingsten oder im Hochsommer müssten sich Mr. Scrooge, Marley, Belle und Co ja auch etwas deplatziert vorkommen). Der Plot gebietet es halt, dass der „Geist der Weihnacht“ nun mal um das Christfest herum die Glöckchen klingen lässt. Und er ist inzwischen zur festen Größe geworden. In diesem Jahr entfaltet Dirk Michael Steffans farbenprächtiges, wunderschön-fantasievolles Familienmusical in Kölle am Rhein seinen sprichwörtlichen Zauber. Seit 23. mutiert im hiesigen Musical Dome Abend für Abend ein unausstehlicher Stinkstiefel zum sympathischen Philanthropen.

Musical Vom Geist der Weihnacht Alle Jahre wieder

Das Musical Vom Geist der Weihnacht basiert auf Charles Dickens‘ weltberühmter und 1843 erstmals veröffentlichte Erzählung A Chrismas Carol, der neben der echten Weihnachtsgeschichte um die Geburt Jesu wohl bekanntesten, berührendsten und schönsten Christfeststory aller Zeiten. Und selbige wird seit neun Jahren an wechselnden Standorten mit viel Liebe, Detailversessenheit und Enthusiasmus musicalisch in Szene gesetzt. Wie bereits 2007 in Frankfurt und vergangenes Jahr in Düsseldorf hält Iris Limbarth auch in Cologne als Regisseurin die Fäden in der Hand. Und die Wiesbadenerin wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, würde sie die Möglichkeiten, die der „Dome“ bietet, nicht ausschöpfen und ausreizen. Entsprechend opulent, was Kullisse , Bühnenbild und Technikeinsatz anbelangt, fällt die diesjährige Vom Geist der Weihnacht Musical-Version dann auch aus. Sie ist dahingehend aber, gemessen an anderen Produktionen, immer noch von vornehmer Zurückhaltung. Einen großen Teil seiner visuellen Spannung und Dichte bezieht das Stück aus seinem ausgeklügelten, durch Laser- und Videoprojektionen unterstützten Lichtdesign, und das sitzt in jeder Sekunde wieder genau auf dem Punkt.

Höhen und Tiefen

Steffans Bemühen, den Dickens-Stoff in ein klangvolles Bühnenmärchen für Groß und Klein zu verpacken, war anfangs noch belächelt worden, von einigen Platzhirschen der Branche, aber auch von „schlauen“ und neunmalklugen Theaterkritikern. Doch die Überheblichkeit ist inzwischen in Respekt umgeschlagen. Der Medienprofi, Journalist, Autor und Komponist aus Gelsenkirchen zog sein Ding unbeirrt durch – und das ist auch gut so. Mit der Welt -Uraufführung 2001 im damaligen TheatrO CentrO in Oberhausen, das neuerdings ja Metronom-Theater heißt, war der Grundstein für Erfolgsstory gelegt, Höhen und Tiefen inklusive. Natürlich hat das Stück im Laufe der Zeit Veränderungen erfahren, szenische, dramaturgische und solche bei den Dialogen und Arrangements. Aber die Grundstruktur blieb unangetastete. Und die Sache funktioniert nach wie vor, heuer vielleicht sogar besser denn je. Es stört nicht (oder kaum), dass die aufwendige Orchestrierung „nur“ vom Band kommt, das Ganze also bei Live-Gesang eine Halbplayback -Veranstaltung ist. Würde man dahingehend aufrüsten und leibhaftige Musiker einsetzen,  wären die Preise nicht zu halten. Als „Musical für die ganze Familie“ muss man sich dahingehend ja erst recht an bestimmten tariflichen Schmerzgrenzen orientieren. Bei „Bonifatius“ oder „Elisabeth- die Legende einer Heiligen“ beispielsweise kam der Sound ja auch aus der Konserve, ohne dass dieser Umstand diesen hochklassigen Produktionen zum Nachteil gereichte.

Ein ganzer Sack voller schöner Melodien

Steffans Partitur beinhaltet eine Fülle schöner, eingängiger Melodien, von denen sich nicht wenige in den Gehörgängen festsetzen.  Dazu zählen das als Reprise immer wieder auftauchende „Folge mir“, das wunderschöne „Ein Leben lang“, das eindringliche „Scrooge, wach‘ endlich auf“, das zynische (Weihnachten ist)“Rattendreck“ oder das überschäumende, burleske „Oops, das tut uns leid“.

Handlung des Musicals Vom Geist der Weihnacht

Die Mitte des 19. Jahrhunderts in England angesiedelte Handlung des Musicals Vom Geist der Weihnacht: Ebenezer Scrooge ist als Geschäftsmann genau so erfolgreich wie als Mensch unausstehlich. Ein mitleid- und gefühlloser, raffgieriger Kotzbrocken par excellence, der seinen Mitmenschen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnt und seine Untergebenen und Schuldner gnadenlos ausbeutet. Also ein Soziopath wie aus dem Bilderbuch. An Heiligabend hat der diplomierte Unsympath dann eine unheimliche Begegnung der dritten Art. Sein alter Kumpel und Geschäftspartner Jakob Marley, der seit 20 Jahren tot ist, redet ihm in das nicht vorhandene Gewissen. Er tut das nicht ganz uneigennützig. Marley ist als Geist dazu verdammt, sein Dasein zwischen den Dimensionen zu fristen, er ist weder lebendig, noch ist er tot. Erst dann, wenn es ihm gelingen sollte, Scrooge zu einem besseren Menschen zu machen, winkt die Erlösung. Also versucht er das mit Unterstützung eines guten Dutzends Schicksalsgenossen, die wie er rast- und ruhelos zwischen den Welten pendeln. Die Therapie schlägt nicht an. Erst als der Engel Belle auftaucht, und die beiden auf einer himmlischen Zeitreise in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft begleitet, in deren Verlauf Mr. S. sich wiederholt selbst begegnet und erkennt, was er seiner Umgebung antut und angetan hat, beginnt die Verwandlung zum Gutmenschen.

Schmunzeln, Lachen, Leiden, Weinen

Im Grunde genommen ist die Storyline, in die Dickens‘ einen gehörigen Schuss Sozialkritik an den Zuständen seiner Zeit gekippt hat, schlicht. Sie will bühnengerecht aufbereitet sein, und zwar so, dass sich ein konstanter, von Hängern freier Spannungsbogen ergibt, der nicht nur einfach gut unterhält, sondern auch mitreißt und mitfühlen lässt. All das gelingt dem Stück. Es zielt auf das Herz, das Ohr und den Bauch – und es trifft. Wen das alles völlig unberührt und kalt lässt, dem ist sowieso nicht zu helfen. Solche emotionalen Krüppel soll es ja auch geben. Die findet man im Publikum der aktuellen Spielzeit jedoch so gut wie nicht. Die zwischen Poesie, Dramatik und Humor hin und hergerissenen Zuschauer lachen, schmunzeln, leiden und, jawoll, sie weinen auch. Und damit hat eine Musical- und/oder Theaterproduktion ihr Klassenziel allemal erreicht.

Chris Murray spielt mit exzessiver Inbrunst

Jede Inszenierung steht und fällt zu einem großen Teil auch mit der Qualität der Cast. Und in dieser Hinsicht haben die Spieler beim Weihnachtsgeist in Köln ein ziemlich gutes Blatt auf der Hand. Allen voran Chris Murray: Die Figur des (schließlich geläuterten) Fieslings zeichnet der umtriebige Tausendsassa mit nachgerade exzessiver Inbrunst, in all ihren differenzierten Facetten. Authentisch, überzeugend, wuchtig – und mit einer wohl dosierten Brise Komik. Auch Scrooge’s Wandlung von Böse zu Gut wird in Murrays Diktion zu (ganz) großem Kino, wie der Cineast es formulieren würde. Der gebürtige Braunschweiger, man weiß es inzwischen, spielt seine Rollen nicht (nur), er ist die spiegelbildliche Identifikation derselben. Hier verschmelzen Kunstfigur und eigenes Ich zu einem Ganzen. Keine Frage: “Konrad von Marburg“ agiert längst in der Premium-Liga der deutschsprachigen Musicalszene und zählt zum Besten, was diese hervorgebracht hat. Angesichts der Omnipräsenz von Mr. Scrooge nimmt sich Anne Weltes Anteil an der Show vergleichsweise bescheiden aus. Doch der hat es in sich. Allein der durchchoreografierte A-Capella-„Rap“ „Nur eine Kleinigkeit“, in dessen Rahmen die quirlige Saarländerin als „Mrs. Fezziwig“ Rezeptur und Zustandekommen des üppigen Weihnachtsfestessens rekapituliert, lohnt den Besuch. Eine treibende, schreiend komische Revuenummer.

Der Zauber eines (No)Engels

Jahrelang hat sie (recht erfolgreich und glaubhaft) behauptet, kein Engel zu sein. Aber genau als ein solcher kommt Ex-„No Angles“-Sängerin Sandy Mölling jetzt doch daher. Und sie macht als „Belle“ einen richtig guten Job. Vor ein paar Jahren hatte Ron Holzschuh an gleicher Stelle noch als Tanzboden-Casanova in Saturday Night Fever reüssiert, um seinen weißen Angeberanzug nun gegen den morbiden Spinnenweben-, Schlösser- und Kettenlook „Marleys“ zu vertauschen. Als halbtoter Geist ist der Mann aus Zwickau in sein geliebtes Stammhaus zurückgekehrt, um sich daselbst mit Murray die Bälle zuzuspielen. Axel Kraus hingegen zählt zu den „Geistern“ der ersten Stunde und gehörte als Mr. Fezziwig schon zur Premieren-Cast in Oberhausen. Egal ob Maciej Salamon als „Mr. Crachit”, Annette Kuhn als seine Angetraute,  Lukas Weinert als gehbehinderter “Timmy” oder Iris Werlin als „Mrs. Pommeroy“, das gesamte Ensemble agiert mit viel Enthusiasmus und einer großen Portion Hingabe. Den vorjährigen Weihnachts-Spuk im Düsseldorfer Capitol-Theater kann man sich inzwischen in Gestalt einer aufwändig produzierten DVD auf die heimische Mattscheibe projizieren. Aber die Magie dieses wunderschönen Märchens entfaltet sich erst im Ambiente eines Theaters. Bis einschließlich 30. Dezember besteht im Kölner Musical-Dome noch die Gelegenheit, sich davon be- und verzaubern zu lassen.

© by Jürgen Heimann

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