Jesus Christ Superstar
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Theater
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Musical Jesus Christ Superstar in Kassel

Mama Maria! Jesus Christ Superstar im Staatstheater Kassel

In elf Sprachen übersetzt und in mehr als zwanzig Ländern gespielt, zählt das Musical Jesus Christ Superstar von Sir Andrew Lloyd Webber und Tim Rice seit 1970 zu den meistgespielten Musicals überhaupt. Anders als bei anderen Webber-Musicals, für deren Aufführungsrechte es weltweit feste Regeln gibt, können sich die Regisseure der Stadttheater an der Interpretation dieser Rock-Oper über die letzten sieben Tage im Leben von Jesus Christus regelrecht austoben und ihrer kreativen Fantasie freien Lauf lassen. So wird der biblische Stoff immer wieder neu erzählt und vielleicht macht diese Tatsache einen Besuch der zahlreichen Aufführungen in Deutschland auch immer wieder sehenswert, gerade weil sich die Frage stellt, ob die zwölf Apostel als militante Gruppe im Armee-Look auftreten, die Pharisäer in Gestapo-Ledermäntel gesteckt werden, oder Jesus ein Hippie ist. Selbst bei der Orchestrierung des Werkes kann man Überraschungen überleben, reichte das Spektrum bisher von minimalistischer Hardrock-Band bis hin zum satten Symphonieorchester-Sound. Selbstverständlich gibt es dieses Musical auch in deutscher Übersetzung, doch anders als die Inszenierung selbst, unterliegt die deutsche Fassung einem streng geregelten Copyright, welches aktuellere und bessere Übersetzungen des Originallibrettos nicht zulässt. Leider ist die erste und einzige deutsche Übersetzung keine literarische Glanzleistung und so überrascht es kaum, dass fast alle Produktionen des Musicals Jesus Christ Superstar in Deutschland in englischer Originalversion mit deutschen Übertiteln gezeigt werden. Und zumindest in dieser Hinsicht erlebt der Besucher von Jesus Christ Superstar am Staatstheater in Kassel keine Überraschung. Seit der Premiere am 12. Januar 2008 im Opernhaus heißt es auch in Hessen eben »I don´t know how to love him« anstelle von »Wie soll ich ihn nur lieben«.

Umsetzung des Musicals mit Patrick Stanke als Jesus

Intendant Thomas Bockelmann hat keine Kosten und Mühen gescheut, um eine für Musicalfans recht interessante Auswahl an Musical-Superstars für seine Produktion auf die Bühne zu stellen. Patrick Stanke, der ab 21. März diese Rolle auch in Magdeburg verkörpern wird, spielt Jesus von Nazareth, Judas Ischariot wird von Darius Merstein-MacLeod dargestellt und auch Dance-Captain Nico Gaik als Thaddäus sowie Kai Hüsgen als Simon Zealotes dürften überregional dem Musicalpublikum bekannte Gäste sein. Als Maria Magdalena war zunächst Anna Montanaro im Gespräch, die schon in der Vorgängerproduktion »Anything Goes« ein gerngesehener Gaststar am Staatstheater war (siehe Blickpunkt Musical Ausgabe 03/07, Mai-Juni 2007). Jedoch musste man in Kassel nicht zuletzt durch ihr Engagement als Donna in der Essener »Mamma Mia!«-Produktion nach einer Alternative suchen und fand in Jacqueline Braun eine Maria Magdalena, die optisch so gar nicht zur Standard-Maria in anderen Produktionen passen will, die oft an ein superschlankes Modemodell erinnert. Jacqueline Braun hingegen strahlt die Wärme einer Übermutter aus und schlägt mit ihrer fantastischen jazzigen Soulstimme jeden in ihren Bann. Sie ist vielleicht sogar der echte »Superstar« in dieser Produktion. Ihr »I don´t know how to love him« wird zur gefühlvollen Liebeshymne und das Duett »Could we start again, please?« mit Partner Sven Olaf-Denkinger als Simon Petrus zum neuen Showstopper mit Gänsehautgarantie! Natürlich machen Patrick Stanke und Darius Merstein-MacLeod ihre Sache mehr als gut, denn ihre gesanglichen und schauspielerischen Leistungen sind über jeden Zweifel erhaben. Ärgerlich hingegen ist die Tatsache, dass am Premierenabend die Tontechnik noch nicht sicher eingespielt war und insbesondere Stankes Stimme leider über den gesamten ersten Akt zu leise verstärkt wurde. Stankes »Gethsemane« setzte im zweiten Akt jedoch akustisch wie optisch durch einen Engel im Hintergrund einen Höhepunkt und Merstein -MacLeods »Judah´s Death« spielte sich in ungeahnte Rock-Höhen hinauf. Das Musical Jesus Christ Superstar lebt eigentlich von der schwelenden Rivalität eines schwachen Jesus und eines enttäuschten Judas, der seine hohen Ziele nicht mehr durch seinen religiösen Anführer durchgesetzt und vertreten sieht. Diesem Konflikt der beiden Hauptcharaktere zollte die Inszenierung von Thomas Dietrich jedoch nicht die nötige Aufmerksamkeit und so verliert Judas Verrat durch einen Kuss an Intensität, da dem Publikum der eigentliche Hintergrund von Judas Handeln verborgen bleibt.

Trotz dieses Regie-Mangels überzeugt die Kasseler Inszenierung des Musicals Jesus Christ Superstar mit einigen starken Bildern (Bühne: Anna Kirschstein): Zum »Hosanna« versammeln sich die Massen des Opernchores, des Extrachores und der Statisterie fein säuberlich getrennt in Juden, Orientalen und amerikanische Touristen mit Kameras und »I love Jesus« T-Shirt. Später kriechen die Aussätzigen in grünem Licht wie Zombies auf den überforderten Jesus zu (Licht: Albert Geisel). Für die Abendmahl-Szene stand das weltberühmte Gemälde Leonardo Da Vincis Pate und die Vertreibung aus dem Tempel findet in einem altmodisch-orientalischen Basar mit Sklavenhandel statt. Auch die Verurteilung durch Pontius Pilatus (Lars Rühl in Bestform als römischer Statthalter) gewinnt durch die opulenten Menschenmassen auf der Bühne. Ein besonderes Bonbon jeder Inszenierung ist der »King Herod´s Song«. In Kassel ist Herodes (Ulrich Wewelsiep) ein versnobtes Elvis-Imitat im Glitzeroutfit mit erotisch-lasziver Popkultur-Gefolgschaft. Die Kostüme von Magali Gerberon sollten schon dafür lobende Erwähnung finden, auch wenn zunächst Jesus Gefolgschaft wie die kommende Sommerkollektion von H&M in modischen Brauntönen daherkommt, Jesus erst in sportlichen Turnschuhen auftritt und später bei der Kreuzigung Boxershorts trägt, so darf sich Darius Merstein-MacLeod als Judas im verräterisch burgunderroten Anzug zeigen und dabei sogar seine Brille aufbehalten. Kontraste zeigen die Pharisäer mit Dieter Hönig als Bass-Bariton Kaiphas in päpstlichem Violett und schurkischem Schwarz. Überhaupt leben die Hohepriester scheinbar im Untergrund, der steril mit grünen Stahlträgern gleich einem U-Bahnschacht nur über eine Falltür zu erreichen ist und durch die Hebebühne des Theaters hochgefahren wird.

Für dieses Musical eher untypisch legte Cedric Lee Bradley auch großen Wert auf die Choreographie und so erfreut man sich so mancher netten Tanzeinlage. Im Orchestergraben findet die musikalische Leiterin Giulia Glennon einen interessanten Mittelweg zwischen Rockband und Symphonieorchester, der in dieser Form überraschende Akzente setzt, nicht zuletzt Dank des Einsatzes des Kinderchores Cantamus, der beim Disco-Finale als beflügelte Engelchen die Bühne säumt, während der wiederauferstandene Judas in blutrotem Lack seinen einstigen »Superstar« besingt. Der gekreuzigte Jesus wird im letzten starken Bild des Abends zum Sterben auf der plötzlich menschenleeren Bühne ganz allein gelassen. Das Premierenpublikum spendete nach dem besinnlichen »John 19:41« den verdienten Applaus. Im Staatstheater Kassel steht Jesus Christ Superstar zunächst bis zum 14.06.2008 zwanzigmal auf dem Spielplan – eine Wiederauferstehung nach der Sommerpause ist natürlich nicht ausgeschlossen!

© by Stephan Drewianka, Musical-World.de

Dieser Bericht erschein ebenfalls in der Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 02/08, März-April 2008; Fotos Vorstellung: Dominik Ketz ; Foto Premierenfeier: Stephan Drewianka

Alles zum Musical Jesus Christ Superstar bei Sound of Music.

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