Musical Die Erschaffung der Welt
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Musical Die Erschaffung der Welt in Essen

Uraufführung am Grillo-Theater in Essen: Darwin gegen Gott - Viva la Evolution!

In den letzten 250 Jahren hat die Wissenschaft unser Weltbild mehr als einmal umgekrempelt. Doch jede Antwort beschert der Forschung eine Vielzahl neuer Fragen. Während die Naturwissenschaft unser menschliches Dasein als Krönung von Zufall und natürlicher Auslese beschreibt, sieht die Religion die menschliche Seele und unser Wirken als göttlichen Plan mit rotem Faden. Und zumindest zucken auch moderne Physiker etwas ratlos mit den Schultern, wenn es um die Zeit vor dem Urknall geht. Der Weg aus dem Nichts bis zum Gipfel der Evolution, den übrigens nicht der Mensch, sondern die Atomkrieg-resistente Kakerlake darstellt, soll uns nun das Musical Die Erschaffung der Welt als Uraufführung des Schauspiels Essen seit dem 15. Dezember 2012 in rund zwei Stunden über 13687963512 Milliarden Jahre unserer Geschichte auf unterhaltsame Weise näherbringen.

Erschaffung der Welt: Duell Religion gegen Wissenschaft mit Witz, Charme und Humor

Das intelligente Buch von Maren Scheel (Sams – das Musical, West Side Story und Kein Bund fürs Leben als Schauspielerin) verquickt als zusammenhängendes Episodentheater die wichtigsten Stationen vom Urknall, dem Zusammenfinden der Aminosäuren, der Entwicklung der Pflanzen, die Eroberung des Landes durch Amphibien, das Aussterben der Dinosaurier und die Sackgasse des Neandertalers ganz zwanglos mit der göttlichen Schöpfung des Menschen mit Adam und Eva im Schrebergarten Eden. Als Kontrahent steht dem leibhaftigen Gottvater der berühmte Evolutions-Wissenschaftler Charles Darwin zur Seite und ihre Zitat-gespickten Dialoge vom Titanic-Satiriker Thomas Gsella versprühen Witz, Charme und Humor ohne gleich Theologen, Philosophen oder Wissenschaftler naserümpfend auf die Barrikaden zu rufen. Ganz im Gegenteil: Lässt man sich als Zuschauer auf das Duell Religion gegen Wissenschaft ein, darf man Tränen lachen und sich augenzwinkernd verschiedenen philosophischen Betrachtungen zur menschlichen Seele, dem Tod und „der letzten aller Fragen“ stellen.

8-köpfige Band und himmlische Heerscharen mit Spieltempo

Der Bochumer Stephan Kanyar (Frankenstein, Lulu und zuletzt Shylock!), der in Essen auch die musikalische Leitung übernimmt, steuert eine abwechslungsreiche und flotte Musik bei. Sie schlängelt sich durch verschiedene Stilrichtungen von Swing, Rock, Pop und Gospel, lässt Raum und Zeit einen Tango als Schwarzlicht-Theater tanzen und Darwin und Gott revueartig in der Choreografie von Veruschka Hall und Bernd Paffrath steppen, bietet aber auch Platz für Evas dramatische Musicalballade „Wenn deine Hand nicht mehr in meiner liegt“. Kanyar hat seine 8-köpfige Band gekonnt im Griff, die den sieben Darstellern und dem Chor der himmlischen Heerscharen ein gehöriges Spiel- und Singtempo vorgeben.

Gottes Urknall, Aminosäuren-Quartett, erotische Erdbeere, Adam & Eva und Neandertaler

Tom Gerber spielt mit Glitzersakko den perfekten Alleinunterhalter Gott, dem das Nichts, das ihm schon so manches abgelegte Käsebrötchen gekostet hat, zu langweilig wird und mit einer aufgeblasenen Papiertüte den Urknall initiiert. Jan Pröhl hingegen verkörpert in seinem übergroßen, karierten Anzug den typischen Professor Hastig aus der Sesamstraße, dem nichts als die Wissenschaft heilig ist. Nach dem Aminosäuren-Quartett hat Laura Kiehne als erotische Erdbeere, Fisch und Eva drei weitere wechselhafte Rollen inne, deren starke Momente sie mit Partner Stefan Diekmann (Aminosäure, Fisch, Neandertaler und Adam, der sich bei Gott permanent beschwert, nicht so geliebt wie der andere Sohn zu sein) teilen darf.

Keiner liebt den T-Rex

Beatrice Reece beeindruckt nachhaltig als fleischfressender T-Rex mit der stimmgewaltigen, doch traurigen Erkenntnis „Sie lieben mich nicht“, die ja auch schnell zum Aussterben dieser Gattung führte. Aber Frau Reece darf das Publikum auch weiterhin als Aminosäure, Arbeiterin, Afrikanerin und Kakerlake beglücken. Ihr Kakerlaken-Partner Jens Orchlast überzeugt ebenfalls u.a. als Philosoph, Inder und Sam, während Claudia Renner u.a. als Vereinsvorsitzende des Kleingartenverbandes Eden über die Ausweisung der Störenfriede Adam und Eva Gericht hält. Permanent präsent sind Gottes himmlische Heerscharen (Raphael Baronner, Klaus Greib, Nadja Karasjew, Katja Romanski, Christopher Schmidt, Lisa Timm, Nico Kambeck, Isabel Tetzner), die als pummeliger Putten-Chor Gott den Rücken stärken dürfen.

Herrliche Bildsprache für Licht, Bühne und Kostüme

In der Inszenierung von Caroline Stolz spielen die witzigen Einfälle für Bühne und Kostüme von Jan Hendrik Neidert und Lorena Diaz Stephans ebenfalls eine zentrale Rolle: Wäschespinnen mit grünen T-Shirts als Symbol der Pflanzen, gestreifte Badeanzüge inkl. Schwimmflossen und Badewanne für die ersten Fische, die blutige Schürze und der Hackebeil-Kamm des T-Rex oder die Scheibenwischer als Fühlerersatz der Kakerlaken bilden eine herrliche Bildsprache im Licht von Daniela Schulz, das besonders bei der Erschaffung der Galaxien mit Glühbirnen und Spots durch seine Einfachheit überzeugt.

Musical Erschaffung der Welt ist ein vergnüglicher Theaterabend mit Tiefgang

Die Erschaffung der Welt – das Musical nach einer wahren Begebenheit ist auch ohne große Namen aus der Musicalszene ein vergnüglicher Theaterabend mit Tiefgang, der Darwins Evolutionstheorie harmonisch mit der Bibel vereint, grölende Neandertaler als Schalke-Fans enttarnt und Aufklärungsunterricht über die 200 erogenen Zonen der Frau und der einen Stelle des Mannes gibt. Nach dem langen Applaus des begeisterten Premierenpublikums steht das kleine, aber feine Musical bis zum 5. Juli 2013 insgesamt 18 Mal auf dem Spielplan des Grillo-Theaters in Essen.  

© Text und Schlussapplausfotos: Stephan Drewianka, Musical-World.de; Bühnenfotos: Birgit Hupfeld; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 62, Januar-März 2013