Miami Nights Tecklenburg © Stephan Drewianka
Miami Nights Tecklenburg © Stephan Drewianka
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Tanz-Musical “Miami Nights” 2023 in Tecklenburg

The Rhythm Is Gonna Get You

In modernen Musicals wird leider wenig getanzt. Dabei ist Tanz in der Kunstform Musical neben Gesang und Schauspiel das dritte Standbein, mit dem die Darsteller Emotionen und Gefühle transportieren. Aber reine Tanzmusicals sind selten geworden, ihre Blütezeit waren die 70er bis 80er Jahre mit „Flashdance“, Dirty Dancing“, „Grease“, „Footloose“ und „Saturday Night Fever“. Genau in diese Tradition reiht sich das Musical „Miami Nights“ ein, das Alex Balga im Jahr 2002 zusammen mit Marcus Haselhoff, Natalie Holtom und Karin Kern für das Capitol-Theater Düsseldorf konzipierte. Ähnlichkeiten zu Klassikern wie der „West Side Story“ mit der Rivalität von Amerikanern zu Puerto-Ricanern oder in Miami mit Kubanern werden genauso aufgegriffen wie die unbarmherzige Konkurrenz bei lateinamerikanischen Turniertänzen im Stile des grandiosen Baz Luhrmann Films „Strictly Ballroom“ von 1992. Diese inhaltlichen Parallelen zu großen Vorbildern sind bei „Miami Nights“ kein Zufall, sondern witziges Stilelement einer gelungenen Persiflage, und die Zuschauer werden praktisch aufgefordert, berühmte Zitate wie „Dies ist mein Tanzbereich und das ist deiner“ den korrekten Originalen zuzuordnen. Und um diesem kreativen Ideenklau die Krone aufzusetzen, spickt Balga sein Musical mit den besten Dance-Hits der 80er Jahre von Gloria Estefan, Whitney Houston, Madonna, Bonnie Tyler, George Michael, Duran Duran und David Bowie.

Die Handlung von Miami Nights

Die Handlung ist schnell erzählt: Turnier-Tänzer Jimmy Miller hat seine Tanzpartnerin Jessica Diamond nach ihrer Sabotage am Schuh einer Konkurrentin endgültig satt, obwohl das Paar eigentlich für das Finale des Miami-Nights Dance-Contests qualifiziert ist. Beide müssen sich neue Partner suchen, und während Jessica nach kurzem „Holding Out For A Hero“ schnell in ihrem Erzrivalen „Hip To Be Square“-Roy Fire einen skrupellosen, aber dem Alkohol verfallenen, ebenbürtigen Ersatz findet, tut sich Jimmy wesentlich schwerer. Er trifft die unscheinbare kubanische Popcorn-Verkäuferin Laura Gomez in der „The Rhythm Is Gonna Get You“ Salsa-Bar ihres „Wild Boys“ Bruders Emilio, die ihn in die leidenschaftlichen kubanischen Tänze „Baila Me“ einführt, die so ganz anders sind als die regelkonformen Latein-Amerikanischen „Let´s Dance“ Schrittmuster, die Jimmy aus der Tanzschule seiner Mutter Betty und aus den Unterrichtsstunden mit Tanztrainer Mr. Bob kennt. Mr. Bob möchte Präsident des Tanzsport-Verbands werden und dafür müssen seine Schüler Jessica und Jimmy das Turnier gewinnen. Um beide wieder zusammenzubringen, nutzt er die Alkoholsucht von Roy aus und überzeugt das „Material Girl“ Jessica, dass sie nur mit Jimmy das Preisgeld des Turniers bekommen kann. Doch wie bringt man „I Wanna Dance With Somebody“ Laura und Jimmy, die „Time After Time“ bei der Symbiose von „Mambo No. 5“ und Rumba echtes „What A Feeling“ füreinander entdecken, garantiert „1, 2, 3“ auseinander? Jessica berichtet Jimmy in Lauras Anwesenheit einfach von der freudigen Nachricht, ein Kind von Jimmy zu erwarten und schon ist es aus mit „I Don´T Need Your Word“ Laura. Aber Jimmy dreht den Spieß um und verbreitet das Gerücht wie ein „Careless Whisper“ einer schon bald kugelrunden Tänzerin unter den Teilnehmerinnen, was für Jessica natürlich einen Stein in ihrer geplanten „Everything She Wants“ Tanzkarriere darstellt…

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Open-Air Premiere in Tecklenburg

Nach der zweijährigen Spielzeit in Düsseldorf bis 2004 ging „Miami Nights“ nach Wien und kehrte 2007 als Revival über die Freilichtspiele Tecklenburg als Tournee durch Deutschland und die Schweiz schließlich zurück ins Capitol Theater nach Düsseldorf. Nach 2008 gingen für Miami Nights zunächst die Lichter aus, doch seit dem 21. Juli 2023 steht das Tanzmusical in einer Neuinszenierung von Werner Bauer bis zum 10. September 2023 zum zweiten Mal auf dem Spielplan in Tecklenburg. Zur Open-Air Premiere in der mit rund 2000 Zusehenden gut gefüllten Burgruine kannte Petrus leider kein Pardon und die Show musste eine Regenpause für rund 20 Minuten einlegen, was aber weder die Spielfreude der Darsteller, noch die Freude des Publikums über die großartige Choreografie von Till Nau mit der musikalischen Untermalung von Giorgio Radoja trüben konnte. Das Bühnenbild von Jens Janke stellt es mit verschiebbaren Kleiderständern in der Garderobe der Tänzer äußerst pfiffig an, die Schauspieler wie aus dem Nichts erscheinen und wieder verschwinden zu lassen. Beleuchtete Tür-Rahmen und Spiegel erzeugen Glanz und Glamour, der durch die Kostüme von Karin Alberti in den typischen Miami-Pastellfarben eine Beach-Party-Atmosphäre schafft, während die kubanische Bar Cuba Libre auf der Seitenbühne mit sattem Rot und Schwarz Kontraste setzt.

Die Darsteller und ihre Rollen

Natürlich tragen vor allem die Darsteller zum Erfolg einer Show bei und wie schon im Drama-Musical Mozart! hat Tecklenburg ein sicheres Gespür für die „richtige“ Besetzung. Janina Niehus als Sarah und Jürgen Brehm als Andy sind das Comedy-Paar der Show, die jeden Lacher sicher haben. Andy beherrscht eigentlich nur seine Gitarre und hat ansonsten zwei linke Füße, doch tut er alles, um seiner heimlichen Liebe Sarah zu gefallen, und da „Tanzen Bewegung ist und sich jeder Mensch bewegen kann“, will er seine angebetete Herzdame mit neu erlernten Tanzschritten von seiner Liebe überzeugen. Martin Pasching als Mr. Bob und Brigitte Oelke als Mutter Betty Miller mit ihrem entzückenden Running-Gag-Hündchen vertreten zusammen mit Lisa Kolada als Präsidentin des Tanzverbandes die „reifere“ Generation, die eigentlich mit weisem Durch-Blick ihre Tanzschüler anleiten und unterstützen sollten, die Kontrolle aber längst verloren haben und nur noch die Bewertungskarten beim Turnier sicher im Griff haben. Das Zusammenspiel der drei erfahrenen Darsteller ist pointenreich und enorm unterhaltsam. Lucas Baier als muskelbepackter Emilio und Julia Waldmayer als seine Freundin Mercedes versprühen kubanische Exotik und sind ein sehenswertes Analogon zu Anita und Bernardo aus der „West Side Story“. Rachel Marshall kennt ihre Rolle der ehrgeizigen Jessica Diamond wie ihren Tanzschuh, hat sie diesem Charakter bereits bei der Uraufführung in Düsseldorf einen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt. Ihr „Holding Out For A Hero“ überrascht mit einer während des Songs immer größer werdenden tanzenden Schar aus Comic-Helden von Superman über Wonder-Woman bis Thor. In Christian Schöne als fieser Roy Fire findet sie ihr perfektes männliches Gegenstück, und wie immer erschafft Schöne eine ganz besondere Figur, die trotz ihrer Oberflächlichkeit Tiefe besitzt. Zumal beweist er beim Akt 2-Opener „Mambo No. 5“, wie gut er als Rampensau das gesamte Publikum im Griff hat. Andrew Chadwick ist als Jimmy ein begnadeter Tänzer, der leichte Defizite in seiner soliden Gesangsstimme schnell vergessen lässt. Der gelenkige Romeo findet seine Cinderella-Julia in der wunderbaren Katia Bischoff als Laura, die mit Goldkehle und exzellentem Taktgefühl sowohl in Salsa als auch Latein die Tanzschritte mit einer Leichtigkeit auf das nicht vorhandene Parkett legt, dass keine Wünsche offenbleiben. Das weitere Ensemble ist tanztechnisch echte Konkurrenz zu den Hauptdarstellern und rundet das Tanzmusical auch in der B-Note perfekt ab, so dass man als Zuschauer für Tecklenburg gerne Höchstnoten zieht!

Alles zum Musical Miami Nights bei Sound Of Music.

© Text & Fotos: Stephan Drewianka; Dieser Bericht erschien ebenfalls in der Musical-Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, 05-23 - Ausgabe 125