„Kopfkino“ von Stage Focus in Rheinberg
Stimmen im Kopf
„Kopfkino – ein musikalisches Filmprojekt oder ein filmisches Musical“ ist ein Stück von Peter Lund (Text) und Thomas Zaufke (Musik), das 2017 seine Uraufführung an der Neuköllner Oper in Berlin feierte. Der semi-professionelle Musical-Verein Stage Focus, der in den Vorjahren interessante Inszenierungen der Musicals „Godspell“ (2017, Kamp-Lintfort), „Grimm“ (2019, Oberhausen) und „Pippin“ (2020, Rheinberg) präsentierte, zeigte am 11. und 12. Oktober 2024 in der Stadthalle Rheinberg das Musical „Kopfkino“ in der Inszenierung von Hannah Herrmann und Alina Johann.
Handlung des Musicals Kopfkino
Der 18-jährige Lennard (Brian Becker) zieht aus der Provinz in eine Berliner-WG, in der er zusammen mit dem politisch engagierten, ansonsten aber faulen Ben (Paul Radke) und der drogensüchtigen Fine (Julia Ballhaus) leben wird. Doch in Lennards Kopf hausen sechs weitere Mitbewohner, und diese sechs Stimmen in seinem Unterbewusstsein beschäftigen ihn permanent. Da sind die fiktionalen Charaktere Boris (Dominik Held), der seinen dominanten Vater und die Stimme der Wut repräsentiert, Helena (Annika Neikes) als sorgende Mutter mit Alkoholproblem und Stimme der Harmonie, Sophia (Julia Koch) als Stimme der Vernunft, Jürgen (Christoph Stuhlmann) als Lennards Angst, Tess (Svenja Jesse) als pubertärer Freiheitsdrang und Theo (Charlotte Gruhn) als inneres Kind. Und dann ist da noch Lennards Schwester Mona (Rebecca Köpke), die sich eigentlich mit einem Sprung von einem Sparkassenhochhaus vom Leben verabschiedet haben soll, nun aber in Berlin nach ihrem verschollenen Bruder sucht.
Darsteller und Rollen in Kopfkino
Die Stage Focus Darsteller des kleinen Vereins sind größtenteils schon einige Jahre engagierte Mitglieder, so dass man ihnen Bühnenerfahrung in Schauspiel, Tanz und Gesang attestieren kann. Nach „Pippin“ werden sie zum zweiten Mal von einer sechsköpfigen Live-Band unter der Leitung von Marc Schirp begleitet, was die Atmosphäre authentisch macht. Die Kostüme sind Story-gerecht alltagstauglich, die Bühne besteht aus einer Berliner WG-Küche mit mehreren Türen zu den einzelnen Zimmern der Bewohner. Die Choreografie von Alina Johann kommt in einigen Songs zum Tragen, insbesondere „Angst und Umsicht“ macht mit Vernunft-Sophia und Angst-Jürgen richtig Spaß. Überhaupt kommt die Situationskomik nicht zu kurz, was bei den ernsten Themen wie emotionale und körperliche Gewalt an Kindern, Alkohol- und Drogenkonsum, Sex und Selbstmord auch wirklich wichtig ist, um die Balance zwischen Unterhaltung und Trigger-Themen zu wahren. Auf jeden Fall regt das Stück zum Nachdenken an, zumal jeder Zuschauer zumindest die eine oder andere innere Stimme aus eigener Erfahrung kennen sollte.
Leider lassen sich einige Zuschauer offensichtlich von diesen ernsten Themen von einem Theaterbesuch abschrecken, da der Verein zunächst vier Vorstellungen an zwei Wochenenden in der Stadthalle Rheinberg eingeplant hatte, die Hälfte der Termine aber wegen zu wenig verkaufter Eintrittskarten absagen musste. Doch die Resonanz des Publikums am Premieren- und gleichzeitig auch Dernièren-Wochenende war durchweg positiv. Stücke wie „Kopfkino“, die weniger dem publikumswirksamen Mainstream entsprechen, bereichern die Musicallandschaft, und es ist Stage Focus hoch anzurechnen, den Mut aufzubringen, immer wieder „unbequeme“ Musicals in ihr Repertoire aufzunehmen. Ich freue mich auf die nächste Musicalproduktion dieses Vereins.
© Stephan Drewianka
Nationales Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro)