Deutschland-Premiere des Andrew Lloyd Webber Musicals „School Of Rock“ am Staatstheater Kassel
Raste einfach aus!
Gedreht mit einem Budget von 35 Millionen Dollar und weltweiten Einspielergebnissen von 131 Millionen Dollar an den Kinokassen wurde der Paramount-Film „School of Rock“ 2003 mit Jack Black und Joan Cusack zum Überraschungserfolg. 10 Jahre später sicherte sich der britische Erfolgskomponist Sir Andrew Lloyd Webber die Bühnenrechte an diesem Stoff und präsentierte am 06. Dezember 2015 seine Musicalfassung am Broadway im Winter Garden Theatre mit Alex Brightman und Sierra Boggess in den Titelrollen. Neben den energiegeladenen Rock-Songs aus dem Film komponierte Webber 14 eigene Lieder für das Stück, die musikalisch Anleihen aus „Whistle Down The Wind“ und „The Beautiful Game“ nahmen. Nach „Jesus Christ Superstar“ war „School Of Rock“ erst das zweite Webber-Musical, das Weltpremiere in den USA feierte, bevor es ein Jahr später ans Londoner West End kam. Als Grund gab Webber damals das eher amerikanische Thema an und die Tatsache, dass in den USA gelockerte Gesetze zur Kinderarbeit galten und er dort auch talentierte Kinder fand, die Hauptrollen in einem Stück mit Schülern aus der fünften Klasse spielen konnten.
Dies mögen auch die Gründe dafür gewesen sein, dass sein Musical bisher noch nicht den Weg nach Deutschland gefunden hat. Die deutschsprachige Premiere fand 2023 unter der Regie von Matthias Davis im österreichischen Linz statt. Das Staatstheater Kassel hat mit dem Kinder- und Jugendchor CANTAMUS eine ausgezeichnete Auswahl an jugendlichen Talenten und setzte am 25. und 26. April 2025 gleich zwei Premieren mit der Doppelbesetzung der insgesamt rund 60 Kinder für die deutsche Fassung von „School Of Rock“ in der Übersetzung von Timothy Roller unter der Regie von Marlene Pawlak an.
Handlung von School of Rock
Das Musical "School of Rock" beginnt mit einem Auftritt der Jugend-Band „No Vacancy“, bei dem der Gitarrist Dewey Finn versucht, dem Leadsänger die Show zu stehlen, so dass die Band ihn rauswirft. Am nächsten Morgen wird der arbeitslose Dewey von seinem Freund Ned Schneebly und dessen Freundin Patty Di Marco geweckt, die ihn an die ausstehende Miete erinnern. Er erhält einen Anruf von Rosalie Mullins, der Direktorin der Horace Green Elite-Schule, die Ned eine offene Stelle als Aushilfslehrer anbietet. Dewey gibt sich als sein Freund Ned aus und nimmt die gut bezahlte Stelle an. In der Schule stellt sich Dewey als Mr. Schneebly vor und ist von den starren Regeln angewidert. Nach einem recht erfolglosen Start in seiner Klasse entdeckt Dewey das musikalische Talent seiner Schüler und beschließt, eine Band zu gründen, um am hochdotierten "Battle of the Bands" Wettbewerb teilzunehmen. Er verteilt die Rollen und Aufgaben an die Schüler und gibt ihnen als Hausaufgaben, bekannte Rock-CDs zu hören. Die Schüler haben Schwierigkeiten mit ihren Eltern, die ihre musikalischen Interessen nicht unterstützen, und beginnen, sich gegen die strengen Regeln der Schule zu wehren. Sie schleichen sich aus der Schule, um am Vorsprechen für den Wettbewerb teilzunehmen und qualifizieren sich. Die Schüler bereiten sich intensiv auf den Wettbewerb vor, während Dewey an einer Fakultätskonferenz teilnimmt. Dewey entdeckt, dass Schulleiterin Rosalie heimlich Rockmusik liebt und lädt sie in eine Bar ein. Dort verspricht sie, die Band zu unterstützen, wenn das Elterntreffen gut verläuft. Doch dort enthüllt Patty, dass Dewey nicht der Lehrer Ned Schneebly ist, und die Eltern sind entsetzt. Dewey und die Schüler fliehen und überzeugen Dewey, seinen Traum von einem Rockstar nicht aufzugeben. Sie stehlen einen Bus und fahren zum Wettbewerb, wo sie mit dem Song der Schülerin Zack gegen No Vacancy antreten müssen…
Kasseler Inszenierung mit Überraschungen
Die Kasseler Inszenierung am Opernhaus wartet mit vielen Überraschungen auf. Schon beim Gang ins Theater kündigen aufgehängte Poster den „Battle of the Bands“ an, auf der ausladenden Raumbühne ANTIPOLIS von Wolf Gutjahr gibt es an drei Seiten jeweils drei ansteigende Sitzreihen für die Zuschauer, die das Stück hautnah wie in einer Schulsporthalle von den Seiten und von hinten betrachten können. Damit ihnen nichts entgeht, gibt es mehrere LED-Leinwände, im Zuschauersaal sogar zwei seitlich die Ränge flankierende Bildschirme, auf denen Videos, gefilmte Live-Übertagungen der Show sowie Handy-Videos der Schüler im Stream gezeigt werden. Und zum Finale stehen die Zuschauer ähnlich wie beim Musical „Rocky“ anfeuernd interaktiv mitten im Geschehen. Statt des üblichen Orchestergrabens, den eine Brücke für die Darsteller zum klassischen Zuschauerparkett überspannt, so dass die Kinder auch für das „normale Theaterpublikum“ immersiv greifbar nah kommen, sitzt eine siebenköpfige Band unter der musikalischen Leitung von Peter Schedding in einem quadratischen Loch mitten auf der Hauptbühne. Die Band kann hochgefahren werden, ist in echte Rockerkluft gekleidet und interagiert auch mit den Darstellern, wenn sie in der Bar-Szene z.B. Bierflaschen an Dewey und Rosalie reichen. Als Bühnenelement dienen riesige Motto-Worte (z.B. „Perfektion“) in der Schulfarbe „Horace-Grün“, die auch die Schuluniformfarbe der Kostüme von Anna Rudolph bestimmt. Da die Show ohne Pause genau 120 Minuten durchgespielt wird, sind alle Darsteller fast permanent auf der Bühne zu sehen, bis auf eine witzige Szene im Herrenklo, die von den Cam-Operatoren Victoria Koberstein, Till und Noah Krüger als Einblendung übertragen wird, in der das Schulkollegium vor dem Elternabend versucht, Klo-Graffiti abzuwaschen, während Dewey mit Filzstift fleißig neue kritzelt. 5 Minuten vor Vorstellungsbeginn trifft die Boyband „No Vacency“ ein, wird von Girls im Zuschauerraum mit Bannern schreiend begrüßt, während die smarten Boys ihr Handy mit Ringlicht zum Live-Stream aufbauen und dann ihr neues Video mit der Choreografie von Nele Neugebauer aufzeichnen. Viele Vorstellungen beginnen wegen des deutschen Jugendschutzgesetzes bereits um 18:00 Uhr, also strenggenommen um 17:55 Uhr, man sollte also definitiv nicht zu spät kommen, um nichts von der Rahmenhandlung zu verpassen.
Darsteller von School of Rock
Diese optischen Leckerbissen machen Spaß und unterhalten grandios, obwohl es sonst nur wenige Requisiten wie die Schulbänke oder ein Sofa in Schneeblys Wohnung gibt. Wichtiger sind in dieser Produktion sowieso die Darsteller. Aus dem eigenen Schauspielensemble spielt Justin Hibbeler einen herrlich hibbeligen Ned Schneebly, der mit seiner trotteligen Naivität sofort jedes Herz erobert, und Günther Harder einen grandios verpeilten Dewey Finn, der sich vom absoluten Looser zum „Fack ju Göhte“-Lieblingslehrer seiner Schule mausert, indem er „Sister Act“-mäßig aus einem Haufen mäßig talentierter Chormitglieder unglaublich starke Einzeltalente herausfischt, die unter seinen unorthodoxen Lehrmethoden zu wahren Stars werden. Harder überrascht als Schauspieler mit seiner heiseren Rock-Röhre, die er aus seiner Vita als Schlagzeuger und Sänger in Rockbands mitbringt und somit auch privat den Lebenslauf seines Charakters Dewey Finn teilt. Als Gäste am Staatstheater spielen Janina Steinbach eine resolute Patty di Marco, die ihren Freund Ned fest im Griff hat, und Nele Neugebauer eine strenge Direktorin Rosalie Mullins, die Dewey erst mit ihrer Achillesferse, der Musik von Stevie Nicks, zu knacken weiß, obwohl sie in der Schule eher Mozarts „Königin der Nacht“ schmettert.
Die jugendlichen Darsteller des Kasseler CANTAMUS Kinder- und Jugendchores
Diese vier Hauptdarsteller haben ein feines Gespür für Situationskomik und singen, spielen und tanzen grandios, aber es sind doch die jugendlichen Darsteller des CANTAMUS Kinder- und Jugendchores, die den Erwachsenen mühelos die Show stehlen. Wenn Kinder in echten Hauptrollen einen gesamten Abend bestreiten müssen, kann dies sehr leicht problematisch werden, aber was Kassel hier schon in der Freitags-Premiere als Alternativbesetzung auf die Bühne stellt, ist großartig und kann restlos überzeugen. Marie Pfannschmidt ist als vorlaute, aber regeltreue Summer herrlich schnippisch, weicht aber doch ihre hohen Prinzipien auf und mausert sich zu einer echten Bandmanagerin, die sogar den verzweifelnden Dewey mit emotionalen Tipps auf die rechte Bahn bringen kann. Ob Leona Kübler als Zack an der E-Gitarre, Jonathan Suras als Katie am Bass, Lena Hause als Lawrence am Keyboard und Keyan Ramic am Schlagzeug tatsächlich bei „Du bist in der Band“ spielen oder die Erwachsenen-Band die Instrumente übernimmt, ist zweitrangig, ich würde es den Kids aber zutrauen. Wenn die schüchterne Tomika (Kristina-Sofia Katsagiorgis) sich gegen ihre Väter auflehnt und von der stummen Mitschülerin aus der letzten Reihe zur gefeierten Lead-Sängerin wird, bekommt man als Zuschauer unweigerlich eine Gänsehaut. Alle Kids sind einzigartig mit eigenem Charakter, den sie auf der Bühne entwickeln, und dies tun sie authentisch und glaubhaft. Leider fehlt hier der Raum, um jeden jungen Darsteller namentlich zu erwähnen. Wie professionell die jungen Talente auf der Bühne agieren, zeigte sich bei einer kleinen „Panne“, als das Zusammenbauen aller Schulpulte zu einer einzigen Bühnenfläche nicht auf Anhieb gelingen wollte. Hier wurde ohne Panik oder unsichere Blicke an vermeintliche Helfer in der Seitenbühne einfach komplett neu begonnen, bis die Bühne für Dewey fertig war, auch wenn er dadurch zwei Ehrenrunden um seine Schüler drehen musste – alle Kids blieben immer in ihren Rollen, Bravo! Einziges „Manko“ an der Premierenvorstellung war der noch nicht ganz optimal ausgesteuerte Ton, der die Band manchmal zu laut über den Gesang abgemischt hatte, was aber dank eingeblendeter Übertitel der gelungen ins Deutsche übertragenen Songtexte nicht weiter ins Gewicht fiel.
Träume und die Bedeutung von Musik und Kreativität
Das Musical zeigt Deweys Reise vom gescheiterten Musiker zum inspirierenden Lehrer, der seinen Schülern hilft, ihre Talente zu entdecken und ihre Träume zu verfolgen und dabei die Bedeutung von Musik und Kreativität im Leben und die Kraft, sich gegen starre Systeme zu wehren in den Fokus stellt. „School Of Rock“ steht mit dieser Thematik sicherlich nicht allein im Genre Musical da, schafft es aber mühelos, dieses Altbekannte sehr charmant mit einem Mix wirklich guter Rock- und Balladen-Musik unterhaltsam zu verpacken. Das Staatstheater Kassel setzt diese Vorlage sehenswert um und verlangt dabei einen absoluten Schnäppchenpreis von maximal 18 Euro auf allen Plätzen. In der nächsten Spielzeit 2025/2026 steht das Stück als Wiederaufnahme wieder auf dem Spielplan, dann aber in der neuen Interims-Spielstätte, die gerade in Kassel gebaut wird, da das Staatstheater sanierungsbedürftig ist.
© Text: Stephan Drewianka; Bühnenfotos: Martin Siegmund, Schlussapplausfotos: Stephan Drewianka, dieser Bericht erschien ebenfalls in der Musical Fachzeitschift Blickpunkt Musical 03-25 – Ausgabe 135
Alles zum Musical School of Rock bei Sound Of Music!