Musical La Cage aux Folles
Musical La Cage aux Folles
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La Cage Aux Folles - Musical-Klassiker 2024 am Staatstheater Kassel

Mit einem Klecks Mascara

Homosexualität war bis 1969 in Deutschland strafbar, doch der entsprechende Paragraf wurde erst 1994 vom Bundestag tatsächlich gestrichen. Im März 1990 brüskierte sich die öffentlich-rechtliche Fernsehnation über den ersten schwulen Kuss in der „Lindenstraße“ zwischen Carsten Flöter und Robert Engel. Da mutet es vergleichbar mutig an, dass die deutschsprachige Erstaufführung von Jerry Hermans Musical „La Cage Aux Folles“ (Ein Käfig voller Narren) bereits am 27.10.1985 im Berliner Theater des Westens stattfand, in dem das schwule Paar Albin und Georges im Mittelpunkt stehen und eigentlich ganz glücklich ihren Travestie-Club leiten, bis Sohn Jean-Michel durch die Verlobung mit einer konservativen Politikertochter eine heteronormative Dissonanz in die heile Glitzer- und Glamourwelt bringt. Doch anstatt am Broadway einen Skandal auszulösen, wurde das Musical nach seiner Premiere 1983 mit 6 Tony Awards, u.a. für das beste Musical, beste Musik und bestes Buch (Harvey Fierstein), ausgezeichnet. In den letzten 40 Jahren hat sich gesellschaftlich im Hinblick auf queere Akzeptanz zumindest oberflächlich viel getan, und bei Netflix kommt keine Serie mehr ohne ein glückliches LGBTQ+-Paar aus. Moderne Inszenierungen von „La Cage Aux Folles“ greifen dieses neue Selbstverständnis gerne auf, indem sie die Les Cagelles des Travestie-Clubs eben nicht wie einen Käfig voller aufgescheuchter, schnatternder Hühner präsentieren, sondern die Drag-Queens als hohe Kunstform zelebrieren, während die Beziehung zwischen Georges und Albin eine völlig normale Beziehung zweier Menschen ist, was dem Stück trotzdem nicht seine leider immer noch gültige Brisanz nimmt.

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Inszenierung am Staatstheater Kassel

Die Inszenierung von „La Cage Aux Folles“ am Staatstheater Kassel, die seit dem 12. Oktober 2024 am Opernhaus zu sehen ist, folgt diesem Trend nur bedingt. Regisseur Matthew Wild orientiert sich eher an der klassischen, aus heutiger Sicht durchaus nicht stereotyp-freien, Darstellung seiner queeren Charaktere. Adrian Becker darf als Zaza alle Register einer alternden Diva ziehen und kostet jeden Moment zur Freude des Publikums bravourös aus. Wenn er sich beim Song „Mascara“ vom verunsicherten, unscheinbaren Entchen Albin durch Schminke und Kostüm in den stolzen Schwan Zaza, den glamourösen Showstar von St. Tropez, verwandelt, ist das reine Theatermagie. Leider kann Becker das zentimeterdicke Make-Up und das damit offensichtlich verbundene Rollenklischee in seinen Szenen als Albin nicht ablegen, was es für den Betrachter schwierig macht, ihn im Zivil-Leben einfach nur als Georges ganz normalen Lebenspartner zu sehen. Seinen Showstopper „Ich bin, was ich bin“ präsentiert er selbstverständlich als eindrucksvolle Hymne für Gleichstellung und Akzeptanz, die ihre Kraft selbst in der schönen neuen Woke-Welt auch nach über 40 Jahren nicht eingebüßt hat.

Darsteller und Rollen

Livio Cecini als Georges nimmt man hingegen schnell den Wechsel vom Nachtklub-Moderator zum besorgten Regenbogenfamilien-Papa ab, der Sohn Jean-Michel keinen Wunsch abschlagen kann, selbst wenn dies Verrat und Verleugnung seines geliebten Partners bedeutet. Der doch nicht ganz so tolerant erzogene „Unfall aus Georges Jugend“ wird in Erstbesetzung von Merlin Fargel gespielt, in der besuchten zweiten Vorstellung am 15. Oktober 2024 wurde er rollendeckend mit viel jugendlichem Charme von Maximilian Aschenbrenner vertreten, der sonst als Chantal in extravaganten Kleidern seine Hüften schwingt. Zusammen mit seiner Verlobten Anne, gespielt von der bezaubernden Leonie Dietrich, ergibt sich ein romantisches Traumpaar, das Annes erzkonservative Eltern Edouard und Marie Dindon, die mit Bernhard Modes und Ingrid Frøseth fulminant besetzt sind, schon lange nicht mehr sind. Eine sehr dankbare Rolle im Musical ist Jacob, der Butler oder die Zofe im Hause Albin/Georges. Der Brasilianer Fausto Israel de Souza, der nach einer Musicalausbildung als Drag Queen Kelly Heelton weltweit auftritt, 2020 die Sendung „The Diva in Me“ moderierte und beim „Drag Race Germany“ teilnahm, quietscht sich als quirliges Hausmädchen schnell in die Herzen der Zuschauer, selbst wenn man nicht jedes Wort versteht. Ähnliches passiert mit dem Ensemble der Les Cagelles, die jedem Charakter eine individuelle Note einhauchen, auch wenn das Bild der zickigen „Narren“ eben nicht mehr den aktuellen Zeitgeist widerspiegelt.

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Musik, Bühne, Kostüme und Choreographie

Musikalisch reflektiert das Staatsorchester Kassel unter der Leitung von Peter Schedding herrlich den Zeitgeist des Originals mit Jerry Hermans Klassikern aus Jazz, Vaudeville und Cabaret. Optisch punktet das Bühnenbild von Sebastian Hannak mit einem stilsicheren Traum eines silbernen Salons mit überdimensionalen griechischen Statuen (selbstverständlich nackt und männlich) als gemütliches Nest für Albin und George, das sich im Nu aber auch zu einem schlichten Kloster umstylen lässt, wenn die Schwiegereltern zum Essen kommen. Rechts und links der Hauptbühne befinden sich seitlich verrucht-rote Ledersofas, die den Backstage-Bereich des Travestie-Clubs verkörpern, während die Bühne des „La Cage Aux Folles“ relativ schlicht mit Glitzervorhang, einem Licht-Tor und leichten Gerüsten, die eine Showtreppe andeuten, auskommt. In dieser Schlichtheit kommen die bunten, teils skurrilen, teils glamourösen Kostüme der Les Cagelles von Conor Murphy umso mehr zur Geltung. Für die Showauftritte, die in anderen Inszenierungen aus Zeitgründen auch schon mal gekürzt werden, gibt es in Kassel mit der abwechslungsreichen Choreografie von Louisa Talbot den gebührenden Raum für die „Show in der Show“, ohne den Erzählfluss der eigentlichen Story zu sehr zu verlangsamen.
„La Cage Aux Folles“ am Staatstheater Kassel ist eine Hommage an das Originalmusical, wobei die Inszenierung zeitweilig den aktuellen Mainstream vernachlässigt, ohne dabei altbacken oder peinlich zu wirken: ein echter Klassiker!

© Stephan Drewianka

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