Premiere „Gefährliche Liebschaften“ 2025 am Theater Nordhausen
Und die Moral in der Geschicht´
Die Marquise de Merteuil ist es nicht gewohnt, dass ein Liebhaber ihre Liaison beendet. Sie möchte sich deshalb an diesem Comte de Gercourt rächen, der sich die jungfräuliche Cécile de Volanges als Braut gewählt hat. Die Marquise bittet daher ihren Ex-Liebhaber, den Schürzenjäger Vicomte de Valmont, Cécile noch vor ihrer Hochzeit die Unschuld zu rauben. Diese lächerlich einfache Aufgabe sieht Valmont nicht als Herausforderung, er will der sittsamen Madame de Tourvel an das Mieder, und so schließt er mit der Marquise eine Wette ab, dass er, wenn er beide Frauen verführt, als Belohnung eine Nacht mit der Marquise verbringen darf. Um es Valmont nicht zu einfach zu machen, sucht die Marquise selbst nach einem jungen attraktiven Mann, der sich in Cécile verlieben soll und findet sie im Musiker Chevalier de Danceny, in den sich Cécile beim Harfenspiel tatsächlich schnell verliebt. Und hier sieht Valmont seine Chance: er bietet sich Cécile als Lehrer in Liebesdingen an und führt sie gerne in die Geheimnisse der körperlichen Liebe ein. Während Fall 1 also bereits abgehakt ist, tut sich Valmont mit Madame Tourvel schwerer. Hier muss er seinen ganzen Charme in verständnisvollen Liebesbriefen und langen, sehr persönlichen Gesprächen finden, um Tourvels Herz zu gewinnen. Das Problem dabei ist, dass sich Valmont zum ersten Mal tatsächlich in eine Frau verliebt. Das wiederum erzürnt die Marquise, obwohl sie eigentlich mit Valmont längst abgeschlossen hat. Die Intrigen spitzen sich zu und aus romantischen Liebschaften werden gefährliche Beziehungen, die schließlich tragisch-tödlich enden und den Ruf vieler Beteiligter in der Gesellschaft endgültig ruinieren.
Musicaladaption von Schubring und Adenberg
Basierend auf dem französischen Briefroman von Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos aus dem Jahre 1782, der am Vorabend der französischen Revolution Anstand und Moral des französischen Adels anprangerte, schufen der Komponist Marc Schubring und der Textautor Wolfgang Adenberg als Auftragswerk ihr Musical „Gefährliche Liebschaften“, das am 22. Februar 2015 Weltpremiere am Staatstheater am Gärtnerplatz in München mit Anna Montanaro und Armin Kahl in den Titelrollen feierte. Die bekannteste Adaption dieses Stoffes ist sicherlich der Kinofilm von 1988 mit Glenn Close, Michelle Pfeiffer, Uma Thurman, Keanu Reeves und John Malcovich, doch auch diese Musicaladaption schaffte es, fünffach mit dem „Deutschen Musical Theater Preis“ u.a. als „Bestes Musical“ mit der „Besten Komposition“ ausgezeichnet zu werden.
Musik, Bühne und Kostüme in Nordhausen
Fast genau zum 10-jährigen Geburtstag des Musicals zeigt das Theater Nordhausen ab dem 28. März 2025 diese „Gefährlichen Liebschaften“ im Theater im Anbau in der Inszenierung von Ivan Alboresi. Obwohl der Platz in dieser Interimsspielstätte beengt ist, bei dem das Loh-Orchester Sondershausen unter der musikalischen Leitung von Julian Gaudiano die opulente, an Filmmusik erinnernde Partitur hinter der Bühne spielt, schafft die intelligente Drehbühne von Wolfgang Kurima Rauschning mit zahlreichen Türen in labyrinthartig sich verschiebenden Innen- und Außenwänden mit vielen Spiegeln immer neue Räume, um die komplexe Handlung fließend zu erzählen. Die historischen Kostüme von Anja Schulz-Hentrich sind ein weiterer Augenschmaus, die die feine Gesellschaft in Grautönen zeigt, während die Hauptfiguren in farbenfrohen Roben mit einigen modernen Accessoires herausstechen. Die Nähe zum Publikum lässt das Stück wie ein psychologisch dichtes Kammerspiel erscheinen, obwohl die Bühne selbst durch die spiegelnden Flächen größer wirkt, als sie es eigentlich ist. Die Musik trägt diesen Eindruck weiter, erinnert in der textbezogenen Struktur eher an eine fast durchkomponierte Oper als an den Refrain- und Reprisen-haften Aufbau lockerer Musicalunterhaltung. Tatsächlich erlebt man in 2 Stunden und 40 Minuten keine Ohrwürmer, die man auf dem Heimweg mitsummen könnte, und trotzdem schafft es die Inszenierung mit den doch recht brisanten Themen sexueller Übergriffe, Machtmissbrauch und Intrigen die Aufmerksamkeitskurve nicht abflachen zu lassen. Zu verdanken ist dies auch der erstklassigen Besetzung, die das Theater Nordhausen für dieses Musical verpflichten konnte.
Darsteller und Rollen in Gefährliche Liebschaften
Johanna Zett, die nach ihrem erfolgreichen Studium an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig schon in Musicals wie „Tarzan“ und „Sweeney Todd“ gespielt hat, dem Publikum aber hauptsächlich durch ihre Hauptrollen bei den Spotlight Musicals „Der Medicus“ als Mary Cullen und in „Robin Hood“ als Marian bekannt sein dürfte, zeigt eine emanzipierte Marquise de Merteuil, die ihr vernichtendes Netz aus Intrigen mit diabolischer Leichtigkeit wie eine schwarze Witwe spinnt und ihre Männchen nach dem Sex triumphierend zurücklässt und selbst über Leichen geht, dabei aber immer auf ihren Ruf achtet, bis auch sie strauchelt.
In David Arnsperger, der in „Tanz der Vampire“ als Graf Krolock, „Dracula“, „Phantom der Oper“, „Rocky“ und „Jekyll & Hyde“ schon starke Verführer gespielt hat, findet die Marquise mit ihm als Vicomte de Valmont sowohl einen Seelenverwandten als auch würdigen Gegenspieler. Doch anders als die Marquise zeigt er schließlich echte Gefühle für die mit Yuval Oren perfekt besetzte Madame de Tourvel, auch wenn er immer wieder zurückfällt in sein animalisches Beuteschema-Verhalten. Leonie Dietrich hat als Cécile die schwere Aufgabe, den Wandel einer 16-jährigen Klosterschülerin hin zu einer frivolen Frau, die auch einen flotten Dreier nicht ausschlägt, glaubhaft zu zeigen und sich dabei noch in den charmanten Sunnyboy Marian Kalus als Chevalier de Danceny zu verlieben.
Aus dem weiteren Ensemble, das insgesamt 24 Personen und den Opernchor des Theaters Nordhausen umfasst, gefallen Anja Daniela Wagner als Céciles immer besorgte Mutter Madame de Volanges und Brigitte Roth als gute Seele Madame de Rosemonde, die immer ein offenes Ohr für die Probleme ihrer Mitmenschen hat und mit weisem Rat und Tat zur Seite steht. „Gefährliche Liebschaften“ sind thematisch und musikalisch ein Stoff für Musical-Fortgeschrittene, die in Nordhausen eine ausgefallene Charakterstudie über Moral und der Lust an der Lust und an gesellschaftlicher Macht geboten bekommen.
© Stephan Drewianka