Die Dreigroschenoper - Premiere des Puppentheaters am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen 2025
Klappe zu, Puppe tot
An deutschen Stadttheatern steht „Die Dreigroschenoper“ von Berthold Brecht (Text) und Kurt Weill (Musik) von 1928 als Schauspiel mit Musik häufig auf dem Spielplan. Mit der Premiere am 26. April 2025 zeigt das Musiktheater im Revier (MiR) unter der Regie von Markus Bothe im großen Haus eine besondere Inszenierung der „Moritat von Meckie Messer“. Neben dem Opernensemble inklusive Opernchor steht das MiR Puppentheater als zentraler Bestandteil mit auf der Bühne von Robert Schweer, auf der im Hintergrund hoch auf einer „Brücke“ die Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Lutz Rademacher optisch immer präsent platziert sind. Der restliche Raum wirkt mit vier quadratisch aufgestellten Leuchtmasten wie eine Sportarena mit einem Holzboden, in den Falltüren eingelassen sind, aus denen die verschiedenen Puppen von Peter Lutz erscheinen oder auch wieder verschwinden können. Alle Puppen sind ca. 1,5 Meter groß und tragen das graue Gesicht von Berthold Brecht der berühmten Berliner Skulptur von Fritz Cremer, allerdings in verschiedenen Altersabstufungen vom Jugendlichen bis zum Greis. So hat man zu Beginn des Stückes, bei dem die Schauspieler in schwarzen Kostümen hinter den Puppen agieren, das Gefühl, Brecht selbst zitiert und singt alle Rollen seines Werkes selbst. Doch schon bald beginnen die Darsteller ein Eigenleben zu entwickeln, tragen zunächst nur Teile der Kostüme von Justina Klimczyk, bis sie zu echten Zwillingen der Puppen in voller Ausstattung werden. Jetzt agieren und sprechen Puppe und Menschen simultan. Später im Stück wird die Unvollständigkeit der Puppen mit wie Prothesen wirkenden Holzbeinen immer deutlicher. Die Puppen sprechen nicht mehr alle Texte, wechseln sogar die sie spielenden Menschen und werden zum Finale hin entweder in den Falltüren versenkt oder auf Rollstühlen ganz hinten auf der Bühne platziert: die Darsteller agieren völlig losgelöst von den Brecht-Puppen, der Autor hat nichts mehr zu sagen und wird stiller Beobachter seines Lebenswerkes…
Darsteller in genderneutralen Rollen
Ungewöhnlich ist auch die Besetzung der acht menschlichen Darsteller, die genderneutral in ihre Rollen schlüpfen. Klaus Brömmelmeier spielt den unsympathisch-charismatischen Geschäftsmann Jonathan Peachum mit viel Bühnenpräsenz, Martin Homrich mit Bart, Perlenkette und Stöckelschuhen ganz fantastisch mit männlich unverstellter Operntenor-Stimme seine bezaubernde Frau Celia und die jugendlich-frische Fayola Schönrock seine Tochter Polly, die den finsteren Gangsterboss Macheath heiraten will, der von Gloria Iberl-Thieme gewöhnungsbedürftig mit einer Frau besetzt wurde. Daniel Jeroma darf als Macheaths verflossene Ex Lucy Brown als Mann einen Schwangerschaftsbauch tragen, während Sebastian Schiller den Testosteron-geladenen Polizeichef Tiger Brown gibt. Bele Kumberger und Maximilian Teschemacher komplettieren das Ensemble in mehreren unterschiedlichen Rollen.
Gelsenkirchener Dreigroschenoper polarisiert
Musikalisch orientiert man sich nah an der Originalpartitur – so spielen nach Weills Wunsch immer nur wenige Musiker die ausgefallenen Instrumente. Die Musik soll wie eine Bettleroper klingen, die man für Dreigroschen Eintritt besuchen kann. Die Songs werden nicht immer von den urspünglichen Rollen, für die sie geschrieben wurden, interpretiert. „Und der Haifisch, der hat Zähne“ und schwimmt schon mal in fremden Gewässern. In dieser Form polarisiert die Gelsenkirchener „Dreigroschenoper“ das Publikum für 145 Minuten, entweder man ist fasziniert von der Bildsprache und dem opulenten Finale, in dem der große Opernchor für nur knapp 4 Minuten als revoltierende Bettler-Demonstranten mit Parolen auf Schildern die Bühne füllt, oder die Sitzplätze bleiben nach der Pause leer, weil die betont weiblichen Charakterzüge eines Macho-Archetypen doch nicht jeden Zuschauer überzeugen konnten.
© Text by Stephan Drewianka, Fotos by Stephan Drewianka
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