Dreigroschenoper Bad Hersfeld © Bastian Zimmermann
Dreigroschenoper Bad Hersfeld © Bastian Zimmermann
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Theater
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Die Dreigroschenoper 2024 in Bad Hersfeld

Die Moritat von Mackie Messer

Natürlich darf man sich fragen, ob Bertolt Brechts Theaterstück Die Dreigroschenoper von 1928 mit der Musik von Kurt Weill überhaupt als Musical bezeichnet werden kann. Mit 22 abgeschlossenen Songs mit Elementen aus Jazz, Tango, Blues, Jahrmarktsmusik und einem Schuss Oper und Operette, von denen bis 1933 schon viele Welthits wurden, und die gern von anspruchsvollen Künstlern wie Ute Lemper interpretiert werden, würde man heute das Schauspiel sicherlich zu den Musicals zählen. Dieser Klassiker eröffnete am 21.06.2024 nach dem Festakt und dem roten Teppich der prominenten Darsteller die 73. Bad Hersfelder Festspiele.

Die Neuinszenierung von Michael Schachermaier unter der musikalischen Leitung von Lukas Mario Maier, der seine siebenköpfige Band in einem aufgeklappten Wohnwagen auf der linken Seitenbühne schwungvoll dirigiert, wartet mit modernen Ideen auf. Die Bühne von Volker Hintermeier ist ein vollgestelltes Sammelsurium aus unterschiedlichsten Requisiten, verteilt auf zwei Stahlgerüste, die mit roten Vorhängen und chinesischer Leuchtreklame die Unterwelt Londons mit Bordell, Gaunerhauptquartier und Bettlerunterschlupf repräsentieren, und ganz hinten auf der Bühne leuchtet der besungene Mond über Soho.

Die Kostüme von Alexander Djurkov Hotter orientieren sich an modernen Outfits – spielt die Dreigroschenoper ursprünglich nicht zur Krönung von Queen Victoria 1837? Im Band-Wohnwagen ziert ein Poster von “Queen“ Freddie Mercury (im gleichen Outfit wie Macheath im Finale) und von Queen Elisabeth die Wand, also springen wir 116 oder 148 Jahre in die Zukunft, je nachdem, welche Queen nun während der Handlung im Stück gekrönt werden soll. Modernisiert wurde auch die Musik. Statt Akkordeon erklingt eine E-Gitarre bei der „Moritat von Mackie Messer“, ungewöhnlich, aber irgendwie interessant.

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Simon Zigah als Gangsterboss

Und wie in Bad Hersfeld üblich, ziert man die Stücke mit einigen Schauspiel-Stars. Hersfeldpreisträger Simon Zigah ist ein imposanter Gangsterboss Macheath mit faszinierendem Charisma und starker Bühnenpräsenz, die eben nicht nur Verlobte Polly Peachum (Gioia Osthoff mit gewöhnungsbedürftiger schnarrender Stimme) verzaubert, sondern auch seine verruchte Geliebte Spelunken-Jenny (stimmstarke Schauspielerin und Sängerin Anna Loos, die in 5 Vorstellungen im August von Lilo Wanders vertreten wird) und erste Ehefrau Lucy (Laura Dittmann als funkelndes Party-Girlie). Kein Wunder, dass Jonathan Jeremiah Peachum (Tatort Staatsanwalt Götz Schulte) als Besitzer der Firma „Bettlers Freund“ die Hochzeit seiner Tochter mit seinem ärgsten Konkurrenten mit allen Mitteln verhindern will. Seine sturzbesoffene Gattin Celia Peachum (herrlich komödiantisch gespielt von Katharina Pichler) ist nur bedingt eine Hilfe, und auch auf Polizeichef Brown (Bravourleistung von Oliver Urbanski) ist kein Verlass, unterstützt dieser doch Schwiegervater und Jugendfreund Macheath in allen Belangen, bis Macheaths Frauengeschichten ihn doch noch beinahe an den Galgen bringen…

Fazit: Trotz großartiger Bilder und routinierter Schauspielleistung des gesamten Ensembles mag der Groschen bei dieser teilweise überfrachteten Dreigroschenoper nicht fallen. Zumindest ich habe mich am Ende gefragt, was nun eigentlich die „Moral von der Geschicht“ tatsächlich ist. Trotzdem ist das Stück ein sehenswertes Bühnenspektakel für Fans der Dreigroschenoper, die mal eine völlig neue Inszenierung sehen wollen und sich darauf einlassen können.

© Text by Stephan Drewianka, Fotos by Stephan Drewianka und Bastian Zimmermann; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Musical Fachzeitschift Bilickpunkt Musical 04-24 – Ausgabe 130 

Infos zu der Freilichtbühne unter www.bad-hersfelder-festspiele.de

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Die Handlung der Dreigroschenoper

In London laufen die Vorbereitungen auf die Krönungsfeierlichkeiten, auch bei den von Jonathan Peachum streng organisierten Bettlern, die ihm zu diesem Fest ein sattes Geschäft durch eine horrende Beteiligung an ihren Betteleinnahmen garantieren. Doch seine Tochter Polly verliebt sich in den größten Verbrecher der Stadt, den Geschäftsmann Mecheath mit Spitznamen Mackie Messer. Sie brennen durch und heiraten. Einer der Hochzeitsgäste ist Polizeichef Tiger Brown, der bereits seit seiner Kindheit mit Mecheath befreundet ist. Auch nach der Heirat gibt Mecheath seine Donnerstagstermine im Bordell nicht auf, und Peachum besticht Jenny, die Bordellprostituierte, damit sie Mecheath denunziert. Er wird verhaftet und diesmal kann ihm auch der Polizeichef nicht helfen, denn Peachem droht, mit seinen Bettlern die Krönungsfeier zu stören. Die Tochter des Polizeichefs Lucy befreit ihn zwar, doch als Polly erfährt, dass Mecheath auch mit Lucy verheiratet ist, wendet sie sich von ihm ab und unterstützt ihre Eltern darin, Mecheath an den Galgen zu bringen. Die Huren kennen noch weitere intime Details des berüchtigten Frauenhelds. Buchstäblich in letzter Minute kommt die Rettung von unverhoffter Seite, Mackie Messer wird begnadigt und in den Adelsstand erhoben…

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Weill vertonte Brechts Ideen

Mit dem Engagement von Komponist Kurt Weill, der mit seinem dissonanten Jazz-Stil nur von wenigen Kritikern geschätzt wurde, war man zunächst nicht besonders glücklich. Doch Weill vertonte Brechts Ideen mit Bravour, schrieb er doch einige Balladen seiner Frau Lotte Lenya, die in der Uraufführung die Spelunken-Jenny gab, auf den Leib. Während der Proben sprangen viele Schauspieler aus den unterschiedlichsten Gründen kurzfristig von dem »völlig unzugänglichem Stück« ab. Hauptdarsteller Harald Paulsen wollte nicht darauf verzichten, mit seiner geliebten blauen Fliege aufzutreten, die jedoch gar nicht zu der Rolle eines Gangsterbosses passen wollte und verlangte kurz vor der Premiere einen eigenen Song, der besser seinen Charakter im Stück einführte. Daraufhin schrieb Kurt Weill mit knirschenden Zähnen den Song »Die Moritat von Mackie Messer« (»Und der Haifisch, der hat Zähne«), der später ein Welthit werden sollte. Nach der erfolgreichen Premiere am 31. August 1928 sang man auf den Strassen Berlins den »Kanonensong«, die »Ballade von der sexuellen Hörigkeit«, den »Song vom Nein und Ja« und »Denn wovon lebt der Mensch?«. Die Dreigoschenoper wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt (u.a. 1962 mit Curd Jürgens, Hildegard Knef , Gert Fröbe, Lino Ventura  und Walter Giller).

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