„Bonifatius“ - Das Musical 2024 Open-Air in Fulda
Das „Salz der Erde, Licht der Welt“ - Bonifatius noch einmal auf dem Domplatz Fulda
Im Jahr 2004 präsentierte die bis dahin noch völlig unbekannte Musical-Produktionsschmiede „Spotlight Musicals“ ein Musical über Fuldas Missionar „Bonifatius“ zu dessen 1250. Todestag als respektables Erstlingswerk, dem bis heute noch acht weitere Weltpremieren folgen sollten. 2019 gelang dem Musical zum Stadtjubiläum von Fulda ein spektakuläres Comeback mit einer Produktion, die die Grenzen des ortseigenen Schlosstheaters sprengen sollte. Vor dem Dom, der das Grab des heiligen Bonifatius beherbergt, inszenierte Stefan Huber das Spotlight-Musical als Mega-Event mit den Kölner Symphonikern als großes Live-Orchester unter der Leitung von Inga Hilsberg und einem über 100-köpfigen Chor unter der Leitung von Marcel Jahn als stimmgewaltige Unterstützung der 27 Darsteller auf der 52 Meter breiten Bühne. Bis zu 4500 Zuschauer fanden Platz auf den eigens errichteten Tribünen. Insgesamt sahen 35.000 Besucher eine Preview, drei reguläre und vier Zusatzshows wegen der hohen Ticketnachfrage beim Vorverkauf.
Thomas Borchert als Bonifatius
Eigentlich sollte das Open-Air Musicalspektakel 2019 einmalig sein, doch im Jahr 2024 feiert „Spotlight Musicals“ ihr 20-jähriges Bestehen, und was könnte besser geeignet sein, diesen Geburtstag mit allen Fans zu feiern, als neben einer Geburtstagsgala „Bonifatius“ noch einmal aufleben zu lassen? Eine 1:1 Umsetzung der Show aus 2019 konnte es aber nicht werden, denn Regisseur Stefan Huber verstarb zwischenzeitlich und auch Reinhard Brussmann, der gefeierte Original-Bonifatius-Darsteller ist in seinen wohlverdienten Musical-Ruhestand gegangen. Michael Schüler führte nun Wiederaufnahme-Regie, ohne Stefan Hubers Konzept groß zu verändern, und mit Thomas Borchert fanden Produzent Peter Scholz und Komponist Dennis Martin einen spannenden Ersatz für die Titelrolle. Die Zuschauerplätze konnten auf über 6100 erweitert werden und ein neues Licht- und Beschallungskonzept sollte für noch klareren Ton und brillante Optik sorgen, wenn der Dom sich zur Kreuzsetzung mit dem Song „Salz der Erde“ in ein kunterbuntes Kirchenmosaik verwandelt.
Historische und Rahmen-Handlung
Nach dem Buch von Zeno Diegelmann wird die Geschichte des Kirchenmannes Bonifatius erzählt, der im 8. Jahrhundert von England nach Germanien gerufen wird, um die Heiden östlich des Rheins zum christlichen Glauben zu konvertieren. Bonifatius stehen sein Schüler Sturmius und die beiden Söhne Pippin und Karlmann des fränkischen Hausmeiers Karl Martell zur Seite. Von einem verlassenen Anwesen, das von Alrun und ihrem Bruder Luidger bewirtschaftet wird, brechen die Missionare auf, um den heidnischen Friesenkönig Radbod zu stellen. Als an der Donareiche dem Stammesgott Donar eine Frau geopfert werden soll, beendet Bonifatius das heidnische Ritual mit einer Axt und ein Blitz fällt die Eiche. Die Heiden sehen in Bonifatius Tat einen mächtigeren Glauben und lassen sich taufen, wobei Bonifatius Hilfe von seiner Cousine, Äbtissin Lioba, bekommt. Als von einer Mutter Kritik an den Methoden der Kirche, die sich an den Armen bereichert, laut wird, erkennt er die wahren Motive von Bischof Gewilip in Mainz und beginnt, an seiner Missionierung zu zweifeln, basiert sie bei den Heiden nicht auf Überzeugung, sondern auf Angst. Bonifatius will dem Bischof das Handwerk legen und schickt Sturmius, der sich immer mehr zu Alrun hingezogen fühlt, zum Papst, um Gewilip absetzen zu lassen. Der entmachtete Bischof schwört auf Rache, während Bonifatius nun dessen Platz in Mainz übernehmen soll und Sturmius mit dem Bau eines Klosters in Fulda betraut. Gewilip verbrüdert sich mit Radbod und lockt Bonifatius und Luidger mit einem gefälschten, päpstlichen Schreiben zurück nach Fulda. Auf der Reise geraten beide in den geplanten Hinterhalt und Radbod tötet Luidger und verletzt Bonifatius, obwohl er Gewilips Rache längst verurteilt. Alarmiert von einem päpstlichen Gesandten kommen Sturmius und seine Gefährten zu spät zum Tatort, Gewilip entzieht sich seiner Gefangennahme durch Gift, während Bonifatius in Sturmius Armen stirbt. Damit Sturmius Bonifatius Werk vollenden kann, verzichtet er auf seine Liebe zu Alrun.
Die historische Handlung wird erzählt von Priester Willibald, der von Bonifatius Nachfolger Bischof Lullus beauftragt wird, eine Chronik zur Heiligsprechung von Bonifatius zu erstellen, den Missionar dafür in „überirdischem“ Licht darzustellen und geschichtliche Fakten kreativ „anzupassen“. Dieser phantastische Regie-Kniff trennt die eigentliche Geschichte des Bonifatius von Mythen und Legenden, wie „Bonifatius hat die Donareiche mir seinen eigenen Händen gefällt“, oder „Die Heilige Schrift hat das Schwert des Heiden aufgehalten, Bonifatius Herz zu durchbohren“. Eine zweite Rahmenhandlung, bei der die Darsteller in der Jetztzeit im Dom-Museum einbrechen, um sich für das Stück über Bonifatius von den Original-Reliquien inspirieren zu lassen, um dann in die Rollen auf der Musicalbühne zu schlüpfen und sie für den Finalsong wieder in grauen Alltags-Jeans zu verlassen, ist hingegen eher verwirrend.
Die Darsteller und ihre Rollen
Die größte Änderung dieser Neuinszenierung ist Thomas Borchert in der Titelrolle des Bonifatius. Während Reinhard Brussmann mit seinem tiefen Bass eine unglaubliche Ruhe und väterliche Wärme ausstrahlte, zeigt Thomas Borchert einen agilen und kämpferischen Mann, der mit seinem Glauben hadert. Gesanglich präsentiert Borchert die Hymnen mit seiner unverwechselbaren Stimme anders als Brussmann, welche Variante den Zuschauern besser gefällt, ist individuelle Geschmackssache. Friedrich Rau, der 2019 für seine Rolle als Sturmius mit dem „Da Capo Musical Award“ als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, wiederholt seine Leistung als verliebter Klosterschüler, der sich zwischen der körperlichen Liebe und geistlicher Enthaltsamkeit entscheiden muss. Raus gefühlvolle Stimme harmoniert perfekt mit der seiner Partnerin Sabrina Weckerlin. Beide waren schon in „Der Medicus“ ein Traumpaar, bei Bonifatius traf sich das Gespann aber erst in diesem Jahr, obwohl Sabrina Weckerlin bereits 2010 in die Rolle der Alrun schlüpfte. Das gemeinsame Liebesduett „Wenn das wirklich Liebe ist“ ist sicherlich ein Höhepunkt des Abends. Weckerlins Solo „Wann trägt der Wind mich fort“ unterstreicht noch einmal ihre unglaubliche Stimmkraft, die diese Sängerin seit Beginn ihrer Karriere auszeichnet. Karsten Kenzel unterstützt als Luidger die Missionare bei ihren Tätigkeiten, ist Alrun ein liebevoller Bruder und opfert sich am Ende selbstlos auf. Anke Fiedler ist als Äbtissin Lioba eine quirlige, „starke Frau“, die die Emanzipation schon vor 1270 Jahren unter ihrem Habit trägt. Der vermeintliche Bösewicht im Stück, der heidnische Friesenherzog Radbod, wird erneut fantastisch verkörpert von Andreas Lichtenberger, der schon bei Spotlights „Die Schatzinsel“ einen herrlichen Piratenkapitän Long John Silver gegeben hat. Bei Bonifatius stellt er einen „Barbaren“ mit Prinzipien dar, der zwar seinen Vorteil nutzen will, den eigentlichen „Unsymp“ der Show, Bischof Gewilip, unschlagbar selbstherrlich dargestellt von Frank Josef Winkels, aber moralisch verachtet. Und dann sind da noch zwei weitere Pärchen, die ein ungleiches Gespann bilden. Die Brüder Karlmann und Pippin werden komödiantisch auflockernd im ach so düsteren Heidenland gespielt von Simon Staiger und Tom Schimon, die jeden Lacher auf ihrer Seite haben. Auf ihre eigene Weise komisch sind auch die beiden Erzähler des Stückes, Alexander von Hugo als phantasievoller Chronist Willibald, der von seinem Auftraggeber Max Gertsch alias Bischof Lullus immer wieder ermuntert wird, Bonifatius als den Heiligen zu glorifizieren, der er nach seinem Willen werden soll. 17 weitere Darsteller komplettieren das Ensemble, das in der Choreografie von Danny Costello die imposante Bühne bespielt.
Kostüme, Bühne und Ausstattung
Das Kostüm- und Bühnenbild von Okarina Peter und Timo Dentler wurde bereits 2019 eingesetzt, hat aber von seiner Faszination nichts eingebüßt. Im Zentrum der runden Bühne, die in 16,5 Metern Höhe einen schwenkbaren runden „Deckel“ hat, steht zunächst eine Stoffsäule, die die Donareiche darstellt. Wenn Bonifatius (oder doch ein Blitz) diese fällt, finden sich die Jahresringe des gefällten Baumes auf der Bühne als Zeichen zeitloser Beständigkeit. Als Requisiten werden nur wenige Gegenstände benötigt. Aus Tischen wird eine lange Tafel, ein römischer Beichtstuhl oder ein christliches Kreuz geformt, und dienen Alrun und Sturmius auch als Liebesnest. Die Kostüme sind durch die zweite Rahmenhandlung in Moderne und Mittelalter im Zwiebelschalenprinzip vereint: die Darsteller tragen zu Beginn graue Jeans und Shirts und stülpen sich die Mittelalterkleidung über. So sind bei Rittern, Mönchen und selbst unter Alruns gelbem Kleid noch die modernen Jeans zu sehen. Gewilips „Höllengefolge“ ist ein blutroter, mit Pailletten geschmückter Glitzerbasar gefallener Engel, die Flügel zu Hotpants tragen. Das Lichtdesign von Pia Virolainen und Svein Selvik taucht die Szenen je nach Stimmung in die Farben Blau, Rot und Grün, und zusammen mit der Videoprojektion von Sven Sauer entstehen in Erinnerung bleibende Bilder einer Sonnenfinsternis oder eines Kirchenmosaiks auf dem imposanten Fuldaer Dom.
Nach 2019 bleibt Bonifatius auch 2024 bei über 65.000 Besuchern als ultimatives Musical-Spektakel lange in Erinnerung. Damit das Andenken nicht verblasst, wünscht man sich eine Gesamtaufnahme auf CD, die das imposante Klangerlebnis aus Orchester, Chor und Darstellern für die Ewigkeit festhält, da diese Aufführungsreihe die letzte vor dem Dom gewesen sein soll. Wir bleiben gespannt, was das nächste Jubiläum bringen wird.
© by Stephan Drewianka, Musical-World.de; © Fotos: Stephan Drewianka
Alles zum Musical Bonifatius bei Sound Of Music!