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Konzert-Reihe Musical on Ice auf Tournee

Eis-Zeit: Musical-Stars auf rutschigem Parkett

Eine coole Sache: Ohrwürmer und Pirouettenzauber in Dinslaken

Nun ist auch die zweite Staffel von „Musical on Ice“ Geschichte, während hinter den Kulissen die Planungen für die dritte Auflage des coolen Spektakels längst begonnen haben. Knapp 5000 Besucher aus allen Teilen Deutschlands hatten Anfang Februar den Weg ins niederrheinische Städtchen Dinslaken gefunden – angelockt von großen Namen aus der Welt des Musik-Theaters und der Eiskunstlaufszene. Damit dürfte sich das neue Show-Format, das Anfang 2002 an gleicher Stelle seine Premiere gefeiert hatte und bei dem in diesem Jahr Dr. Jürgen „Zappo“ Schwalbe Regie führte, wohl endgültig etabliert haben. Es ist das (etwas anders gestrickte) winterliche Pendant zu den beliebten Sommernächten des Musicals im hiesigen Burgtheater und mag im Verein mit diesen dazu beitragen, den Ruf des Ortes als „heimliche Musicalhauptstadt Deutschlands“ weiter zu festigen. 

Was die hochkarätige Besetzung dieser auf vier Durchläufe gestreckten Reihe anbelangt, gibt es deutschlandweit wohl nichts Vergleichbares. Da feierte die erste Garnitur der Szene gut gelaunt ein klangvolles, märchenhaftes Fest, gaben sich Top-Stars die Klinke (und die Kufen) in die Hand. Mit Uwe Kröger, Ethan Freeman, Maricel, Carolin Fortenbacher, Peti van der Velde, Reinhard Brussmann, David Moore, Jessica Kessler, Patrick Stanke und Stefan Stara hatten die Veranstalter um Thomas Bauchrowitz und Bertram Ernst auch diesmal wieder ausnahmslos musical-ische Schwergewichte auf das rutschige Parkett geschickt. Da kann man nicht meckern.

Den Vokal-Artisten gegenüber standen exponierte Vertreter des internationalen Eiskunstlaufs, hoch dekorierte Sportler wie Marina „Flamena“ Kielmann (Ex-Europameisterin und vierfache deutsche Meisterin), das Eistanzpaar Jill Vernekohl/Dimitri Kurakin, die deutsche Jugendmeisterin Anna Marie Mai, Andrey Primak, der König der Dreifachsprünge, oder Anton Smirnov, Dritter der russischen Meisterschaften. Was die einen in der Kehle hatten,  hatten die anderen in den Beinen. Sie bündelten ihre Kräfte, um das Publikum in ein von kauzigen Gestalten bevölkertes Reich der Fantasie zu entführen, in dem es zwar verdammt kalt war, wo aber das Gute letztendlich über das Böse siegt. Und da waren Anja Reichelts „Kinds on Ice“, 40 quicklebendige Nachwuchstalente im Alter zwischen 3 und 20, die in ihren prächtigen, von Ingeborg Kettner kreierten Kostümen und in erstaunlich präzisem Synchronismus für Farbtupfer auf der gefrorenen Wasserfläche sorgten.

Faszinierende Kombination

Es ist gerade diese Kombination aus Ohrwürmern und Pirouettenzauber, die Synthese aus  ästhetischem Hochleistungssport, Tanz und Vokalkunst, aus der das Ganze seine faszinierende, abwechslungsreiche Spannung bezieht. Die Geschichte vom fiesen „Eishauch“ (Reinhard Brussmann), wohl ein entfernter Arktos-Verwandter aus Tabaluga & Lilli, der den Dinslakener Stadtteil „Lumen“ in Dunkelheit, „Totale Finsternis“ und eisige Starre stürzen will, und die seiner beiden Widersacher, des skurrilen, großnasigen Trolls Wurlon (Stefan Stara) und der guten, schönen Fee Velia (Jessica Kessler), die ihr  (Laternen-)Licht trotz hoffnungsloser Lage nicht unter den Scheffel stellen, ist eher zweitrangig. Sie dient als Überleitung zwischen den 25 Songs und liefert die Stichworte.

Mozart auf der Reeperbahn

Die Musical-Hits, ob nun aus Tanz der Vampire, Les Misérables, Aida, Mamma Mia, Mozart,  Gaudi und weiteren Produktionen, sprechen sowieso für sich, erlangen aber, in diesen neuen Kontext gestellt und optisch durch die ausgefeilten Schauläufe der Kufenartisten verstärkt, noch einmal eine andere, inhaltliche  Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser Storyline die Kurve zur Hamburger Reeperbahn (nachts um halb eins) kriegen zu wollen, war schon gewagt. Aber der „Meister der Nussecken“ schaffte diesen Spagat und besang als Süßwasserkapitän vom „Kap Horn“ die „Große Freiheit“ mit viel Körpereinsatz, Klamauk und „Aloha he“. Mit Guildo Horn als Special-Guest hatten die Organisatoren einen Entertainer verpflichtet, der inmitten der honorigen Musical-Künstler wie ein Exot wirken musste, sich aber nahtlos einreihte und, wie erwartet, das Publikum gehörig aufmischte.

Punkte für Freeman

Ob solo, im Duett oder in geschlossener Ensembleformation, die Protagonisten zeigten sich ausnahmslos gut disponiert, wobei vor allem Ethan Freeman mit seiner  „Gier“ punkten konnte und sich mit „Wie kann ich sie lieben“ aus Die Schöne und das Biest wohl schon mal für künftige Aufgaben empfohlen hat.  Nach dem Opener „Come together“ aus der Feder von Bertram Ernst, der mit der von Reinhard Brussmann eindrucksvoll intonierten „Symphony of Coldness“ und „Into the light“ (Jessica Kessler /Stefan Stara) erneut zwei  eingängige  (und auf CD veröffentlichte) Hymnen für die diesjährige MoI-Auflage beigesteuert hatte, ging es fast drei Stunden lang Schlag auf Schlag.

Sterne gesehen

Dass Maricel „Sinn für Stil“ beweisen würde, war zu erwarten, und die Sterne -  da ließ Aida ein weiteres Mal grüßen - waren weder gegen sie, noch ihren Duett-Partner Patrick Stanke. Im Gegenteil: Selbige ließen es auch noch Gold regnen. Auch „Donna“ Carolin Fortenbacher nutzte die Gunst der Stunde, mit Mamma Mia trefflich Werbung für ihr aktuelles Stück zu machen, erwies Edith Piaf ihre Reverenz und besang mit Uwe Kröger „The last night of the world“. „Sterne“, die Kröger als Inspektor Javert anrief, mag er nach einer schmerzhaften Bruchlandung auf dem Eis auch tatsächlich gesehen haben, um sich darob später die Frage „Wie kann es möglich sein“ zu stellen. Doch der Künstler ließ sich durch diesen Ausrutscher nicht aus dem Konzept bringen. The show must gon on. Tat sie auch, wobei vor allem der junge Oliver Nagy mit „Tomorrow“ aus Disneys Annie aufhorchen ließ. Und erfreulicher Weise gab es, wie versprochen, nicht nur am Ende des Tunnels ein Licht, sondern natürlich auch eines am Ende der Pause. Da ging es, wenn auch auf Umwegen, doch noch „Into the light“, Abstecher ins „Shadowland“ (Peti van der Velde) und andere düstere Regionen inklusive.

Nicht nur Mainstream

Die Musik kam nicht aus der Konserve, sondern wurde von einer hervorragenden neunköpfigen Live-Band unter der Leitung von Bertram Ernst präsentiert. Der Toningenieur war um seinen Job, den Sound in der hall-lastigen Eisarena auszusteuern, nicht zu beneiden. Aber im Großen und Ganzen war der Klang o.k. Bei der Liedauswahl hatten sich die Verantwortlichen diesmal nicht nur alleine vom Massengeschmack leiten lassen, sondern sich hier und da schon mal etwas abseits der ausgetrampelten Pfade bedient und dabei die ein oder andere seltener gehörte Melodie-Perle ausgegraben. Es müssen ja auch weiß Gott nicht immer diese ausgeleierten Standards a la „Memory“ und Opernphantom sein.

Angesichts der Tatsache, dass sich das Publikum nicht nur aus ausgewiesenen „Experten“, Musical-/Eisportfans und Insidern rekrutierte, wären einige erläuternde Zwischenmoderationen sicherlich nicht verkehrt gewesen. Ein paar ergänzende Infos zu Titel, Interpreten und Sportlern, so launig vorgetragen wie im vergangenen Jahr, hätten dem Ganzen eine etwas persönlichere Note gegeben und auch dem Otto-Normal-Konsumenten das Gefühl vermittelt, dazu zu gehören. Für letztere waren die spärlichen , auf eine Videoleinwand projizierten Angaben nämlich eher nichts sagend. Auch entstand dadurch mitunter der Eindruck, als liefe hier eine gut geölte, durchautomatisierte Unterhaltungsmaschinerie ab, was aber nachweislich nicht der Fall und so auch nicht gewollt war. Seinen besonderen Charme schöpft „Musical on Ice“ nämlich aus der lockeren Aneinanderreihung der einzelner Sequenzstränge sowie der zwangslosen, nachgerade verspielt wirkenden Interaktion zwischen Profis und engagierten Amateuren, ohne dass hier das andernorts oft verkrampft wirkende Streben nach geschliffener Perfektion dominiert. Der erkennbare Spaß an der Freud steht im Vordergrund, auf Seiten der Handelnden, wie der des Publikums. Und so soll es auch bleiben. Dass es im nächsten Jahr eine Neuauflage gibt, ist beschlossene Sache. Und inzwischen haben auch andere Veranstalter in Deutschland verschärftes Interesse bekundet, „Musical on Ice“ zu übernehmen. Entsprechende Verhandlungen mit Veranstaltern laufen. Schaun’ `mer mal.

© by Jürgen Heimann

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