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Theater
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Pfingst-Gala: Tecklenburg legte furiosen und temperamentvollen Saisonstart hin

Hochkarätiges Star-Aufgebot läutete den Musicalsommer 2009 ein

Kaiserwetter bei Audienz der Kaiserin – Das war ein Auftakt nach Maß

Wenn’s auch abgedroschen und plattitüdenhaft klingt, es trifft den Kern der Sache: Das war ein Auftakt nach Maß! Mit einer furiosen Eröffnungs-Gala sind die Tecklenburger Freilichtspiele am Pfingstmontag in die neue Saison gestartet. Der Beginn der Spielzeit war zugleich ein großes, klingendes Versprechen auf anstehende Bühnenfreuden. Und die Premiere von „Evita“ vor wenigen Tagen am 20. Juni  zeigte, dass Intendant Radulf Beuleke und die Seinen damit den Mund nicht zu voll genommen hatten.

Über 2.000 Menschen drängten sich unter dem schützenden Zeltdach von Deutschlands größtem Freilicht-Musiktheater, als das neue Aufführungsjahr eingeläutet wurde. Die Show fand sich wieder auf ihrem terminlich angestammten Platz am zweiten Pfingstfeiertag. Und die riesige Plane über dem Zuschauerbereich war angesichts des vorherrschenden „Kaiserwetters“ zumindest an diesem Abend überflüssig. Großflächige, Schall absorbierende Elemente an der dem Wohngebiet zugewandten Seite der Arena bewiesen, dass es die Freilichtspiele Ernst meinen mit dem Lärmschutz. 

„Die bislang mit Abstand gelungenste und temperamentvollste Pfingstgala“, bilanzierte ein leicht erschöpfter Gast nach dem mehr als dreistündigen Bühnenfeuerwerk. Eine Meinung, mit der er am Ende dieses ereignisreichen Abends nicht alleine stand. Das Motto „Musical meets Pop“ ist zwar seit Jahren unverändert geblieben, aber immer wieder gelingt es den Hausherren, neue Akzente und Inhalte zu setzen. Wobei die Zielsetzung allerdings immer die Gleiche ist: Werbung für und Appetit auf die Inszenierungen der aktuellen Spielzeit zu machen. Diese Rechnung mag aufgegangen sein.
Keinem anderen Veranstalter in Deutschland glückt es, bei einer Gala ein solch hochkarätiges Staraufgebot zu bündeln und zu vereinen. Und diesmal hatten sich die Tecklenburger besonders zur Decke gestreckt. Im von mittelalterlichen Mauern umflankten Theater auf der Burg gab sich die Elite des deutschsprachigen Musicals die Ehre. Allen voran „Kaiserin“ Pia Douwes, die sich damit nach mehrjähriger Abstinenz bei den Münsterländern und ihren Gästen wieder nachhaltig in Erinnerung rief.  Die schillernde Damenriege wurde durch eine weitere international reputierte Künstlerin verstärkt: Anna Montanaro. „Scaramouche“ Vera Bolten, die beim hiesigen Publikum spätestens seit „Les Misérables“ einen dicken Stein im Brett hat, und Tecklenburg -Debütantin Zodwa Selele, die aktuellen „Aida“ dieses Sommers, komplettierten das exquisite Quartett der stimmstarken Ladies.

Von Ägypten bis Pompeji

Und auf der anderen Seite die „Herrn der Schöpfung“: Die „Teck“-Neulinge Yngve Gasoy -Romdal und  „DMJ“ David-Michael Johnson sowie Marc Clear und Sascha Krebs. Alles in allem eine prickelnde personelle Mischung.  Und mit Klaus Hillebrecht und seiner Band im Rücken konnte da eigentlich gar nichts schief gehen. Dem Motto der Show entsprechend servierten die blendend aufgelegten Künstler einen schwungvollen und außergewöhnliche Mix aus dem Musical- und Pop -Bereich. Zwar nicht von Abba bis Zappa, aber von „Aida“ bis „Pompeji“ bzw. von Bruce Springsteen bis Robbie Williams. Und zwischendurch eine Brise „Wicked“, eine Dosis „Starlight Express“, ein Quentchen „Jekyll & Hyde“ sowie etwas „Cabaret“, „Tarzan“, Tina Turner und Tom Jones.

Das gefährliche Spiel des Che Guevara

Dass Pia Douwes um “Ich gehör’ nur mir” nicht herumkommen würde, war klar. Das kann nur sie so singen! Und ihr wunderschönes „Elaborate Lives“ aus „Aida“ mit Marc Clear als Duett-Partner war sicherlich ein Highlight der an vokalen Bonbons nicht gerade armen Veranstaltung. Mit dem „Gefährlichen Spiel“ knüpften „La Montanaro“ und ihr norwegischer Traumpartner an ihre glorreichen „Jekyll & Hyde“-Tage im Kölner Musical-Dome an. Seitdem hat man die beiden nicht mehr gemeinsam auf einer Bühne erleben können. Ausgiebig Gelegenheit dazu besteht in den nächsten Wochen bei „Evita“, wo Yngve Gasoy-Romdal erstmals als „Che“ zu  sehen und zu hören ist, während Anna M. die Titelrolle trägt. Auch und gerade als Solistin bewies die ehemaligen Kunstturnerin ihre Klasse – beispielsweise  mit dem Chanson „Wie sich die Mühlen drehen im Wind“ im zweiten Teil der Gala. Auch ihr skandinavischer Partner scheint richtig Gefallen an seiner neuen Aufgabe als Revoluzzer gefunden zu haben. Mit (der englischen Version von) „Jung schön und geliebt schraubte Gasoy-Romdal die Erwartungen der Fans auf seine Rollenauskleidung in „Evita“ ziemlich nach oben. Hochklassig!

Vera Bolten hatte u.a. einen wunderschönen Titel aus „Wicked“ im Petto: „Heiß geliebt“. Aus dem Fundus dieser magischen Hexenwelt schöpfte auch Pia Douwes mit „Defying Gravity“ noch einmal. Sascha Krebs, der zwischendurch auch mal zur Klampfe und zum Akkordeon griff, hatte mit „Etwas muss bleiben“ einen eindringlichen Ohrwurm aus dem herrlichen neuen Musical „Pompeiji“ mitgebracht und machte auch als moderierender Damfplauderer eine exzellente Figur.

DMJ knipste das berühmte Licht am Ende des Tunnels an und ließ mit „Man in the Mirror“ Michael Jackson ziemlich alt aussehen, während Marc Clear sich u.a. mit „Eine Pyramide mehr“ schon mal für „Aida“ warm sang, wo er als „Zoser“ Intrigen zu spinnen gedenkt. Und so richtig Neugier auf diese ägyptische Romeo & Julia-Geschichte mit einer Fülle eindringlicher Hörperlen von Elton John vermochte Zodwa Selele zu wecken. Mit ihr als nubische Prinzessin haben die Hausherren, und das scheint jetzt schon fest gestehen, eine blendende Wahl getroffen.

Mit Rod Stewart auf Segeltörn

Ein temperamentvoll arrangiertes Beatles-Medley  rundete die Ohrwurmparade ab, ehe die gesamte, durch Mitglieder der German Musical Academy Osnabrück verstärkte Cast  mit Rod Stewart auf Segeltörn ging: „I am Sailing“ war eine grandiose, mit Gespür ausgewählte Finalnummer, die fließend in „Rhythm of my Heart“ überging, bei dem stilgerecht drei Dudelsackbläser das Kommando auf der Bühne übernahmen. Und der „Boss“ sollte schließlich auch noch mal zu Wort kommen: Bruce Springsteens „American Land“ hatten sich die Akteure als Zugabe bis ganz zum Schluss aufgehoben.

© Text: Jürgen Heimann; Fotos: Heiner Schäffer