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Theater
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Saison-Eröffnungsgala 2008 in Tecklenburg mit sieben prominenten Künstlern

Mitreissender Melodien-Zauber zwischen Musical, Pop und Picknickkörben in Tecklenburg

Eine Woche früher, wie sonst auch, und das Wetter wäre traumhaft gewesen. So aber litt die verspätete Tecklenburger Pfingstgala etwas unter den kühlen Temperaturen, was aber durch den temperamentvollen Mix auf der Bühne mehr als wett gemacht werden konnte. Die Besucher im vollbesetzten Theater-Auditorium der weitläufigen Open Air-Bühne klatschten sich in Rage. Die traditionelle Eröffnungsshow der Freilichtspiele Tecklenburg geriet so wieder zu einem fulminanten Appetitmacher für kommende Inszenierungsfreuden. Neben fünf namhaften, erfahrenen Künstlern aus der schillernden Musicalwelt hatten Intendant Radulf Beuleke und die Seinen zwei viel versprechende „Youngster“ aufgeboten, von denen man in den nächsten Wochen und Monaten auf Deutschlands größter Freilichtbühne noch mehr zu hören und zu sehen bekommen dürfte: Nadine Schreier und Thomas Klotz werden bei „Footloose“, der neben Mozart! zweiten großen Produktion dieses Jahres, als „Ren“ und „Ariel“ die Hauptrollen übernehmen. Eine Wahl, die die beiden hoffnungsvollen Talente, denen man ihre anfängliche Nervosität kaum ansah, durch eine mitreißende Performance zu rechtfertigen verstanden.

Aus dem Lande OZ angereist war die Hexe „Elphaba“ – allerdings nicht auf einem Besen. Willemijn Verkaik war auch nicht grün im Gesicht, dafür aber stimmlich bestens disponiert. Die sympathische Niederländerin war vor zwei Jahren - gleiche Welle, gleiche Stelle - schon einmal in „Teck“ zu Gast gewesen, damals allerdings noch als amtierende „Killer-Queen“ aus dem „Ga-Ga“-Land. Bettina Meske komplettierte das imponierende Damen-Trio. Die Berlinerin hatte hier im Jahr zuvor  als „Nellie“ und „Lady Beaconsfield“ bei „Jekyll & Hyde“ einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Vier Männlein, drei Weiblein

Mit vier Köpfen leicht in der Überzahl waren bei den Protagonisten die Herrn der Schöpfung: Jesper Tyden, Marc Clear, der bereits erwähnte Thomas Klotz und, alle Jahre wieder, Sascha Krebs. Tyden, dem Charmebolzen aus Schweden, glückte als Münsterland-Debütant ein glänzender Einstand, während Clear als Inspektor Javert i.R. beim hiesigen Publikum seit seinem Les-Mis-Triumph vor zwei Jahren sowieso einen dicken Stein im Brett hat. Man/frau freut sich schon auf ihn als Fürstbischof Colloredo. Und Sascha Krebs ist nicht nur ein extrem wandlungsfähiger Künstler, sondern auch ein Entertainer mit einer ziemlich großen Klappe. Als Co-Moderator und Dampf-Plauderer hat der langmähnige Stiefeletto immer die Lacher auf seiner Seite. Und deshalb ist es stets ein Vergnügen, wenn sich „TH. G“ das Mikro schnappt.

Den klangvollen Rahmen knüpften, wie in jedem Jahr, Klaus Hillebrecht und seine Gala-Band. Insofern konnte auch in dieser Hinsicht nichts schief gehen. Drei Backgroundsänger assistierten den „Headlinern“, die sich mal als Solisten, mal im Verein mit den Kollegen/innen empfahlen, dezent abseits des Scheinwerferlichtes. Das mehr als dreistündige Programm beinhaltete, der Tageslosung entsprechend, wieder eine quicklebendige Melange aus Pop-Hits und Musical-Titeln, wobei letztere traditionell im ersten Teil der Show dominierten.

Flotte Sohlen, schöne Stimmen

Der Bogen spannte sich von aktuellen bis hin zu klassischen Werken, reichte von den Musketieren über „We will rock you“, „Dracula“ und „Chicago“ bis hin zur „West Side Story“. Natürlich sind diese Eröffnungs-Galas auch immer eine willkommene und gern genutzte Gelegenheit, für die jeweils aktuellen Produktionen des Tecklenburger Theatersommers zu werben. Da rockt und rebelliert ja in diesem Jahr an vorderster Front das Genie aus Salzburg, und da war dessen Gegenspieler und Brötchengeber Colloredo-Clear mit „Wie kann es möglich sein“ der richtige Mann am richtigen Platz. Willemijn Verkaik steuerte mit „Irgendwo wird immer getanzt“ einen weiteren Showstopper aus diesem genialen Kunze/Levay-Hit bei, während Nadine Schreier und Thomas Klotz mit „Almost Paradise“ bzw. „I can’t stand still“ aus dem zweiten Saisonstück zitierten. Dessen treibender, von der gesamten Cast intonierter Titelsong „Footloose“ war in Folge gleich zweimal dazu angetan, das Publikum von den Sitzen zu scheuchen. Die beiden jungen Talente stehen erst am Beginn ihrer (großen) Karrieren. Von ihnen dürfte man in den nächsten Jahren sicherlich noch einiges zu hören und zu sehen bekommen.

Bettina Meske hatte sich u.a. „Sei gut zu Mama“ aus „Chicago“ ausgesucht. Ihr gelang damit einer von zahlreichen Highlights der klangvollen Sause, zu denen vor allem aber auch Jesper Tydens und Willemijn Verkaiks „Tonight“-Duett aus der „West Side Story“ sowie Clears Paradenummer „Engel aus Kristall“ gerechnet werden müssen. Bestechend auch „Jonathans Versprechen“ aus Dracula, mit dem Jesper Tyden schon ganz zu Anfang aufgezeigt hatte, wo der Hammer hängt. Nadine Schreier und Marc Clear spielten ein packendes, gefährliches „Jekyll“-Spiel, Sascha Krebs punktete u.a. mit „Call me Al“ von Paul Simon  und mit „Straight ahead“ aus dem Musical „Paris“, während „Big Girls – Live“ und „River Deep Mountain High“, jeweils von Männlein und Weiblein getrennt interpretiert, ihre Wirkung als Mitgehnummern nicht verfehlten. Es war eine volle, stimmungsvolle Ladung, die den Besuchern um die Ohren flog. Geschickt gewürzt und mit Gespür zusammen gestellt ließ der Reigen aus Evergreens, Hits und teilweise auch unbekannten Melodieperlen alle auf ihre Kosten kommen. Und deshalb ist diese Auftakt-Veranstaltung mit ihrem familiären, ungezwungenen Ambiente auch seit Jahren eine Art Selbstläufer und stets ausverkauft.

Kauend daneben benommen

Dass einige der Gäste den Bogen mitunter überspannen und sich aufführen, als wähnten sie sich beim Picknick auf einem Autobahnrastplatz, trübt das Vergnügen allerdings etwas. Wenn 15 bereits mehr oder weniger ergraute End-Fünfziger in Reihe 12 die Fresskörbe auspacken, Käsehappen, Weintrauben, Schinkenröllchen, Sektpullen, Mini-Salamis und Paprikastückchen hin- und herwandern lassen, ist das für die Sitznachbarn vor, hinter und neben diesen auf Dauer doch etwas nervtötend. Da schwillt der Kamm und steigt der Blutdruck. Da reift der inbrünstige Wunsch, die schmatzenden und sich zeitgleich auch noch über mehrere Köpfe hinweg laut unterhaltenden Ignoranten, die sich keinen Deut für das Geschehen auf der Bühne interessieren, mögen an ihren Bissen ersticken. So ein Betragen ist ungehörig und respektlos – sowohl gegenüber den Künstlern, als auch gegenüber den anderen Besuchern. Und es ist ja auf den Tickets deutlich vermerkt, dass der Verzehr mitgebrachter Speisen und Getränke während der Vorstellungen nicht geduldet wird. Es wäre wünschenswert, wenn die Gastgeber bei aller ihr eigenen Toleranz und Großzügigkeit künftig in solchen Fällen etwas rigoroser durchgreifen. Ins Essener Colosseum, in die Hersfelder Stiftsruine oder den Kölner Musical-Dome kommt man ja mit einem Six-Pack Dosenbier unterm Arm, einem Kringel Fleischwurst oder einer bis zum Rand mit Fressalien voll gepackten Kühltasche in der Hand auch nicht hinein ….

Nach diesem Feuerwerk aus Rhythmus, Klang und Wohlgesang nimmt der Tecklenburger Freilichtspiel-Dampfer jetzt richtig Fahrt auf. Schon an diesem Wochenende, am 21. Juni, steht die mit Spannung erwartete Premiere von „Mozart!“ auf dem Spielplan. Neben Patrick Stanke, der die Titelrolle übernimmt, finden sich mit Ethan Freeman, Marc Clear, Adrian Becker und Karin Seyfried die Namen weiterer Stars aus der ersten Liga des Musical-Business auf der Besetzungsliste. Bis einschließlich 30. August sind insgesamt 24 Aufführungen dieser Produktion vorgesehen. Am 1.August startet dann mit „Footloose“ das zweite Saisonstück. Davon gibt es bis 31.08.08 16 Shows.

© Jürgen Heimann