Musical West Side Story
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Musical West Side Story in Bad Hersfeld

Wet Side Story in Bad Hersfeld Open Air im Regen

In Bad Hersfeld, wo sich bereits die Musicals Evita mit Helen Schneider und Jesus Christ Superstar (Yngve Gasoy-Romdal mit Anna Montanaro) weit über das Niveau der üblichen Stadttheateraufführungen erhoben, gab es schon sehr lange den Wunsch, Bernsteins Musical West Side Story aufzuführen. Intendantin Elke Hesse hat für die Bad Hersfelder Festspiele 2009 nun endlich 30 Vorstellungen des Musical-Klassikers West Side Story auf den Spielplan setzen können. Die Musical-Welthits wie »Somewhere«, »Maria«, »Tonight« und »America« sind offensichtlich beim Theaterpublikum so beliebt, dass alle Vorstellungen noch vor der Vorpremiere am 15. Juni 2009 restlos ausverkauft waren. Wenn ein Stück mit Vorschlusslorbeeren überhäuft wird, wollen Schauspieler und Verantwortliche natürlich die hohen Erwartungen nicht enttäuschen. Vielleicht war dies auch ein Grund, warum die Vorpremiere buchstäblich nicht ins Wasser viel, denn zum Vorstellungsbeginn um 21:00 Uhr regnete es wie aus Kübeln! Elke Hesse begrüßte das im Trockenen unter der großen Zeltkonstruktion sitzende Publikum und verkündete, dass die umgetaufte »Wet Side Story« in der amerikanischen Originalchoreografie stattfinden würde, wenngleich die Tänzer wegen der erhöhten Verletzungsgefahr dazu angehalten seien, sich etwas zurückzunehmen. Denn in der Open-Air Kulisse der altehrwürdigen Stiftsruine hört der Regenschutz genau hinter dem Orchestergraben auf.

Umsetzung des Musicals West Side Story in Bad Hersfeld

Auf dem breiten Mittelschiff der Bühne erhob sich eine geschwungene, zweiteilige Stahlkonstruktion als eisernes Klettergerüst, das zu einem Kreis arrangiert wie eine Gladiatorenarena wirkte. Diese frei bewegliche Konstruktion diente, neben einer ausfahrbaren Rampe, einem Bett, einem Gabelstapler, sowie zweier Kleiderpuppen und einem Spiegel als einzige Requisiten im spartanisch gehaltenen Bühnenbild von Heinz Hauser. Doch gerade diese Schlichtheit lässt den Darstellern genügend Raum, um sich zu entfalten und die Bühne als weiträumige Tanzfläche zu nutzen. Gleich zu Beginn bewies das Tanzensemble unter der Leitung von Melissa King, dass es alle Warnungen in den Wind schlug und den nassen und glatten Bühnenboden mit spritzenden Fontänen in die Choreografie einbaute. Weder bei den Straßenkämpfen der Jets und Sharks, dem berauschenden Tanzfest, bei dem sich Tony und Maria beim Cha-Cha zum ersten Mal begegnen, noch bei der Hymne der Puerto-Ricaner auf »America« oder dem Finale von »Tonight«, bei dem sich vier Gruppen zum großen Entscheidungskampf aufmachen , war etwas davon zu bemerken, dass sich auch nur ein Darsteller schonte. Und die prominent besetzen Hauptdarsteller sollten ihren Ensemblekollegen in nichts nachstehen.

Darsteller des Musicals West Side Story in Bad Hersfeld

Leah Delos Santos gab eine bezaubernde Maria, die viele Charakterzüge ihrer früheren Rollen vereinte: die Schönheit einer Miss Saigon (Stuttgart), ein felsenfester Glaube an das Gute einer Alrun aus Bonifatius (Fulda), die unerschütterliche Liebe einer Schönen zum Biest (Stuttgart, Berlin und Oberhausen) sowie die Tugendhaftigkeit einer Lady Marian aus Robin Hood (Berlin) mit dem sündhaften Verlangen einer Maria Magdalena aus Jesus Christ Superstar (Tecklenburg). Herrlich naiv neckte Maria ihre Freundinnen bei »I Feel Pretty« bevor sie jedem Zuschauer eine Gänsehaut über den Rücken jagte (die nichts mit den tiefen Nachttemperaturen zu tun hatte), als sie Freunde und Feinde mit einem Revolver bedrohte. Mit kraftvoller Stimme trotzte die zierliche Philippinin selbst im dünnen Nachtgewand jedem Wind und widrigem Wetter. Die wärmenden Arme kamen von Christian Alexander Müller als Tony. Der Chemnitzer Tenor, der schon mit elf Jahren in Mozarts »Zauberflöte« den Ersten Knaben sang, schrieb als jüngstes Phantom der Oper aller Zeiten im Colosseum-Theater in Essen Musicalgeschichte, als er sich vom Raoul Vicomte Chagny in nur einem Jahr verdient an die Erstbesetzung des Andrew Lloyd-Webber-»Phantoms« hinauf sang. Das Ex-»Phantom« erlebte seine neue Umgebung in Manhattan als Tony bereits in drei früheren Inszenierungen der West Side Story in Hagen, Kiel und Chemnitz. Doch von Rollenmüdigkeit gab es in Bad Hersfeld keine Spur. Müllers klassische Stimmfärbung harmonierte jede Minute mit der anspruchsvollen Bernstein-Partitur, die kraftvoll und temporeich aus dem Orchestergraben unter der Leitung von Christof Wohlleben erklang. Zudem agierten Müller und Santos auch schauspielerisch phantastisch miteinander und gaben weit mehr als nur das klassische »Romeo und Julia« Liebespaar. Die Niederländerin Maaike Schuurmans wurde im letzten Jahr für ihre Rolle als Prostituierte Lucy in Jekyll & Hyde mit dem Hersfeld-Preis ausgezeichnet. Nun kehrte der Publikumsliebling in der Rolle der feurigen Anita auf die Festspielbühne zurück und lieferte ein ähnlich furioses Spiel wie im Vorjahr ab. Mit »A Boy Like That« versuchte sie Maria eindringlich von ihrer Liebe zu Tony abzubringen, um dem Paar dann trotzdem helfen zu wollen, bevor sie von der ganzen Gang der Jets gedemütigt und vergewaltigt wird. Doch nicht nur schauspielerisch und gesanglich wusste Frau Schuurmans für sich einzunehmen, auch tänzerisch wirbelte sie beindruckend mit Partner Nivaldo Allves als Bernardo über die Bühne. Ebenfalls mit starken Einzelleistungen stellvertretend für das restliche Ensemble: Philippe Ducloux (Fame, Rocky Horror) als Bandenführer der Jets (Riff) und Marc Seitz (Saturday Night Fever, Miami Nights) als Adrenalin-Junkie Action.

Regie und Kostüme

Das sich alle Darsteller versiert durch die deutschen Dialoge mit den englischen Songtexten spielten, war auch das Verdienst von Regisseur Mathias Davids, der routiniert schon so manche Musical-Erstaufführung auf deutschsprachigem Boden umsetzte, darunter das Schalke-Musical Nullvier – Keiner kommt an Gott vorbei in Gelsenkirchen, Benny Anderssons und Björn Ulvaeus Chess in Essen, Frank Wildhorns Dracula, Martin L. auf den Domstufen in Erfurt und Hairspray in St. Gallen. Unter Davids Regie erblühte die Traumsequenz von »Somewhere« als Ballett zu neuem Glanz, bevor der Wunsch nach einer Welt, in der wir alle gleich sind, im explosiven Finale buchstäblich in Luft auflöst. Judith Peter vertiefte die Kluft zwischen den rivalisierenden Banden mit einer konsequent eingehaltenen Farbgebung ihrer Kostüme im Stil der 60er Jahre. Die Puerto-Ricaner kleideten sich in warme orange bis violette Töne (Anführer Bernardo mit seiner Anita im kräftigen Rot), während die Ur-Amerikaner, die eigentlich auch nur Einwanderer aus Polen sind, sich in allen Grünschattierungen wiederfanden (Anführer Riff in kaltem Blau). Bei der Traumsequenz hingegen trugen alle Menschen weiße Kleidung. Zum Finale, als Tony auf seine Maria wartete, tauschte er sein grünes Hemd gegen ein rosafarbenes… Auch wenn diese Farbsymbolik sicherlich kein neuer Einfall war, erwachte sie in Bad Hersfeld vor der kalten Stahlkulisse zu neuem Leben.

Mit dieser Inszenierung des Musicals West Side Story spielt Bad Hersfeld nach der finanziell etwas enttäuschenden Saison 2008 wieder ganz oben mit. Nach der Vorpremiere im Dauerregen, der wirklich erst nach zweieinhalb Stunden pünktlich beim Schlussapplaus aufhörte, konnten alle Darsteller den folgenden 29 Vorstellungen mit Gelassenheit entgegensehen, denn unter widrigeren Bedingungen kann man nicht spielen. Das Publikum dankte den bis auf die Haut durchnässten, tapferen Schauspielern mit minutenlangen stehenden Ovationen. Hoffen wir, dass sich niemand erkältet hat und wünschen wir für die restliche Open-Air Saison möglichst laue und trockene Sommerabende für das tragische Ende der Romanze von Maria und Tony!

© Text & Fotos Schlussapplaus (8) by Stephan Drewianka, Musical-World.de; Fotos Bühne(6): blitzlicht fotostudio; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Zeitschrift BLICKPUNKT MUSICAL, Ausgabe 03/09 Juli-August 2009

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