Musical Spamalot
Musical Spamalot
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Theater

Premiere von Monty Python´s Spamalot am Schauspielhaus Bochum

Gestrickte Kettenhemden für Camelot bei Spamalot

Tief im Westen liegt seit 27 Jahren die deutsche Musicalmetropole Bochum, wo der „Starlight Express“ seine Runden dreht. Doch seit dem 11. September 2015 macht ausgerechnet das Schauspielhaus Bochum, ansonsten Spielstätte freizügiger Dramen des gesprochenen Wortes, dem Rollschuh-Dauerbrenner im Pott Konkurrenz. Musical am Schauspielhaus, geht das überhaupt? 2014 stand bereits das Musical „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ auf dem Spielplan. Und nun wendet Bochum sich auch noch dem sehr speziellen Humor der britischen Kult-Gruppe Monthy Python zu. Eric Idle und John Du Prez schrieben um die Filmvorlage „Die Ritter der Kokosnuss“ 2004 eine Show, die immerhin für 14 Tony Awards nominiert wurde und den begehrten Musicalpreis in den Kategorien bestes Musical, beste Hauptdarstellerin (Sara Ramirez) und beste Regie (Mike Nichols) abräumte. Der Name des Musicals „Spamalot“ stammt übrigens von einem TV-Sketch von 1970 aus „Monty Python´s Flying Circus“, in dem ein Ehepaar in einem Wikinger-Imbiss von der Kellnerin die Speisekarte vorgelesen bekommt, auf der jedes Gericht mit Spam (kurz für „Spiced Ham“) serviert wird, worauf die Gäste ein Loblied auf Spam anstimmen (das Wort wird 132 Mal im Sketch genannt und führte schließlich zur umgangssprachlichen Bezeichnung für Massen-Werbemails).

Schräger Humor bei der Jagd nach dem heiligen Gral

Und diesen schrägen Humor um König Arthus Jagd nach dem heiligen Gral adaptierte Regisseur Christian Brey nun mit einer gehörigen Prise Lokalkolorit für das Schauspielhaus Bochum. Der ausgefeilten Dramaturgie von Annelie Mattheis ist es zu verdanken, dass selbst die belanglosesten Dialoge um die Beschaffung eines Gebüsches für den Ritterfürst vom NI mit dem optimalen Timing und entsprechender Mimik und Gestik bei den Darstellern für zündende Lachsalven im Publikum sorgen. Selbst bei Zuschauern, die sich wenig mit dem britischen Humor vom „Leben des Brian“ anfreunden können, bleibt kein Auge trocken. Komödiantische Highlights werden zelebriert, wenn Komiker Harald Schmidt als Stimme Gottes in den Monthy Python typischen zweidimensional gemalten Kulissen von Anette Hachmann der illustren Ritterrunde um König Arthus den Auftrag der Gralssuche erteilt und Herbert Grönemeyer und Helene Fischer musikalisch zitiert werden. Der Zuschauer geht mit, wenn der Bochumer Broadway mit den Stücken aus der Feder von Andrew Lloyd Webber aus urheberrechtlichen Gründen ohne Musik und nur pantomimisch vom „Phantom der Oper“, „Cats“ und dem „Starlight Express“ über „Hair“ bis „Mamma Mia“ (ja, Herr Webber hat wohl tatsächlich alle Musicals komponiert) parodiert und vom Publikum(!) die Erkennungssongs eingesungen werden. So macht Live-Entertainment Spaß und unterhält prächtig, obwohl die Bühnenhandlung irgendwo zwischen banal und grotesk am „Sinn des Lebens“ vorbeiläuft. Und wenn das Treiben auf der Bühne mit volkstanzenden Finnen, mörderischen Killer-Kaninchen, mit Kühen werfenden Franzosen, dilettantisch fliegenden Magiern, steppenden Cocktailfrüchtchen, arm- und beinlos kämpfenden Rittern und cheerleadernden Wassernixen zu bunt wird, hilft immer noch das weltberühmte Monty Python-Motto „And now for something completely different“.

Darsteller und Ensemble des Musicals Spamalot in Bochum

Ein großes Lob gilt dem gesamten Bochumer Ensemble, die die Gral-, pardon, Gradwanderung von belanglos, peinlichen Bagatellspäßchen hin zu grandios überzeichnetem, britischen Humor in jeder Sekunde schaffen und ihn bei der Übertragung zur Deutschen Komik nicht zerstören (Deutsche Übersetzung: Daniel Große Boymann). Anführer der Ritter-Mannschaft als alternder König Arthus ist der seit 2010 am Schauspielhaus spielende Matthias Redlhammer, der zwar kein begnadeter Sänger ist aber dieses geringfügige Manko mit seiner staubtrockenen Komik glänzend überspielt. Gar nicht im Schatten seines Herrn klappert Ronny Miersch als Diener Patsy immer fröhlich mit seinen Kokosnusshälften, die als Ersatz für fehlende Streitrosse herhalten müssen. Jan Krauter überzeugt als Frauenschwarm Sir Lancelot und gibt gleichzeitig den nervenden, riesengroßen Ritterfürsten vom NI und den vertrottelten Zauberer Tim. Dennis Herrmann teilt sich die Rollen als Dennis (war für ihn bei gleichem Vornamen nicht schwer zu lernen), blondlockiger Galahad, streitlustiger schwarzer Ritter und strenger Vater von Prinz Herbert. Besagter Prinz Herbert wird mit hohem Falsett beindruckend von Daniel Stock gespielt, der weiterhin als Historiker, fahrender Sänger und als sympathischer Noch-Nicht-Toter Fred die dankbarsten Männergesangsrollen des Stückes trägt. Ein begnadeter Komiker ist Michael Kamp als überängstlicher, aber gnadenloser Hühnerschlächter Sir Robin und gütiger Bruder Maynard. Nils Kreutinger rundet mit Sir Bedevere die Tafelrunde ab, ist aber auch gleichzeitig Bürgermeister, Concorde und Dennis Galahads schrille Mutter. Und wo ist bei dieser geballten Ladung männlichen Testosterons nun die warme, weibliche Seite abgeblieben? Mal abgesehen von der Romanze zwischen Prinz Herbert und einem Ritter der Tafelrunde, der an dieser Stelle nicht namentlich Erwähnung finden möchte, gibt es da noch die Schöne aus dem Schilf, die stimmstark von Kira Primke („49,5 Shades – die Parodie“, „Anything Goes“, „My Fair Lady“) verkörpert wird und eben auch das Lied, das jeder liebt, intonieren darf, auch wenn Sie sich zwischendurch völlig zurecht fragt „Warum hab‘ ich so wenig Text?“. Und natürlich erreicht die Frauenquote im tanzstarken Ensemble immerhin satte 50%, so dass „Mann“ sich an flott choreografierten Nixen, mit Fischen werfenden Finnen oder Glücksfeen im Casino erfreuen darf.

Unter dem musikalischen Leiter Tobias Cosler entfalten die acht Musiker im Orchestergraben, die manchmal auch in die Handlung eingreifen müssen, einen passenden Klangteppich, der das Schauspielhaus Bochum zu einem echten Musical-Theater erhebt, das sich vor anderen Häusern wirklich nicht verstecken braucht, zumal bei den Großproduktionen der Stage Entertainment heute auch nicht wesentlich mehr Musiker mitwirken. 

Eine Besonderheit für Bochum muss hier auch lobende Erwähnung finden: 49 Strickerinnen und ein Stricker strickten ehrenamtlich die wärmenden Kettenhemden der Ritter, die garantiert nicht rasseln oder rosten! Und so präsentiert sich im Schauspielhaus Bochum eine rundum gelungene Musical-Produktion, die auch mit etwas geringeren finanziellen Mitteln als die ehemalige Großinszenierung in Köln mit schauspielerischen Glanzleistungen und einem guten Schuss typischen Ruhrgebietsflairs auftrumpft und bestens über 2,5 Stunden unterhält. Welcher Zuschauer geht da nicht summend mit dem Ohrwurm der Show „Always Look On the Bright Side of Life“ glücklich und zufrieden nach Hause?

© Text: Stephan Drewianka, dieser Bericht erscheint auch in der Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 79 (06/15), Dezember 2015 - Januar 2016, Bühnenfotos: Diana Küster

Alles zum Musical Spamalot bei Sound Of Music.

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