Musical Silk Stockings - Seidenstrümpfe
Musical Silk Stockings - Seidenstrümpfe
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Theater




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Technische Daten:

Original Besetzung Musical Silk Stockings: Anke Sieloff, Gaines Hall, Leah Gordon, Daniel Drewes, Eric Minsk, Joachim G. Maaß, Urs Affolter; Musiktheater im Revier, MIR, Gelsenkirchen; Musical von Cole Porter
Inszenierung: Stefan Huber
Aufführungsdauer: 160 min.
Premiere: 29.09.2006
Letzte Vorstellung: 31.12.2006

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Cole Porter Musical Silk Stockings in Gelsenkirchen

Entstehung des Musicals Silk Stockings / Seidenstrümpfe

Mal Hand auf´s Herz: Angenommen, Herr Jauch stellt Ihnen die Millionenfrage »Wer verkörperte 1955 in der Premieren-Inszenierung am Broadway die Hauptrolle der Ninotchka in Cole Porters Musical Silk Stockings?« und Sie hätten die Wahl zwischen Greta Garbo, Hildegard Knef, Katharine Hepburn oder Maria Schell, wüssten Sie die richtige Antwort? Im Grunde genommen ist keine der Möglichkeiten wirklich korrekt, denn zwar gab am 24.02.55 tatsächlich die Knef ihr gefeiertes Broadway-Debüt im New Yorker Imperial Theatre, doch spielte sie die insgesamt 478 Vorstellungen unter dem Namen Hildegarde Neff, da die Amerikaner angeblich ihren deutschen Namen nicht aussprechen konnten. Das 25. und gleichzeitig letzte Musical von Cole Porter basiert auf dem Ernst Lubitsch Film Ninotchka von 1939 mit Greta Garbo in der Titelrolle. Die Thematik des russischen Mädchens, das auf die amerikanische Lebensweise trifft, faszinierte die Filmindustrie, so dass weitere Verfilmungen mit Katharine Hepburn (Der eiserne Unterrock, 1956) und ein TV-Film mit Maria Schell (1960) folgten. Nach dem Erfolg am Broadway wurde 1957 auch das Musical von MGM mit Cyd Charisse und Fred Astaire erfolgreich auf die Kinoleinwand gebracht.

Handlung des Musicals Silk Stockings / Seidenstrümpfe

Am 29. September 2006 öffnete sich im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen in der Inszenierung von Stefan Huber der Premierenvorhang für das in Deutschland selten gespielte Musical Silk Stockings / Seidenstrümpfe: Der sowjetische Komponist Boroff (Daniel Drewes) stellt in Paris sein Werk »Ode an einen Traktor« vor und bleibt länger im Ausland, als es der russische Kulturkommissar erlaubt hatte. Auch die drei Funktionäre Bibinski (Urs Affolter), Ivanov (Joachim G. Maaß) und Brankov (Eric Minsk), die den abtrünnigen Künstler zurück in die Heimat bringen sollten, sind nicht erfolgreich, da der amerikanische Agent Steve Canfield (Gaines Hall) große Pläne mit Boroff hat. Die staatstreue Genossin Nina Yaschenko (Anke Sieloff), die auf den Namen Ninotchka hört, soll endlich Licht in die Sache und die vier verschollenen Schafe zurück nach Moskau bringen. Im Nobelhotel in Paris erkennt sie, dass die drei Funktionäre der kapitalistischen Lebensweise durchaus nicht mehr abgeneigt gegenüberstehen und der Komponist sein Werk der exzentrischen Hollywood Diva Janice Dayton (Leah Gordon) für ihren neuen Film zur Verfügung stellen möchte. Eingefädelt hat dies alles Canfield, der nun auch die spröde Russin, die ihre Eindrücke von Paris auf ihren kollektivistischen Nutzen überprüfen will, vom Zauber der Weltstadt überzeugen möchte. Zunächst analysiert Ninotchka jedes Gefühl wissenschaftlich auf chemische Reize, doch unterliegt sie schließlich nach einer Flasche Champagner dem Werben des attraktiven Amerikaners. Am Filmset kommt es jedoch zum Eklat als die Russen erkennen, dass das angebliche Epos von Tolstois Krieg und Frieden zu einer erotischen Selbstinszenierung von Janice Dayton als Napoleons Josephine umgeschrieben wurde und vom künstlerischen Werk Boroffs nur noch ein kommerzieller Jazz-Abklatsch übrig geblieben ist. Zurück in Moskau trauern Ninotchka mit ihren neu gewonnenen Freunden in der engen Wohnung dem westlichen Lebensstil nach und selbst Boroff komponiert mit seinem »Red Blues« eine ganz neue Art Musik und träumt von Janice Dayton. Ninotchka erhält zensierte Briefe von Canfield, die aber komplett unleserlich gemacht wurden. Wochen später bekommt sie vom Kulturkommissar den Auftrag, die drei Funktionäre erneut aus Paris loszueisen. Doch die Drei haben bereits ein russisches Restaurant eröffnet und wollen für immer in Paris bleiben. Sie überreden Ninotchka, an der Premierenfeier von Janices Film teilzunehmen. Dort erfährt sie, dass Canfield kurz davor steht, zu heiraten. Doch wer soll die Braut sein?

Überzeugende musikalische Umsetzung durch Kai Tietje

Gleich mit den ersten Klängen der Ouvertüre beweist der musikalische Leiter Kai Tietje, dass er seine Neue Philharmonie äußerst schwungvoll durch den Abend zu führen weiß. Der Gershwin / Porter-Spezialist ist nach dem poppigen Ausflug beim Musical Fame im letzten Jahr hier wieder voll in seinem Element und verschafft der jazzigen Musik Porters frischen Wind. »Paris Loves Lovers«, »Stereophonic Sound«, »Satin And Silk«, »Without Love«, der Titelsong »Silk Stockings« und »The Red Blues« überzeugen durch eine pfiffige Orchestrierung, die einfach in die Beine gehen muss. Die Songs der Bühnenversion wurden um die Lieder aus dem Film (z.B. »The Ritz Roll And Rock«) erweitert und durch einige Titel, die eigentlich gar nicht in das Musical gehören, ergänzt – z.B. »Let's Do It (Let's Fall In Love)«, das eigentlich aus der Show Paris stammt und durch die Interpretation von Alanis Morissette im Film De Lovely zu aktuellem Ruhm kam, sowie einer russischen Version von Ganz Paris träumt von der Liebe (I Love Paris) aus dem Porter-Musical Can Can, dem Titel, der den Weltruhm von Caterina Valente begründete.

Darsteller des Musicals Silk Stockings im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Gesungen wird von den Darstellern in einem Mix aus Deutsch, Englisch und Russisch. Doch was unter anderen Umständen störend sein kann, ist in dieser Inszenierung ein durchdachtes Stilmittel, da die Russen und Franzosen bis auf die erwähnte Ausnahme in deutscher Sprache, die Amerikaner konsequent auf Englisch singen. Zudem fallen hier die leichten Akzente von Publikumsliebling Gaines Hall und der The Life-Entdeckung Leah Gordon gar nicht ins Gewicht, sondern mussten von den Darstellern sogar noch auf die Spitze getrieben werden. Ähnlich gelungen auch der russisch-spröde Stil von Mezzo-Sopranistin Anke Sieloff, die in der Rolle der Ninotchka endgültig bewiesen hat, dass in ihr ein Musical-Talent der Extraklasse steckt. Längst hat sie ihre ersten Tanzschritte aus Crazy For You-Zeiten perfektioniert und hält mit Stepp-Talent Gaines Hall problemlos die stimmungsvolle Choreographie von Markus Buehlmann auf hohem Niveau – bei Insidern ist das Traumpaar die Gelsenkirchener Antwort auf Fred Astaire und Ginger Rodgers.

Doch nicht nur gesanglich können alle Darsteller durch die Bank überzeugen, sondern auch schauspielerisch kommt im MIR Freude beim Publikum auf. So darf man sich über den aalglatten Charmeur Gaines Hall freuen, der der mausgrauen Anke Sieloff mit schwarzen Seidenstümpfen ihr erotisches Potential entlockt. Leah Gordon mimt perfekt die naive Badenixe als Parodie auf Esther Williams, die sich als Running-Gag ständig das Wasser aus den Ohren klopft und ihrem schusseligen Komponisten Daniel Drewes mit einer Dessous-Modenschau den Kopf verdreht. Die Pariser Modeschauen in pastellfarbenen Regenbogentönen sind in den aufwendigen Kostümen von Susanne Hubrich ein weiteres Highlight der Inszenierung, die im strengen Gegensatz zu den puritanischen, grauen Uniformen der Russen stehen, bis sich Ninotchka wie das hässliche Entlein in einem beeindruckenden Abendkleid in den längst fälligen schönen Schwan verwandelt.

Den passenden Rahmen für all diese optischen und akustischen Leckereien bietet die Bühne von Harald Thor, die mit dem Marmor-Foyer des Pariser Hotels unglaublich wandlungsfähig in Luxussuiten mit Ausblick auf den Eifelturm, ärmliche russische Wohnviertel, in denen es schneit, barocke Filmkulissen, dämmrige Jazz-Schuppen und leninistische Ballettsäle verzaubert werden kann.

Fazit: Einem neuen Musical-Hit im Ruhrpott steht mit der entstaubten Musical-Komödie Silk Stockings nichts entgegen.Das Premierenpublikum feierte nach drei Stunden bester und leichter Musicalunterhaltung verdient das Gelsenkirchener Ensemble. 

© by Stephan Drewianka; Fotos: Stephan Drewianka(7), Foto Majer-Finkes; Dieser Bericht ist ebenfalls in der Zeitschrift BLICKPUNKT MUSICAL, Ausgabe 06/06, November-Dezember 2006 erschienen

Alles zum Musical Silk Stockings bei Sound Of Music!