Musical Der Schuh des Manitu
Musical Der Schuh des Manitu
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Open-Air Premiere des Musicals Der Schuh des Manitu auf der Freilichtbühne Tecklenburg

Alexander Klaws ist Uschis Jodel-Star in Tecklenburg

Tecklenburg setzt erneut auf die im letzten Jahr erfolgreiche Musical-Kombination aus Komödie und Drama. Während 2012 die Open-Air-Spielzeit mit dem Drama-Musical Marie Antoinette eingeläutet wurde, die später durch den 60er Jahre Klamauk Hairspray ergänzt wurde, startete das Freilichtmusiktheater am 22 Juni 2013 mit Michael Bully Herbigs Western-Parodie und Musical-Komödie Der Schuh des Manitu in 21 Vorstellungen, die sich ab 26. Juli 2013 mit dem intriganten Schicksal um Edmond Dantès mit 18 Vorstellungen von Frank Wildhorns Der Graf von Monte Christo abwechseln. Nach dem erfolgreichen Filmhit von 2001 mit rund 12 Millionen Kinobesuchern feierte das Musical Der Schuh des Manitu am 7. Dezember 2008 im Theater des Westens seine Premiere und lief dort bis zum 31. Mai 2010. Erst jetzt graben die Münsterländer den Klappstuhl der Schoschonen wieder aus und erzählen erneut die musikalische Schatzsuche der Blutsbrüder Ranger und Abahachi aus der Sicht des jungen Cowboys Karl-Heinz Mayer, dem Abahachi vertrauensvoll zuflüstert, für seinen Künstlernamen als Autor doch das „Heinz“ und die Eier wegzulassen.

Modernisierte Gags frei nach Bully Herbig

Nach 3 jähriger Bühnenabstinenz in der ersten Stage Entertainment Lizenz-Produktion des Musicals Der Schuh des Manitu erlaubte sich Regisseur Ulrich Wiggers einige inhaltliche Modernisierungen und Änderungen am Uraufführungskonzept von Andreas Gergen, die nicht zuletzt auch der besonderen Spielstätte geschuldet wurden. So tanzt in der Choreografie von Kati Heidebrecht ein aus den ewigen Jagdgründen auferstandener Indianer-Elvis „Grauer Star“ im Gangan Style oder hält ein holländischer Verkehrspolizist auf dem Fahrrad samt Wohnwagenanhänger und Käsehäppchen Ranger wegen Trunkenheit im Sattel an und fordert ein Blasrohr-Zielblasen zur Promillekontrolle. Sehr sportlich geht es für einige Darsteller rund um die gesamte Zuschauerarena der Freilichtbühne, entweder auf den Spielpferden oder in einer Lore. Neu ist ebenfalls, dass im wilden Westen Hochdeutsch ohne bayerischen Akzent gesprochen wird, wenn man mal wohlwollend von den Wortverdrehungen griechischer Einwanderer absieht.

Alexander Klaws, Werner Bauer und Femke Soetenga Gaststars im Musical Schuh des Manitu

Für das Musical Der Schuh des Manitu haben sich wieder hochrangige Gäste aus dem Musical-Fach in der Schlossruine in Tecklenburg eingefunden. Als Zugpferd der Produktion steht Alexander Klaws als Ranger im Fokus vieler angereister Fans. Wen interessiert heute noch, dass Herr Klaws 2003 die erste Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ gewonnen hat? Seit er mit dem Titelsong ‚All I Ever Want‘ aus Die 3 Musketiere mit Sabrina Weckerlin Musicalluft geschnuppert und die Joop van den Ende Academy in Hamburg absolviert hatte, spielte er sich schnell mit seinen Rollen als Alfred in Tanz der Vampire und als Tarzan in die Herzen der weiblichen Musicalfans. Klaws tauscht Knoblauch und Liane gegen Revolver und Steckenpferd und macht im Wildleder-Fransen-Look als Ranger nicht nur äußerlich eine gute Figur, auch wenn Abahachi ihn etwas respektlos „Du Tarzan für Arme“ nennt. Harmoniert er in Duetten wie ‚Ein gemeinsames Ziel‘ und ‚Wieder mal am Marterpfahl‘ noch perfekt, sind seine pointierten Dialoge mit seinem Blutsbruder schön bissig und sarkastisch. Außerdem schlummert im Schlager-Superstar Klaws ein bisher ungeahntes Talent, das die Saloon-Bardame Uschi entdeckt, deren Motto ‚Ich brauch nen Mann, der Jodeln kann“ Rangers Goldkehle ganz neue Töne entlockt: Jodel-Diplom mit Auszeichnung bestanden!
In der Rolle von Blutsbruder Abahachi, der stilgerecht zur Schwurerneuerung Rangers aufgeschlitzten Daumen mit seinem Nasenbluten kombiniert, erlebt Tecklenburg mit Werner Bauer, der diese Rolle bereits in Berlin verkörperte, einen Komiker par excellence. Bei ihm sitzt jeder der unzähligen Gags, die er mit einer fantastischen Körpersprache unterstützt. Und das er das Singen und Tanzen insbesondere in witzigen Rollen perfekt beherrscht, stellte er schon als Prof. Abronsius in Tanz der Vampire, als Lefou in Die Schöne und das Biest oder als Harry in Harry und Sally unter Beweis.
Werner Bauer wie aus dem Gesicht geschnitten, wenn man mal von einigen Mutationen im Genpool der Familie der Apachen absieht, ist André Haedicke (Bonifatius, Die Päpstin, Lauras Stern) als untersetzter Zwillingsbruder Winnetouch. Der quirlige, liebenswerte und ach so schwule Winnetouch steht schauspielerisch leider etwas im Schatten des großen Bruders Bauer: Haedicke könnte noch etwas mehr aus dem dankbaren Charakter rausholen, hier ist in den nächsten Vorstellungen noch Entwicklungspotenzial vorhanden. Trotzdem gelingt es ihm mit Gurkenmaske, Charme  und Schaumbad aus dem skrupellosen Gangster Hombre einen handzahmen Lebensabschnittspartner zu zaubern.

Darsteller auch in kleineren Rollen perfekt besetzt

Julian Looman, der nach seiner Ausbildung am Konservatorium Wien The Full Monty in Amstetten und München, Into The Woods in Kassel und die Hauptrolle im „Soldaat van Oranje“ in den Niederlanden spielte, verkörpert den wandelbaren Gangster, der zuvor der menschliche Aschenbecher von Bandenchef Santa Maria war.
Reinhard Brussmann (Les Miserables, Jekyll & Hyde, Kein Pardon) überzeugt als ‚Superperforator‘ Santa Maria sowohl als gnadenloser Räuber auf der Suche nach Abahachis vierteiliger Schatzkarte, als auch mit väterlich aufwallenden Gefühlsregungen gegenüber seiner Gangsterbande, wenn er mit Schürze und Kochlöffel bewaffnet eine Runde Muffins backt oder Joe mit einem Eis früher ins Bett schickt.
Thomas Hohler (Elisabeth, 3 Musketiere, Kein Pardon) ist mit seiner Kraushaarperücke, den wilden Wortverdrehungen seines griechischen Dialektes und der ungemein anstrengenden Sirtaki-Choreografie bei „Ich trinke Ouzo“ als Publikumsliebling Dimitri kaum wiederzuerkennen.
Eric Minsk (Dracula, Grease) hängte seine Steward-Uniform bei Ich war noch niemals in New York in Oberhausen an den Nagel, um mit seiner energiegeladenen Einzigartigkeit wie schon in der Originalproduktion in Berlin die Rolle des Indianerhäuptlings Listiger Lurch zu übernehmen. Sebastian Brandmeier als sein Sohn Falscher Hase tritt schon kurz nach Beginn des Stückes in die ewigen Jagdgründe ein, hat nach Protest aber noch den Sterbenssong ‚Grmpfzl‘, den der Schoschone mit der Irokesenfrisur genüsslich ausreizt.
In dieser dominanten Männerriege trumpft eine Frau aber gehörig auf: Die Niederländerin Femke Soutenga (Chess, 3 Musketiere, Rebecca) beweist als rassige Saloon-Schönheit Uschi mit ihrer gefühlvoll dargebrachten Liebesballade ‚Ich kann nicht mit Dir gehen‘, dass die Musik von Martin Lingau und die Texte von Heiko Wohlgemut neben den lustig-leichten Gute-Laune-Songs zumindest in einem Lied auch Tiefgang aufweisen können.

Tecklenburgs Musical-Trümpfe: Großes Orchester und riesiges Ensemble

Wo Großproduktionen an Orchester und Darstellern sparen, kann die Tecklenburger Freilichtbühne durch ihre Vereinsstruktur und ihrem gewaltigen Fundus an Chor und Statisterie seit jeher klotzen. Unter der musikalischen Leitung von Klaus Hillebrecht erklingt ein satter Orchestersound, der die durchweg positive Stimmung nicht nur bei den aus dem Film bekannten Songs ‚Superperforator‘ und ‚Lebkuchenherz‘, der in Tecklenburg als Zugabe gespielt wird, auf das Publikum überträgt und immer wieder zum Mitklatschen animiert. Das gewaltige Ensemble des Musicals Der Schuh des Manitu füllt mühelos die gesamte Freilichtbühne, so dass der Zuschauer auch in der vermeintlichen Rahmenhandlung bei der Statisterie immer wieder kleine Episoden zum Schmunzeln entdecken kann.
Auch wenn das Bühnenbild von Susanna Buller zweckgebunden wie immer „nur“ aus der in zwei Etagen bespielbaren Hauptbühne, die mal Wüste, Saloon oder Goldgräberbergwerk ist, sowie der kleinen drehbaren Seitenbühne, die die Puder Rosa Ranch beherbergt, besteht, entstehen mit diversen mobilen Requisiten von Wigwams über Brunnen, Fässern, etc. immer wieder neue Szenenbilder, die den Zuschauer ein aufwändigeres Szenario nicht vermissen lassen. Marterpfahl und die pfiffigen Steckenpferde, die Cowboys und Indianer reiten, wirken hingegen originalgetreu wie aus dem Theater des Westens. Die Kostüme von Karin Alberti orientieren sich ebenfalls nah an den ursprünglichen Western-Outfits, die stilgerecht gebrochen werden durch südamerikanisches Karnevalsflair beim Song ‚Das Leben ist schön‘, Dimitris griechischem Tavernen-Kolorits und selbstverständlich dem zartrosa Rüschenreiz der Beauty-Farm von Winnetouch.

Der Schuh des Manitu: Spritzige Musical-Komödie als gute Familienunterhaltung

Das Musical Der Schuh des Manitu ist Unterhaltung pur. Ernstere Zeitgenossen, die mit Bullys unverwechselbarem Humor wenig anfangen können und im Theater einen anspruchsvollen Kulturabend suchen, sind in diesem Musical fehl am Platze und finden ab 26. Juli 2013 beim Musical Der Graf von Monte Christo an gleicher Stelle eine adäquate Unterhaltung. Menschen, die gerne lachen, sollten sich auf den Weg nach Tecklenburg machen, wo die Schoschonen schöner wohnen und ihr Reservat noch bis zum 25. August 2013 erfolgreich verteidigen werden.   

© Text & Fotos: Stephan Drewianka, Musical-World.de; dieser Bericht erscheint ebenfalls in der Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 65, (4-13, August-Oktober 2013)



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