Saturday Night Fever
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Saturday Night Fever Open Air in Tecklenburg

Let´s Dance-Fieber mit Alexander Klaws

Es ist 39 Jahre her, dass John Travolta zu der unsterblichen Musik der Bee Gees seine Hüften im Film „Saturday Night Fever“ geschwungen hat und auch das gleichnamige Musical von 1998 ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Niemand trägt mehr Schlaghosen und sieht den Sinn des Lebens darin, an den Wochenenden in der Disco an Tanzwettbewerben teilzunehmen, um der coolste Typ der Welt zu sein. Tanzveranstaltungen finden heutzutage im TV statt und dort standen Alexander Klaws mit Partnerin Isabel Edvardsson in der Saison 2014 auf dem Finalisten-Siegertreppchen ganz oben. Vielleicht war schon allein deshalb Alexander Klaws für Regisseur Ulrich Wiggers die erste Wahl als Tony Manero für seine Neuinszenierung von „Saturday Night Fever“, die neben „Artus Excalibur“ vom 22. Juli bis 10. September 2016 in Tecklenburg auf dem Spielplan stand.
Anders als die mittelalterliche Sage vom Schwert im Stein, die perfekt in die Burg-Kulisse der Freilichtspiele passte, mag man sich eine Disco nur schwer auf der Open-Air Bühne vorstellen. Doch das Bühnenbild von Susanna Buller kommt mit Graffiti-geschmückten Garagenwänden im New Yorker „Big Apple“ daher, die sich frontal zu einem Tanzstudio mit Spiegelwänden öffnen lassen, das mit Neonröhren erleuchtet schnell zum Dancefloor einer Disco wird. Dazu gibt es auf der Seitenbühne Tony Maneros Elternhaus, das als typische Arbeiterwohnung im „Gelsenkirchener Barock“ eingerichtet ist. Gegenüber steht unterhalb der angedeuteten Brooklyn Bridge Foscos Farbengeschäft, in dem Tony seine Brötchen oder vielmehr seine Outfits für die Wochenenden verdient.
Schon bei der Ouvertüre unter der musikalischen Leitung von Klaus Hillebrecht wird klar, dass Ulrich Wiggers hier keinen angestaubten Musical-Klassiker präsentiert, sondern die Musik der Bee Gees und die Handlung mit ins Jahr 2016 genommen hat. Alle im englischen Original präsentierten Songs von „Stayin‘ Alive“ über „Disco Inferno“, „More Than A Woman“, „Jive Talkin‘“ bis „Night Fever“ klingen in den neuen Arrangements erfreulich poppig modern (neue Bühnenversion von Ryan McBryde). Zu den zeitgemäßen Kostümen von Karin Alberti, die zum finalen Tanzwettbewerb mit dem Motto „70er Jahre“ dann eben wieder richtig Retro sein dürfen, kommt in den Dialogen die moderne Mundart in der deutschen Übersetzung von Anja Hauptmann recht rüde daher, wie man es heute unter Testosteron-gesteuerten halbstarken Teenagern auf der Suche nach dem Wochenendweibchen für den One-Night-Quickie in der Bronx hört. Und die brandaktuellen Themen der Jugendlichen haben sich in den letzten vier Jahrzehnten nicht wesentlich geändert: ungewollte Schwangerschaft, Rassismus, Perspektivlosigkeit, Generationenkonflikt, Selbstfindung, Arbeitslosigkeit. All das verpackt „Saturday Night Fever“ in eine leicht konsumierbare Geschichte von Tony Manero, der sich in eine gesellschaftlich vermeintlich höhergestellte Tanzpartnerin verliebt, um mit ihr gemeinsam Samstagnacht ein Tanzturnier zu gewinnen.
Neben Alexander Klaws als Tony macht Nadja Scheiwiller als Stephanie Mangano eine gute Figur, hatte sie vorher bereits im Musical „Flashdance“ tänzerisch überzeugen können. Dass bei den beiden Hauptdarstellern die Chemie stimmt, liegt sicherlich auch daran, dass das Cover der Jane ihren Tarzan schon zur Spielzeit des Disney-Musicals in Hamburg auch privat gefunden hatte. Während tänzerisch, darstellerisch und auch gesanglich hier alles stimmt, wirken beide als pubertierende Teenager für ihre Rollen in „Saturday Night Fever“ doch zu reif, was gar nicht am optischen Äußeren von rund 10 Jahren zu viel Lebenserfahrung liegt, sondern vielmehr in der Tatsache begründet ist, dass man Alexander Klaws schon in so vielen „erwachsenen“ Musical-Rollen erleben durfte, dass der naive Tony mit seiner Schulhofsprache irgendwie nicht ganz passen will. Trotzdem ist die gesamte Show auf Alexander Klaws ausgerichtet. Die ausverkauften Vorstellungen und die begeisterten Seufzer des weiblichen Publikums, wenn Herr Klaws das Jeansoutfit auf offener Bühne gegen seinen Tanzanzug tauscht und dabei keck in Unterhose vor dem Spiegel posiert, sprechen hier Bände. Auch die Tatsache, dass die Vorstellung am 07.08. nach dem ersten Akt abgebrochen wurde, weil Alexander Klaws nach einer Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden musste und es keine Zweitbesetzung für seine Rolle gab, zeigen, wie sehr diese Show auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten ist.
Dabei müssen sich die anderen Darsteller keineswegs hinter dem „Let´s Dance“-Star verstecken. Allen voran ist Thomas Hohler als Bobby C der heimliche Star des Abends. Seine verzweifelten Versuche, Aufmerksamkeit in seiner Gang zu finden, die ihm bei der Lösung des Problems mit seiner schwangeren Freundin helfen sollen, sind wirklich bedauernswert. Mit dem Song „Tragedy“ setzt er auch in moderner Neufassung ein gesangliches Highlight. Als sich Bobby C mit der Anklage, dass ihn seine Freunde nicht beachten vom Dach eines Hauses (und nicht wie üblich von der Autobahnbrücke) stürzt, verpufft dieser dramatische Moment leider in der Folgeszene, in der Tony zwar gegen den Menschenstrom in der U-Bahn schwimmt, sich aber dann mit Stefanie Mangano nett über ihre gemeinsame Zukunft unterhält, was dann auch das Happy-Ende der Show bedeutet. Hier hätte man sich deutliche Worte über den Verlust des besten Freundes und ein Schuldeingeständnis gewünscht. Zumal sich Tony nach dem gewonnenen Tanzwettbewerb extrem darüber aufregen kann, dass die Jury das in seinen Augen viel besser tanzende Latino-Pärchen wegen ihrer Herkunft nur auf den zweiten Platz gesetzt hatte. Von der fast übertriebenen Wut Tonys, der daraufhin Preisgeld und Pokal den Zweitplatzierten überlasst, hätte man sich auch etwas für die Trauer nach Bobbys Selbstmord gewünscht.
Trotz dieser Schwäche in der Inszenierung, funktioniert die Darstellung rebellierender Jugendlicher gegen ihre Eltern wieder hervorragend. Dies ist dem schauspielerischen Talent von Gernot Schmidt als arbeits- und perspektivloser Vater Frank Senior und Anne Welte als vermittelnde Mutter Flo zu verdanken, die aber wiederum gar nicht verstehen will, warum ihr ältester Sohn Frank Junior, gespielt von Mathias Meffert, sein Priesteramt an den Nagel hängen will und so anstelle von Tony zum neuen „schwarzen Schaf“ der Familie Manero wird. Auch Thomas Schirano als Farbenhändler Fosco versucht erfolglos, Einfluss auf seinen besten Angestellten Tony zu nehmen. Denn für Tony zählt nur seine Gang, zu der neben Bobby C auch der gut aussehende Double J (Karim Ben Mansur) und Joey (Andrea Luca Cotti) gehören, der für sein erstes Mal die willige Annette (Lisa Kolada) rumzukriegen versucht. Und dann ist da noch Christian Schöne, der als quirliger Monty die Stimmung in der Disco und natürlich auch beim Publikum der Freilichtbühne anzuheizen versteht. Das wie immer gut aufgestellte, restliche Ensemble überzeugt vor allen Dingen in den Tanzchoreografien von Dance Captain Luciano Mercoli, die das gesamte Spektrum lateinamerikanischer Tänze umfassen.

Saturday Night Fever“ ist ein flottes und kurzweiliges Tanzmusical mit den Welthits der Bee Gees, das ganz auf das Duo Scheiwiller/Klaws abgestimmt ist und insbesondere deren Fans wunderbar unterhält und den Freilichtspielen Tecklenburg einen Zuschauerrekord garantiert. Die Latte ist hoch gesteckt für das kommende Jahr, doch die Spielzeit 2017 wird mit „Shrek“ und dem von Fans heiß ersehnten „Rebecca“ in Starbesetzung mit Pia Douwes und Jan Ammann erneut eine Reise ins Münsterland lohnend machen.

© Text & Fotos: Stephan Drewianka; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Fachzeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 84, 5-16 September-November 2016

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