Mozart in Tecklenburg © Stephan Drewianka
Mozart in Tecklenburg © Stephan Drewianka
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Premiere des Musicals „Mozart!“ der Freilichtspiele Tecklenburg 2023

Ein Musikus mit Genius – einfach extraordinär!

Das erfolgreiche Komponisten- und Texter-Duo Michael Kunze und Sylvester Levay verbindet man vorrangig mit dem Musical-Welterfolg „Elisabeth“ von 1992. Die Schicksalsjahre des jungen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart nahmen sich die beiden als Auftragsarbeit für das Theater an der Wien 1999 vor, wo es mit Yngve Gasoy-Romdal (Mozart Junior), Thomas Borchert (Mozart Senior) und Uwe Kröger (Colloredo) für 419 Aufführungen gespielt wurde. Deutschlandpremiere feierte „Mozart!“ 2001 in der Neuen Flora in Hamburg mit ebenfalls Yngve Gasoy-Romdal, Ethan Freeman (Leopold Mozart), Felix Martin (Colloredo), Maricel (Constanze) und Angelika Milster (Baronin von Waldstätten) und konnte sich dort knapp 1 Jahr behaupten. Erst 2015 gab es mit Oedo Kuipers in der Titelrolle ein großes Revival am Raimundtheater in Wien, das 2016 für nur 5 Vorstellungen im Theater am Marientor in Duisburg gastierte.
2008 stand das Musical schon einmal auf dem Spielplan der Freilichtspiele Tecklenburg. Damals stritten Patrick Stanke als Mozart mit Marc Clear als Colloredo, während Ethan Freeman als Papa Leopold und Karin Seyfried als Schwester Nannerl vergeblich versuchten zu vermitteln. Zu einem echten Publikumserfolg wie „Elisabeth“ oder später „Rebecca“ wurde „Mozart!“ aber bisher in Deutschland nicht, obwohl das Musical internationale Erfolge feierte in China, Schweden, Ungarn, Tschechien, Südkorea, Belgien und insbesondere in Japan, wo „Mozart!“ seit 2002 im 3-jährigen Rhythmus ein erfolgreicher Dauergast in den Theatern ist.

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Spektakuläre Neuinszenierung

2023 ergatterten sich die Freilichtspiele Tecklenburg erneut die Aufführungsrechte von „Mozart!“ und zeigen von der Premiere am 16. Juni 2023 in 24 Vorstellungen bis zum 27. August eine spektakuläre Neuinszenierung von Ulrich Wiggers. Die Lebensgeschichte des verkannten Genies Mozart, vom beachteten Wunderkind über den spielsüchtigen Teenager, der das Geld des Vaters verprasst, hin zum für seine Zeit zu komplex komponierendem Musiker und gegen alle Normen rebellierenden Außenseiter, entfaltet sich wie das überdimensionale Notenblatt von Mozarts Requiem, das das Bühnenbild von Jens Janke dominiert. Hinzu kommen vier frei bewegliche Blöcke, die in Nischen Platz für Spielszenen wie in einem Gemälderahmen schaffen, oder Treppenstufen in Form einer Klavier-Klaviatur zeigen, die die beiden Spielebenen der Open-Air Bühne variabel verbinden. Die Seitenbühne für Szenen im Hause Weber ist eine Harfe mit Notenblatt. „Ich bin Musik“ ist das zentrale Thema von Wiggers Inszenierung, dessen eigentlich lebenslustige und fröhliche Komponente aber von der ersten Minute an von Mozarts Totenmesse „Dies irae“ unheilvoll überschattet wird, an der der ständige, stumme Begleiter, das Porzellankind Amadé, mit seinem Federkiel auf dem überdimensionalen Tintenfass unablässig und fast manisch schreibt.

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Die Rollen und ihre Kostüme

Die Kostüme von Karin Alberti und Fabienne Ank trennen das gemeine Volk in tristen Erdtönen und einfacher Kleidung vom gehobenen Adel im opulenten Rokoko-Stil, der durchaus historisch korrekt die damalige Zeit widerspiegelt. Auch wenn Schwarz die vorrangige Farbe im Ensemble ist und als Stilmittel zur Beschwörung düsterer Ereignisse herangezogen wird, sind die Hauptfiguren farbenprächtiger gekleidet. Die gesamte Familie Weber als geldgieriges Abziehbild der Thénardiers aus „Les Miserables“ mögen es in nicht ganz sicherem Stil- und Farb-Mix gehörig bunt wie eitle Möchtegern-Pfauen. Fürsterzbischof Colloredo stolziert in edlem Schwarz mit rot ausgeschlagenem Graf Dracula-Mantel, jedoch mit christlichem Kreuz auf der Brust daher, Emanuel Schikaneder mag es als Theatermensch bombastisch ausladend, während Baronin von Waldstätten im blutroten Gewand mit Gehstock wie eine mystische Magierin aus einem Fantasy-Roman den Nebeln von Avalon entstiegen sein könnte. Wolfgang Mozart hingegen trägt zu einer weiten, schwarzen Samthose extraordinäre, transparente Rüschenhemden, die selbst im 21. Jahrhundert Aufmerksamkeit auf jeder Party erregen würden, so dass sich Mozart schon allein durch die moderne Kleidung, die auch mal durch einen weißen, pelzbesetzten Mantel oder einen schwarz-roten Gehrock komplettiert wird, vom restlichen Ensemble als skurriler Einzelgänger abgrenzt.

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Thomas Borchert als der Vater Leopold Mozart

Diese geballte Bilderkraft wird vom Ensemble schauspielerisch exzellent in die Handlung integriert. Thomas Borchert ist durch frühere Inszenierungen des Stückes sicherlich am besten vertraut mit der Rolle des Leopold Mozart. Als strenger Vater erzeugt er nach eigenen Angaben beliebig Wunderkinder aus seinem Nachwuchs, koste es, was es wolle. „Niemand liebt Dich so wie ich“ scheint eine hohle Floskel zu sein, denn viel Liebe bringt er dabei für seine Kinder zunächst nicht auf. Ruhm, Erfolg und Geld sind die Triebfedern seines Handelns und er übersieht dabei fast, wie genial sein Sohn tatsächlich ist. Seine Forderung an Wolfgang, endlich einfacher und gefälliger zu komponieren widersprechen dem tatsächlichen Talent seines Sohnes. Stimmgewaltig verlangt er von Wolfgang, sein Herz in Eisen einzuschließen, was er wohl schon vor langer Zeit selbst getan hat. Erst mit dem Tod seiner Frau und dem immer tieferen gesellschaftlichen Abstieg seines Sohnes keimen wahre Gefühle für sein Kind auf. Mozarts Schwester Nannerl, wunderbar gespielt von Valerie Luksch, steht permanent im Schatten ihres Bruders (leider auch in ihrer viel zu kleinen Rolle im Stück). Wolfgang ist ihr wichtig und sie liebt ihn tatsächlich. Doch ihre Vermittlungsversuche zwischen Vater und Sohn bleiben erfolglos, bis sie mit „der Prinz ist fort“ kapitulieren muss.

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Weitere namhafte Darsteller in ihren Rollen

Ebenfalls sehr besorgt um das Seelenheil des jungen Komponisten ist die Baronin von Waldstätten, die eindringlich von einer wunderbaren Wietske van Tongeren gespielt wird. Ihr mahnendes Gleichnis „Gold von den Sternen“, perfekt vorgetragen auf den sich bewegenden Quadern, ist ein weiteres Highlight der Show, das einzelne Zuschauer der Premiere ehrfürchtig zu Standing-Ovations hinreißt. Ihr gütiges Mentoren-Herz ist ein Lichtblick in den düsteren Zeiten, wenn Mozart an seinem Genie zu zerbrechen scheint. Den wahren Genius in Mozarts Kompositionen erkennt eigentlich nur Wolfgangs größter Widersacher, Hieronimus Colloredo, mit Würde verkörpert von Alexander di Capri. „Wie kann es möglich sein?“, dass ein gottloser Spieler ohne jeglichen Anstand wie Wolfgang, diesen „Zauber der Musik“ erschaffen kann. Immer wieder muss Colloredo Zugeständnisse gegen seine eigenen Wertvorstellungen machen, um an die Manuskripte mit Mozarts Musik zu gelangen. Sein ehrfürchtiger Handlanger Graf Arco, eine Rolle, in der man Christian Schöne stimmlich zunächst gar nicht vermutet hätte, die er aber auch schauspielerisch als aalglatter Widerling einmal mehr wunderbar umsetzt, zieht immer wieder den Kürzeren bei Mozarts extraordinären Handlungen. Benjamin Eberling als quirliger Publikumsliebling Schikaneder überredet Wolfgang, mit der Zauberflöte etwas mit „Ein bissel für’s Hirn und ein bissel für’s Herz“ zu komponieren, was ihm letztendlich seinen ersten, wirklichen Erfolg beschert.

Der „ehrlichen Familie“ Weber geht es hingegen nicht um die Kunst. Vor allem Familienoberhaupt Cäcilia Weber, erneut wie schon bei der Wiederaufnahme 2015 in Wien rigoros erbarmungslos darstellt von einer gut aufgelegten Brigitte Oelke, will nur eins von Mozart: Money, Money, Money! Und wie eine Bordellbesitzerin verschachert sie dafür zunächst Gesangstalent Tochter Nummer 1 Aloysia (mit klassischer Stimme sicher repräsentiert von Tamara Peters) und als das nicht richtig funktionieren will, Tochter Nummer 2, die eigentlich recht träge Constanze. Mit der bezaubernden Katia Bischoff verdreht man jedem Junggesellen schnell den Kopf, und nach einer gemeinsamen Nacht wird Mozart schnell in die Ehe erpresst. Beide empfinden aber tatsächlich so etwas wie Liebe und nicht nur Leidenschaft füreinander. Aber das Feuer der Liebe flackert schnell, ist man mit einem wahnhaften Komponisten verheiratet, doch was soll´s, denn „Irgendwo wird immer getanzt“. Dieser Song Constanzes wurde als Solo konzipiert und wurde bisher auch immer von der Darstellerin allein auf der Bühne vorgetragen. Ulrich Wiggers lässt passend zum Titel jedoch neben Katia Bischoff das gesamte Ensemble in einer aufregenden Choreografie von Francesc Abós tatsächlich tanzen: Bravo!

Jan Rekeszus ausdrucksstark als Wolfgang Mozart

Wenn die bisherige Besetzung schon viel Gold von den Sternen repräsentierte, setzt eine darstellerische und gesangliche Leistung aber diesem Elite-Cast die Krone auf: Jan-Philipp Rekeszus spielt bei „Ich bin, ich bin Musik“ mit Händen und Füßen ausdrucksstark auf den Stufen der Klaviatur und zeigt so seine Liebe zur Musik. Beim Duett „Dich Kennen Heisst Dich Lieben“ mit Katia Bishoff geht es um die ehrliche Liebe zu seiner Frau, während die Liebe zum Vater mit der Frage „Warum Kannst Du Mich Nicht Lieben?“ unbeantwortet bleibt. Und so wendet sich die jugendliche Lebensfreude immer mehr zu Selbstzweifel „Niemand Applaudiert“ und Verzweiflung nach dem Tod der Mutter „Was Für Ein Grausames Leben“, bis den ewigen Rebell selbst die „Ich Bin Extraordinär“-coolen Sprüchen nicht mehr vor den Depressionen schützen können. Wolfgang fragt sich verzweifelt „Wie Wird Man Seinen Schatten Los?“, doch das Porzellankind Amadé, die ewige Verkörperung seines 10-jährigen Wunderkind-Ichs im geschenkten Rock der Kaiserin, lauert im Unterbewusstsein, bis es schließlich die Oberhand gewinnt und sich Wolfgang im Olymp vergangener bzw. zukünftiger Musik-Ikonen wie Elvis Presley, Michael Jackson, Freddie Mercury und Marilyn Monroe wiederfindet.
Große Bilder, fantastische Hauptdarsteller mit der Unterstützung eines ausgezeichneten Ensembles, wunderbare Melodien perfekt präsentiert in vollem Orchestersound unter der versierten musikalischen Leitung von Klaus Wilhelm – all das ist „Mozart!“ in Tecklenburg. Entdecken Sie dieses geniale Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay (neu)!

© Text und Fotos: Stephan Drewianka; dieser Bericht erscheint ebenfalls in der Musical Fachzeitschrift Blickpunkt Musical 04-23 - Ausgabe 124

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