Der kleine Horrorladen
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Musical Der kleine Horrorladen in Tecklenburg

Musical Der kleine Horrorladen bei den Freilichtspielen

Den Freilichtspielen in Tecklenburg glückte mit dem kleinen Horrorladen eine rasante und witzige Inszenierung

Audrey 2 wuchert und gedeiht. Was jetzt nicht unbedingt und nur an dem wachstumsfördernden Niederschlagswetter der vergangenen Wochen gelegen haben mag. Davon gab’s aber auch im Tecklenburger Land reichlich. Die nimmersatte rote-grüne Killerpflanze brauchte, und das hat sie mit Dracula, Krolock und Konsorten gemein, stattdessen Blut zum persönlichen Wohlergehen – Menschenblut! Gib’s ihr, Seymour! Das Monstergewächs war ein weiterer Kundenmagnet im neu eröffneten Kleinen Horrorladen, der da befristet im Theater auf der Burg in unmittelbarer Nachbarschaft zu Orvin Scrivellos Zahnklempnerpraxis in der Skid Row zur Blüte gelangt ist.

Das skurrile und überdrehte Kult-Musical Der kleine Horrorladen aus der Feder von Alan Menken (Musik) und Howard Ashman (Libretto) ist, ebenso wie seine floristische Hauptdarstellerin, nicht tot zu kriegen. Da helfen auch keine Stromschläge….  Seit Anfang der 80-er Jahre wird der turbulente, mit einem gehörigen Schuss schwarzen Humors gewürzte Spaß auf den Bühnen der Welt gespielt – mit anhaltendem Erfolg. Als musikalische Bearbeitung des gleichnamigen Low-Budget-Films  aus dem Jahre 1961 erlebte Little Shop of Horrors 1982 im klitzekleinen New Yorker WPA Theatre seine Welturaufführung, wurde anschließend an den Off -Broadway transferiert und trat in Folge seinen Siegeszug um den Globus an. Früher oder später musste „Mean green mother from outerspace“ auch in Tecklenburg sprießen. 

Handlung Der kleine Horrorladen: Ein Faust’scher Pakt

Insofern konnten auch die hiesigen Freilichtspiele nichts falsch machen, als sie sich dafür entschieden, das Stück, das auch in Deutschland längst ein Dauerbrenner ist, neben Les Miserables als Zweit-Produktion auf den Spielplan zu setzen. Die Geschichte selbst dürfte ja sattsam bekannt sein. Insofern hier nur ein kleiner Abriss: Der trottelige Blumenverkäufer Seymour züchtet eine Fleisch fressende Pflanze, die schnell zur Attraktion des am Rande der Pleite dümpelnden Ladens wird. Doch das sprechende Etwas wächst dem armen Kerl im wahrsten Sinne des Wortes über den Kopf, und verlangt ständig nach mehr (Menschen)Blut. Im Gegenzug  verspricht Audrey 2, so genannt nach Seymours heimlicher Liebe und angebeteten Kollegin , ihm Berühmtheit und Erfüllung in der Liebe – ein Faust’scher Pakt. Das in Folge riesige Ausmaße annehmende Ungeheuer erfüllt zwar seinen Teil der Abmachung, entwickelt sich aber zur ernsthaften Bedrohung für die Menschheit. Als es sich schließlich auch noch seiner menschlichen Namensvetterin  an die Wäsche geht, greift der „Held“ des Stücks in einem Akt der Verzweiflung zu rabiaten Methoden, um dem grünen Alien den Garaus zu machen.

Die Tecklenburger haben aus der Vorlage unter der Federführung von Hans Holzbecher, der damit hier auf dem „Balkon des Münsterlandes“ seinen Regie-Einstand gab, eine rasante, mitreißende und witzige Inszenierung entwickelt, die nicht allein von der überdrehten, hanebüchenen Story  bzw. den eingängigen, zwischen Soul und Rock angesiedelten Songs lebt.

Ein Tollpatsch und ein blondes Dummerchen

Nicht zuletzt das hoch motivierte Ensemble, dem das Ganze mindestens ebenso viel Spaß zu machen schien wie dem Publikum, verlieh dem abgedrehten Spektakel Drive und Würze. Allen voran Norbert Kohler als tollpatschiger Held Seymour und Nadine Hammer als blondes, naives Dummerchen Audrey, eine Rolle die sie bereits am Staatstheater in Kassel verinnerlicht hatte. Beide Künstler zeichneten, stimmlich bestens aufgelegt, ein überzeugendes Profil ihrer schnurrigen Bühnencharaktere und verliehen den Figuren Authentizität und Charme. Sie müssen es auch, denn das Stück steht und fällt mit diesem Protagonisten-Pärchen. Fast alle anderen sind, von Mr. Mushnik, dem Blumenladenbesitzer, oder dem Dentisten-Brutalo einmal abgesehen, zunächst einmal schmückendes Beiwerk ohne großen Einfluss auf den Handlungsstrang an und für sich.

Patrick Stanke als Parade-Macho

Aber das ist auch eine Frage des Ansatzes und der Ausprägung. Holzbecher hat letzteren beiden doch mehr Schärfe bzw. Konturen und somit Bedeutung verliehen, als ihnen in anderen Inszenierungen zuteil wird. Und das ist ein deutlicher Gewinn. So durfte Thorsten Tinney mit viel Theatralik einen herrlich verschrobenen und kauzigen Einzelhändler ausleben, während Patrick Stanke als Gebiß- und Jacketkronen-Dompteur mit, zugegeben, etwas ausgefallenen Therapiemethoden, einen Parade-Macho wie aus dem Bilderbuch gab. Dann lieber dauerhaft mit Zahnschmerzen leben …. Stanke, ein exponierter Repräsentant der neuen Musicaldarsteller-Generation, gehört zweifellos zu den personellen Hoffnungsträgern des Genres hier zu Lande und dürfte erst am Anfang einer steilen Karriere stehen. Da wird sicherlich noch einiges zu erwarten sein.

Dem Karies keine Chance

Der masochistisch veranlagten Privatpatienten (Stefan König) auf dem Behandlungsstuhl Dr. Stankes genoss die schmerzintensive Unterkieferkorrektur sichtlich. Beim nächsten Zahnarztbesuch nur nicht an so etwas denken. Ganz nebenbei lieh Patrick Stanke auch dem nimmersatten Albtraumgewächs Audrey II seine (ausgeprägte und kraftvolle) Stimme. Let’s fetz!  Da rockte die grüne Mama aus dem All, was das Zeug hielt. So war der D’Artagnan i.R. aus Wuppertal neben seinen sadistischen Exzessen zu Lasten der armen Audrey während der elf Vorstellungen doch ziemlich beschäftigt. Aber auch die drei Girlies, „Ronette“ (Lillemor Spitzer), „Chrystal“ (Sabine Neibersch) und „Chiffon“ (Ramona Ludwig) brachten viel Dynamik und Temperament in die Show ein und verdienten sich einen Extraapplaus. 

Kleines Musical auf großer Bühne

Eigentlich ist das Musical Der kleine Horrorladen ja eher für kleine Bühnen ausgelegt. Insofern war es schon eine spannende Frage, ob es auch auf einer so ausgedehnten Spielfläche wie der der Tecklenburger mit ihrer immensen Breite und Tiefe wirken würde. Um es vorweg zu nehmen: Es hat funktioniert, und  zwar ohne dass das Stück von seinem ursprünglichen Charme eingebüßt hat. Da hat sich der Regisseur geschickt die örtlichen Gegebenheiten zu nutze gemacht und die malerische Naturkulisse eingebunden. Vor allem  aber konnte Holzbecher auf den stattlichen Personalpool der Hausherren zurückgreifen, die ja mit ihrem Chor und ihrer großen Laienspielerriege selbst ein Ein-Personen-Stück  zur Masseninszenierung aufblasen könnten. Und so etwas wirkt immer, sofern das Staging stimmt. Da wirkte wirklich kein Akteur auf der ausgedehnten Ebene verloren; sowohl im Zentrum, als auch an der Peripherie war immer Bewegung, ohne dass dies den Storyverlauf störte oder die Konzentration der Zuschauer auf Marginales lenkte.

Gefällige Mixtur aus Rock und Pop

Ja, und die Musik hat natürlich als Komponente für die ungebrochene Beliebtheit dieser schrägen mit witzigen Texten versehenen Parodie des Horrorfilm-Genres enorme Bedeutung. (Die deutsche Übersetzung stammt übrigens von keinem Geringeren als Dr. Michael Kunze.) Komponist Alan Menken hat hier eine prickelnde Mixtur theatergeeigneter Rock-Rhythmen und gefälliger Popklänge entworfen, die ein klein wenig an den Sound von Phil Spector  oder die Girlgroups der frühen 60-er gemahnen. Adäquat umgesetzt wurde sie in Tecklenburg von einer kraftvoll aufspielenden 8-Mann-Band, die stellenweise ersatzgeschwächt während einiger Shows ohne ihren erkrankten Kopf Klaus Hillebrecht auskommen musste.

Marc Clear kam, sang und siegte

Jetzt darf man natürlich gespannt sein, was uns die Tecklenburger in der nächsten Spielsaison als Hauptstück auftischen. Eine Wiederholung von Les Miserables, das so erfolgreich lief wie selten ein Stück in der langen Geschichte der Freilichtbühne, wäre immerhin theoretisch denkbar, auch wenn Intendant Radulf Beuleke derartige Überlegungen weit von sich weist. Selbst die vielen Krankheits bedingten Ausfälle in der Cast hatten der Produktion in ihrer Gesamtheit nicht schaden können. So mussten sich die Verantwortlichen bereits kurz nach der Premiere nach einem neuen Inspektor Javert umsehen, weil Dean Welterlen sich eine tückische (und langwierige) Kehlkopfentzündung eingefangen hatte. In Marc Clear fand sich brillanter Ersatz. Weiland bei den 3 Musketieren in Berlin als „Entdeckung des Jahres“ gefeiert, entpuppte sich der Ex-Artos auch in Tecklenburg als Abräumer. Er kam, sang und siegte!

Gibt es eine Neuauflage von Les Mis?

Intern hat es unter dem diesjährigen Ensemble bereits eine Umfrage gegeben, ob die Künstler gegebenenfalls  im nächsten Jahr für eine weitere Les-Mis-Periode zur Verfügung stehen würden. In diesem Falle käme es zum zweiten Male seit 2005 zu einem direkten Kräftemessen mit den Festspielen in Bad Hersfeld. Beide Bühnen hatten damals Camelot gespielt. Die Tecklenburger zeigten sich im unmittelbaren Vergleich ziemlich gut aufgestellt.

Die Bad Hersfelder errichten die Barrikaden in Padua

Nach einjähriger Abstinenz wollen die Osthessen 2007 wieder zum geschmähten Musical zurückkehren. Vermutlich entwickelten sich die Verkaufszahlen in diesem Jahr ganz ohne diese vermeintlich „leichte Kost“ doch nicht so berauschend. Und man darf hier echt gespannt sein, hatten die Hersfelder doch auf ihrer Internetseite angekündigt, ein Les Miserables aufzuführen, das auf dem Buch von William Shakespeare basiere!!!. So stand es geschrieben! Eine ganz neue Konstellation. Der olle Victor Hugo, Gott hab’ ihn selig, würde sich wohl im Grab umdrehen, müsste er zur Kenntnis nehmen, dass sein Valjean plötzlich „Petruchio“  heißt,  „Eponine“ zum kratzbürstigen, küssenden Käthchen mutiert und der Schauplatz der Geschichte von Paris nach Padua verlagert worden ist. Da hat wohl irgendeiner etwas gewaltig durcheinander gebracht…. Aber inzwischen ist die inkriminierte Seite zwecks Überarbeitung vom Netz genommen worden.
Aber die „Elenden“ hin, Shakespeare her, in Tecklenburg sind auch andere Optionen möglich. So könnte sich das Hauptstück der Saison 2007 durchaus auch um ein Musikergenie aus Salzburg ranken, das den „Sauschwanz von Drecken“ raushängt…..  Warten wir’s ab. 

© Jürgen Heimann; Fotos: Heiner Schäffer

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