Musical Jesus Christ Superstar in Essen
Musical Jesus Christ Superstar in Essen
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Technische Daten:

Original Besetzung Musical Jesus Christ Superstar: Henrik Wager, Serkan Kaya, Valerie Scott, Erin Caves, Philip Ducloux, Japheth Myers, Kai Hüsgen, Rüdiger Frank; Aalto Theater Essen; Musik: Andrew Lloyd Webber; Texte: Tim Rice; Aufführungsdauer: 140 min.; Uraufführung: 09.09.2006; Aufführungsende : 24.06.2007





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Musical Jesus Christ Superstar in Essen

Musical Jesus Christ Superstar 2006 im Essener Aalto-Theater

Seit 35 Jahren ist Sir Andrew Lloyd Webbers Musical Jesus Christ Superstar über die letzten 7 Tage von Jesus ein gern gespieltes, durchkomponiertes Musical, das deshalb den Untertitel Rock-Oper trägt. Michael Schulz, der sich nur im Opernfach auskannte und bisher noch keine Musicalproduktion auf die Bühne gebracht hat, inszenierte eine aufwändige Neuadaption des Klassikers für das Essener Aalto-Theater. Nur seine Frau wusste mit dem Titel des Musicals gleich das weltberühmte »I don´t know how to love him« zu verbinden – Herr Schulz machte bis dato immer einen großen Bogen um die Werke von Andrew Lloyd Webber, da ihn sein Phantom der Oper künstlerisch eher abgeschreckt hatte.

Matthäuspassion mit E-Gitarre

Vielleicht ist es der Unvoreingenommenheit des Regisseurs zu verdanken, dass beim Essener Jesus Christ Superstar so manches völlig anders ist, als es der Musical-Kenner gewohnt ist: Besonders augenfällig ist das neue Verhältnis der beiden Hauptfiguren Jesus und Judas zueinander. Jesus ist hier nicht der schwächliche Heilige im weißen Gewand, der weltfremd nur vom Himmel träumt. Er ist eine starke Persönlichkeit, liebt seine Maria Magdalena recht körperlich, verteidigt seine Ideale und bietet seinem größten Kritiker Judas so physikalisch Paroli, dass die beiden auf der Bühne einen Ringkampf ausfechten. So wird die Rolle des Judas, der die Inaktivität seines Idols bemängeln soll, zwar auf den ersten Blick gewaltig entkräftet, doch der schwelende Konflikt bei der Verwirklichung der himmlischen Hirngespinste bleibt dennoch erhalten, so dass Judas auch in diesem Kontext glaubwürdig zum Verräter werden kann.

Moderne Inszenierung von Jesus Christ Superstar

Neben diesem stärkeren Jesus verblüffen viele Kleinigkeiten der modernen Inszenierung immer wieder das Publikum: So überrascht die Vertreibung aus dem Tempel mit einem riesigen Weihnachtsbaum, Nikoläusen und X-mas Bunnies, denen Jesus die mit Geschenken beladenen Einkaufswagen um die Ohren schleudert genauso wie die Szene der hilfesuchenden Lepra-Kranken, die in den Augen von Michael Schulz aber als übergewichtige Personen in Jogginganzügen vollgeladene Tabletts einer bekannten Fast-Food-Kette vor sich her schieben. In der Transformation in die Neuzeit tragen die Pharisäer schicke Geschäftsanzüge und überreden Judas dazu, Beweisphotos mit einer Sofortbildkamera zu schießen. Im Ruhrpott trinken die zwölf Apostel auch keinen Wein zum Abendmahl, sondern es wird stilvoll mit Bierflaschen angestoßen. Zu Recht dürfen Sie dann sehr gespannt sein, wie der »Herodes Song« umgesetzt wurde, aber ich möchte hier nicht zu viel von gefallenen Engeln verraten…

Henrik Wager als Jesus und Serkan Kaya als Judas

Alle modernen Einfälle, die man entweder als brillante Geniestreiche sehen kann oder mit gemischten Gefühlen betrachtet , wurden mit dem imposanten, ständig wechselnden Bühnenbild von Kathrin-Susann Brose, die sich auch für die Entwürfe der geschmackvollen Kostüme verantwortlich zeigte, beeindruckend umgesetzt. Das Aalto-Theater darf hier seine komplette Bühnentechnik auffahren, so dass die aussagekräftigen Bilder mit warmen Ikonengemälden, kalten Hinterhofgaragen, verkommenem Underground und palastähnlichen Innenhöfen ständig in fließendem Wechsel ineinander übergehen ohne von den Hauptfiguren zu stark abzulenken. Denn die Personen stehen hier dominant im Vordergrund: Henrik Wager bildet als stimmstarker Jesus zusammen mit Serkan Kaya (Judas) und einer betont souligen Valerie Scott (Maria) eine neue Definition einer musikalischen Dreieinigkeit, die durch Erin Caves (Pontius Pilatus), Philip Ducloux (Hannas), Japheth Myers (Petrus), Kai Hüsgen (Simon) und dem »großen« Rüdiger Frank als Herodes verstärkt wurde.

Die gesamte Statisterie mit dem Opern- und Kinderchor tut ein Übriges, die weitläufige Bühne in den Massenszenen imposant zu füllen und sich dabei auch noch sicher durch die sparsame, aber dadurch nicht minder effektvolle Choreographie von James de Groot und Paul Kribbe zu bewegen. Für den musikalischen Leiter Heribert Feckler stand fest, dass Johann Sebastian Bach seine Matthäuspassion heute sicherlich mit E-Gitarre komponiert hätte und so führt er seine eigens zusammengestellte United Rock Band in Kombination mit dem United Rock Orchestra durch die englischsprachige Partitur. Weder zu heavy noch zu orchestral trifft er den angenehmen Mittelweg des symphonischen Rocks, der am Premierenabend nur selten die Stimmen der Hauptdarsteller übertönte. Stört es da noch, dass bei der Finalnummer gar nicht der echte Jesus als perfekter Entertainer im weißen Glitzerdress ans Kreuz genagelt wurde, sondern ein abgemagerter, fremder Mann mit Lendenschurz, der den Bildnissen in vielen Kirchen plötzlich sehr ähnlich sah?

Fazit: Jesus lebt – soviel steht fest! Die Neuinszenierung des Musicals Jesus Christ Superstar im Aalto-Theater Essen führt den angestaubten Hippie-Klassiker nach 35 Jahren in ein neues Jahrtausend. Machen Sie sich frei von alten Gewohnheiten und geniessen Sie einen anderen Jesus Christ Superstar!

© Text & Fotos (6) by Stephan Drewianka, Musical-World.de; Produktionsfotos (14): Matthias Jung

Dieser Artikel ist ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 06/06, November-Dezember 2006 erschienen

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